Mord an Deniz Poyraz: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Polizei

Die Eltern von Deniz Poyraz haben eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizei von Izmir eingereicht. Sie werfen den Sicherheitsbehörden vor, den Mord an ihrer Tochter in der HDP-Zentrale durch amtspflichtwidrige Versäumnisse begünstigt zu haben.

Die Ermittlungen der Oberstaatsanwaltschaft Izmir zum Mord an der HDP-Aktivistin Deniz Poyraz laufen noch. Nun haben ihre Eltern eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizei eingereicht. Fehime und Abdülillah Poyraz werfen der Behörde vor, das Attentat „durch amtspflichtwidrige Versäumnisse begünstigt beziehungsweise nicht verhindert“ zu haben. Die Beschwerde richte sich gegen die diensthabenden Beamten während des Anschlags im HDP-Parteibüro, das rund um die Uhr von der Polizei überwacht wird, sowie gegen die Polizeibehörde. Konkret gehe es unter anderem darum, dass der 27-jährige Täter Onur Gencer trotz massiver Polizeipräsenz am Eingang schwerbewaffnet in das Gebäude eindringen konnte. Gegen ihn sowie „Hintermänner und Helfer“ erstatteten Fehime und Abdülillah Poyraz Anzeige. Das Ehepaar geht von einer organisierten Tat aus.

Schwerbewaffneter Täter passiert Polizeikontrolle

Deniz Poyraz ist am 17. Juni 2021 bei einem faschistisch motivierten Anschlag in der HDP-Zentrale in Izmir mit sechs Kugeln erschossen worden. An dem Tag sollte in dem Gebäude eine Vorstandssitzung mit etwa vierzig Personen stattfinden, die kurzfristig verschoben worden war. Die HDP sprach daher von einem Massaker, das dort hätte stattfinden sollen. Eine auf Video festgehaltene Tatortbegehung unmittelbar nach dem Mord zeigte, dass nicht nur ein bis zwei gezielte Schüsse abgegeben wurden. Die Schäden in den Räumlichkeiten deuteten auf einen Dauerbeschuss hin, mit dem alle Anwesenden hätten getötet werden sollen. Allein die verschlossene Tür des Büros des Vorstands hatte der Täter Onur Gencer durch mehrere Schüsse auf das Schloss entriegelt.

Sicherheitsapparat in das Attentat involviert

Dass der Mord an Deniz Poyraz die Tat einer organisierten Struktur gewesen sein könnte, glaubt auch der Rechtsbeistand der Angehörigen der 38-Jährigen. Onur Gencer habe nicht allein gehandelt, sondern „im Rahmen der Strukturen einer Organisation“, die für die Planung des Anschlags verantwortlich sei. Zu diesem Ergebnis kamen die Anwältinnen und Anwälte nach einer Handydatenauswertung von Gencer. Nach der Bluttat veröffentlichte der bekennende Anhänger der rechtsextremen Organisation „Graue Wölfe“ via WhatsApp ein Foto der getöteten Deniz Poyraz mit dem Zusatz: „Leiche 1“. Dies deutet nach Auffassung des Rechtsbeistands der Familie Poyraz ebenfalls darauf hin, dass der Mörder eine größere Zielgruppe im Visier hatte. Auch seine Behandlung durch die Polizei spricht für eine organisierte Tat. Gencer war bei seiner Festnahme am Tatort äußerst höflich von Beamten aus dem Gebäude herauseskortiert und mit „Bruder“ angesprochen worden. Für diese Polizisten fordert Abdülillah Poyraz besonders harte „personelle Konsequenzen“. Er ist sich sicher, dass Kräfte aus dem Sicherheitsapparat in das Attentat involviert sind.

Vater: Wir kämpfen für Frieden in diesem Land

„Es geht uns nicht in erster Linie um den eigenen Verlust. Hier wurde ein bösartiges Szenario entworfen, das abgespielt wird, um die HDP zu verbieten“, so Poyraz. Die HDP sei die Partei von allen. „Sie vertritt die kurdische Gesellschaft ebenso wie die türkische, lasische tescherkessische, armenische und jüdische. Der Anschlag ist Teil eines abgekarterten Spiels, der sich gegen den Frieden richtet. Wir wollen nicht, dass noch mehr Blut vergossen wird von jenen, die für ein harmonisches und gewaltloses Leben in diesem Land eintreten. Wir möchten, dass Frieden in diesem Land einkehrt. Deshalb kämpfen wir.“