Die Region Barroso im Norden von Portugal wurde im Jahr 2019 aufgrund ihrer traditionellen, selbstversorgenden und nachhaltigen Landwirtschaft zum Weltkulturerbe erklärt. Besonders einmalig ist hier das Wassermanagement, welches das Wasser durch Kanäle und Speicher in die Felder lenkt. In der gleichen Region wird nun die größte Lithium-Mine Europas geplant. Wie kann das sein?
Um das herauszufinden, fuhren wir diesen August zu einem Widerstandscamp der Bewegung in Barroso, um diese und ihren Kampf gegen die Mine kennenzulernen. Auf dem Weg nach Covas do Barroso, dem Dorf, in dem das Camp stattfinden sollte, fuhren wir durch eine grüne Hügellandschaft, Pinien-und Eukalyptuswälder verbreiteten ihren Duft in der über 30 Grad heißen Luft. Das Dorf besteht aus kleinen Steinhäusern, und in deren Mitte wurde auf einer großen Wiese das Camp vorbereitet.
Widerstand der Dorfbevölkerung
Am Nachmittag erfuhren wir mehr über die Situation vor Ort. Eine Lehrerin aus dem Dorf, mit großem emotionalen Bezug zu dem Land, erzählte, wie in den 1990ern Hirten in den Bergen die ersten Geolog:innen gesichtet haben. Zehn Jahre später gab es die ersten Bohrungen und Mineralfunde, das Lithium blieb allerdings noch unerwähnt.
Sie erzählte, dass damals niemand die Bedeutung dessen und die Rechte der Dorfbewohner:innen kannte. Sie erfuhren nie offiziell, was mit ihrem Land passieren sollte. 2017 hörten sie zum ersten Mal, wie internationale Medien von den Planungen der größten Lithium-Mine Europas sprachen. Daraufhin formte sich erster Widerstand und die Dorfbewohner:innen begannen den Zugriff auf ihr Land zu verweigern.
Mit sehr komplexer Bürokratie versuchte die Betreibergesellschaft Savannah, die Widerständigen zu spalten. Ein Teil davon sind Umweltverträglichkeitsprüfungen („environmental assessment studies”), die eine rechtliche Bedingung für solche Eingriffe sind. Diese hat Savannah selbst durchführen lassen, was zu falsche Angaben geführt hat, die dem Unternehmen in die Hände spielen. Hier wird ganz klar auf Klischees gesetzt, die darauf anspielen, dass alle Menschen vom Land „einfache Leute” sind, die sich nicht mit komplizierter Bürokratie auseinandersetzen können.
Das ist natürlich nicht der Fall. Die Widerständigen fordern eine neue Prüfung von unabhängiger Seite und wollen außerdem, dass eine Sozialverträglichkeitsprüfung („social assessment study”) durchgeführt wird. Denn die zerstörerischen Auswirkungen, die die Mine auf die sozialen Strukturen in den Dörfern hätte, wurden bisher gänzlich außer Acht gelassen.
Verheerende Auswirkungen auf die Umwelt
Mittlerweile sind in der Region Barroso vier Minen geplant. Für den Lithium-Abbau soll der Fels zu Pulver gesprengt und dann mit sehr viel Wasser und Chemikalien gespült werden, wodurch das Lithium, welches leichter ist als der Stein, extrahiert werden kann. Ein riesiger Umwelteinfluss wäre also die Kontamination des Wassers, das durch den Barroso-Fluss bis in den Atlantik gespült werden würde.
Außerdem würde durch die Eingriffe der Grundwasserspiegel sinken, was einen verheerenden Einfluss auf die Natur und somit auch auf die Lebensgrundlage der Dorfbewohner:innen hätte. Nach der Extraktion müsste das Lithium dann außerhalb Europas (v.a. in China) raffiniert werden, denn in Europa existieren bisher keine Raffinerien, die das Lithium in Baumaterial für z.B. Autobatterien verarbeiten können. Diese müssten wiederum zurück geschifft werden, um dann in Fabriken, wie z.B. dem Tesla Werk in Brandenburg, in Autos installiert zu werden.
