Kurdische Ökologiebewegung beim Camp FridaysForFuture

Die Ortsgruppe von FridaysForFuture informiert in einem offenen Camp in der Nürnberger Altstadt über Klimagerechtigkeit und ökologische Kämpfe. Ein Vertreter des Medya Volkshaus sprach über den Stellenwert der Ökologie in der kurdischen Freiheitsbewegung.

„Wir sind die erste Generation, die von der Klimakrise betroffen ist und gleichzeitig die letzte, die etwas gegen die Klimakrise tun kann“, heißt es am Ende des sehr detailliert ausgearbeiteten Forderungskatalogs (https://fridaysforfuture-nuernberg.de/forderungen.pdf) der Aktivist*innen von FridaysForFuture in Nürnberg. Um ihr Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen und zum Mitdenken und -machen aufzufordern, startete die lokale FFF-Bewegung am 3. September in der Nürnberger Altstadt ein Klimacamp. Viele solidarische Menschen helfen mit, und so wurde das Camp gleich hinter dem Ratshaus mit Zelten, einer Jurte, Sofas und Teppichen recht einladend gestaltet. Dank eines Solarmoduls gibt es sogar Strom. Rund um die Uhr halten sich dort Klimaaktivist*innen auf, diskutieren mit Passant*innen und in Plena, machen Musik, malen Transparente oder sehen sich Filme an. Fast täglich gibt es Vorträge über verschiedene Themen. Eine Einführung in die Kapitalismuskritik stand auf dem Programm und die Frage, ob es Grünes Wachstum geben kann. Auch die Verkehrswende oder die Aktionen im Dannenröder Wald wurden behandelt. Mittlerweile unterstützen eine Reihe von Einzelpersonen und Gruppen das Camp, unter anderem Ende Gelände, das FLINT*-Komitee, ParentsForFuture, der Nürnberger Radentscheid und weitere.

Auch das Demokratische Kurdische Gesellschaftszentrum Medya Volkshaus in Nürnberg wurde für einen Beitrag zur Ökologie in der Kurdischen Freiheitsbewegung angefragt. Bei den jungen Leuten von FridaysForFuture ist der demokratische Konföderalismus mit den Säulen Frauenbefreiung, Ökologie und radikale Demokratie seit längerer Zeit immer wieder Thema. Bundesweit gab es schon viele gemeinsame Aktionen. Jetzt wollte man das vertiefen und mehr erfahren über die Ökologiebewegung in Kurdistan.

Ein Vertreter des Medya Volkshauses ging in seinem Vortrag zunächst auf den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft in Nordsyrien ein. Im Zentrum steht das im Gesellschaftsvertrag von Rojava festgeschriebene Recht aller Menschen auf Land, Wasser und Nahrung. Als Alternative zu neoliberaler Monokultur steht Biodiversität. Statt großer Agrarkonzerne wird auf lokale Betriebe und das Selbstversorgerprinzip in kommunalen Genossenschaften gesetzt. Die Produktions- und Konsumbeziehungen zwischen Stadt und Land sollen sich wieder aufeinander beziehen. Über allem steht der Schutz der Gesundheit der Menschen im Einklang mit der Natur.

Der Referent hob besonders den ganzheitlichen Ansatz der kurdischen Ökologiebewegung hervor, der im Begriff der „sozialen Ökologie“ deutlich wird. Die Analyse zeige, dass wirtschaftliche, ethnische, kulturelle und geschlechtsspezifische Konflikte die Ursache der schwerwiegenden ökologischen Verwerfungen sind, mit denen die Menschheit heute konfrontiert ist. Als Konsequenz fordert das Paradigma der PKK eine gesamtgesellschaftliche Umgestaltung zur demokratischen Nation mit den Pfeilern Frauenbefreiung, radikale Demokratie und ökologische Nachhaltigkeit. Monokulturen finde man nicht nur in der Agrarindustrie, so der Referent, sondern auch in der nationalstaatlichen Ideologie, in der kulturelle Diversität bekämpft wird. Der den Nationalstaaten der kapitalistischen Moderne innewohnende Rassismus, der kulturelle Vielfalt bekämpft, zeige sich in der Zunahme rassistischer Übergriffe und Morde sehr deutlich.

Der Vortrag endete mit einem Überblick über die derzeitige Situation in Kurdistan. Die selbstverwaltete Demokratische Föderation Nordostsyrien/Rojava leidet unter dem wirtschaftlichen und politischem Embargo. Obwohl auch dort die Zahlen der mit Covid-19 Infizierten steigen, erhält zum Beispiel der Kurdische Rote Halbmond (Heyva Sor a Kurd), der im Auftrag der Autonomiebehörde tätig und wichtigster Akteur im Gesundheitsbereich ist, keine internationalen Hilfslieferungen.

Dass der türkische Staat mit seinen dschihadistischen Söldnern, die sich meist aus ehemaligen IS-Kämpfern rekrutieren, die Bevölkerung in allen Teilen Kurdistans terrorisiert und offen Krieg führt, wissen die jugendlichen Zuhörer*innen. Der Redner ging daher besonders auf die ökologische Kriegsführung durch den Einsatz von Feuer und Wasser als Waffen ein. Der Bevölkerung soll systematisch die Lebensgrundlage entzogen werden. Mit verbrannter Erde und Austrocknung mithilfe der Abschaltung der Wasserzufuhr durch Staudämme wird die vom AKP/MHP-Regime geplante ethnische Säuberung begleitet. Dabei nimmt man die Zerstörung ganzer Öko-Systeme in Kauf.

Der Vortrag endete mit der Vorstellung der Kampagne „Make Rojava Green Again“, in der sich internationale Aktivist*innen zusammengeschlossen haben, um mit praktischer Arbeit die sozial-ökologische Revolution in Rojava zu unterstützen.

In der anschließenden Diskussion betonte man die Notwendigkeit des Verbindens der Kämpfe. Die nächste Gelegenheit bietet sich beim globalen Klimastreik am 25. September, wo überall Protestaktionen stattfinden, um auf die Dringlichkeit und globale Ungleichheit der Klimakrise aufmerksam zu machen. Auch eine Fortsetzung des Themas „Demokratischer Konföderalismus“ und die Vorschläge des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan sowie mehr Informationen zur Kampagne „Gegen Isolation, Faschismus und Besatzung“ wurden ins Auge gefasst.