Azadî informiert über aktuelle PKK-Verfahren
Aktuell befinden sich acht kurdische Aktivisten in Deutschland in Haft. Das teilt der Rechtshilfefonds Azadî e.V. mit und informiert über den Stand in den §§129a/b-Verfahren.
Aktuell befinden sich acht kurdische Aktivisten in Deutschland in Haft. Das teilt der Rechtshilfefonds Azadî e.V. mit und informiert über den Stand in den §§129a/b-Verfahren.
Azadî e.V., der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden mit Sitz in Köln, informiert in einer aktuellen Erklärung über den Stand in §§129a/b-Verfahren gegen kurdischen Aktivist:innen wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft in Deutschland:
Rückblick auf April: Nizamettin S. in Celle verurteilt
Am 12. April hat der 4. Strafsenat des OLG Celle den 50-jährigen Aktivisten Nizamettin S. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Entgegen den Beteuerungen des Angeklagten sah es das Gericht als erwiesen an, dass dieser sich im Rahmen der PKK politisch betätigt hat. Bis zum Ende des Prozesses befand sich der Angeklagte auf „freiem Fuß“.
Urteilsverkündung in Stuttgart-Stammheim
Vor dem Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart-Stammheim endete am 30. April nach etwas über zwei Jahren Verfahrensdauer der Prozess gegen vier Kurden und eine Kurdin. Der 3. Strafsenat sah es als erwiesen an, dass sich Veysel S. (39) als Mitglied der PKK und Gebietsleiter betätigt hat und verurteilte ihn in Tateinheit u.a. mit versuchter Nötigung und Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Der niederländische Staatsangehörige Agit K. (28) wurde wegen Unterstützung der PKK u.a. - unter Einbeziehung einer früheren Strafe - zu vier Jahren und Özkan T. (32) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der Haftbefehl gegen ihn wurde aufgehoben. Das Gericht verurteilte Cihan A. und Evrim A. zu jeweils einem Jahr und sechs Monaten wegen PKK-Unterstützung u.a., die Strafe wurde allerdings zur Bewährung ausgesetzt.
Als „besonders schwierig“ hinsichtlich der Beweiswürdigung nennt der Senat in seiner Pressemitteilung u.a. das „manipulative Aussageverhalten“ des Kronzeugen der Anklage, Ridvan Ö. Zugunsten der Angeklagten anerkennt er die lange Dauer des Verfahrens, u.a. durch eine Corona-bedingte Zwangspause und die Tatsache, dass alle „als Kurden in ihrem Leben durch die türkische Kurdenpolitik teils massiv beeinträchtigt waren“.
Die Verteidigung kritisierte, dass der Vorsitzende Richter in seinem Urteilsspruch versucht habe, „die politische Verantwortung für die Kurdenverfolgung an die Regierung weiterzugeben“ und sich „der eigenen Verantwortung zu entziehen“, was zurückzuweisen sei. Richtig sei aber, dass die Kriminalisierung der Kurd:innen in Deutschland „schon immer ganz zentral ein Projekt der Exekutive“ sei, „von der Verbotsverfügung 1993 bis zu den Verfolgungsermächtigungen für die Verfahren heute“. So wichtig der „Kampf im Gerichtssaal“ auch sei: eine Beendigung der Verbotspraxis werde „nicht ohne massiven Druck auf die Bundesregierung möglich sein.“
Das Urteil dieses Verfahrens ist nicht rechtskräftig. Die Verteidigung wird Revision einlegen.
Aktueller Prozess vor dem OLG Stuttgart
Ebenfalls in Stuttgart läuft seit dem 8. Oktober 2020 ein weiteres PKK-Verfahren. Angeklagt ist der kurdische Aktivist Kamuran Yekta V. (34). Im November 2019 war er auf Ersuchen der Bundesanwaltschaft am Flughafen in Zürich fest- und in Auslieferungshaft genommen worden, von wo er im Juni 2020 an die Justizbehörden in Stuttgart überstellt wurde. Zuvor hatte das Schweizer Bundesstrafgericht eine Auslieferung abgelehnt, weil die PKK nicht als „kriminelle“ Organisation einzustufen sei, sondern als eine politische Partei bzw. als Widerstands- und Unabhängigkeitsbewegung. Es müsse der „historische und völkerrechtlich-humanitäre Kontext der fraglichen Konflikte in Syrien und in Irak“ erörtert werden. Das Gericht hatte ihm darüber hinaus eine Haftentschädigung zugesprochen. Das oberste Bundesgericht der Schweiz jedoch hob diese Entscheidung auf und stimmte der Auslieferung zu.
Kamuran Yekta V. wird beschuldigt, ab Juni 2014 Jugendverantwortlicher der PKK in Stuttgart gewesen zu sein und in den Jahren 2015 bis 2016 das Gebiet „Saarland“ verantwortlich geleitet zu haben.
Die Termine sind am 4./5., 11./12. und 18./19. Mai. Nach einer zweiwöchigen Pause wird der Prozess im Juni fortgesetzt. Alle Verhandlungen beginnen um 9.00 Uhr und finden vor dem OLG Stuttgart-Innenstadt, Olgastraße 2, statt.
Noch ausstehende Prozesse
Bislang noch nicht eröffnet sie die Verfahren gegen Mustafa T., der im Dezember 2020 festgenommen, und gegen Yilmaz A., der im September 2020 verhaftet wurde. Den Haftbefehl gegen Letzteren hat der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings am 13. April aufgehoben, weil er sich bereits mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft befand und die Generalstaatsanwaltschaft noch keine Anklageschrift vorgelegt hat. Dies widerspricht dem Beschleunigungsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, wonach die Strafverfolgungsorgane dafür zu sorgen haben, dass Strafverfahren so rasch wie möglich durchgeführt werden. Eine etwaige nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann niemals Grund sein, die Untersuchungshaft eines Beschuldigten fortzusetzen.
Kurdische Aktivisten in Haft
Derzeit befinden sich acht Kurden in Haft, davon fünf in Untersuchungs- und drei in Strafhaft.
Seit der Bundesgerichtshof (BGH) im Oktober 2010 entschieden hat, auch die PKK als eine „terroristische“ Vereinigung im Ausland gem. §§129a/b StGB einzustufen, wurden von AZADÎ bisher 45 Kurdinnen und Kurden unterstützt.