Das größte Potential der Widerstandsbewegung ist das Allmende-Land, welches die Mehrheit der geplanten Minenfläche ausmacht. Dieses traditionelle gemeinschaftliche Eigentum, welches von der gesamten Bevölkerung gleichermaßen genutzt werden kann, ist nur sehr schwer zu kaufen für Savannah, denn mindestens zwei Drittel der Nutzer:innen müssten dem Kauf zustimmen.
Doch Europa und der portugiesische Staat wollen diese Mine, sie passen die Gesetze an und nehmen dem Widerstand die Rechtsgrundlage, sodass ihnen nur noch eine symbolische Kraft bleibt.
Barroso gilt als „Problemkind“
Am nächsten Tag machte die ganze Camp-Gemeinschaft einen großen Spaziergang, auf den alten Wegen, in das Nachbardorf, welches nur 200 Meter von der geplanten Minengrenze entfernt ist. Der Boden ist bedeckt von Farn, Brombeeren und wilder Minze. Überall sind Bäche und Brunnen, mit denen das Wasser, welches im Frühjahr von den Bergen kommt, seit Jahrhunderten aufgefangen und geleitet wird, um Landwirtschaft in solch einer heißen Gegend zu ermöglichen. In jedem der Dörfer gibt es ein kommunal genutztes Backhaus, überall kleine Gemüsegärten, Maisfelder, Weinberge, und Steinmauern als Weidebegrenzung rahmen die Landschaft.
Die nächsten Tage lernten wir viel. Wir beobachteten das Leben im Dorf, welches abends entweder auf dem Fußballplatz oder vor dem Dorfkiosk zusammenkommt. „Wir haben Biolandwirtschaft gemacht, bevor es cool war“, erzählt uns eine junge Frau. Sie berichtet, dass ihre Community aus Menschen, Tieren und den Bergen besteht, und von der drohenden Zerstörung dieser Lebensgemeinschaft. Denn von den geplanten 15 Jahren Minenabbau werden sich die Menschen genauso wenig wie die Berge erholen können. Sie erzählt auch, wie vor allem Frauen den Widerstand vor sechs Jahren ins Rollen brachten und die Bewegung durch viel Geduld vor der Ermüdung bewahrten.
Sie gewährte uns einen Einblick, wie es sich anfühlt, in einer der ländlichen Regionen Portugals aufzuwachsen, mit konstant fehlender Aufmerksamkeit der Regierung, welches in dem Fehlen von Infrastruktur wie öffentlichem Nahverkehr, Bildung und Krankenhäusern sichtbar ist. Wie auf ein „problematisches Kind“ schaue Portugal auf die ländliche Region Barroso, und ähnlich schaue Europa auf Portugal, so die junge Frau. Und nun wird genau dieses „problematische Kind“ mit einer Mine beschenkt.
Ja zum Leben, Nein zur Mine
Am letzten Tag des Camps liefen wir mit einem lauten Demonstrationszug durch das Dorf und hängten ein großes, gemeinschaftlich gemaltes Banner vor das Büro von Savannah. „Sim a Vida, Não à Mina“ – Ja zum Leben, Nein zur Mine sangen wir, begleitet von aneinander geschlagenen Topfdeckeln, stampfenden Füßen und Pfiffen. Die Dorfbewohner:innen banden sich Schafschädel auf den Kopf und hatten Rechen und Harken dabei, um ihren Widerstand darzustellen.
Diese Minen werden die ersten, aber lange nicht die letzten Lithium-Minen in Portugal sein. Und deshalb müssen sie gestoppt werden! Denn ist die Gemeinschaft und Landschaft erst einmal zerstört und die Lüge des grünen Kapitalismus gefestigt und etabliert, wird es kein Zurück mehr geben. Wir müssen aufhören, immer weitere Ressourcen zu stehlen, und mehr über Kreislaufwirtschaft nachdenken. Denn diese „Lösung“, die die Automobilindustrie und das Wirtschaftswachstum füttert, dafür aber das Leben gefährdet, ist keine Lösung.