Ökologische Herausforderungen in Rojava
Das Buch „Make Rojava Green Again“ der gleichnamigen Kampagne ist nach Deutsch und weiteren Sprachen auch auf Kurdisch und Türkisch erschienen.
Das Buch „Make Rojava Green Again“ der gleichnamigen Kampagne ist nach Deutsch und weiteren Sprachen auch auf Kurdisch und Türkisch erschienen.
Seit einigen Tagen ist das gleichnamige Buch der Kampagne „Make Rojava Green Again" nun auch auf Kurdisch und Türkisch verfügbar. Die Kampagne wurde Anfang des Jahres 2018 mit dem Ziel gestartet, den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft in Nordsyrien in den bisherigen Bemühungen zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Das Buch, das bereits vor dem offiziellen Start der Kampagne geschrieben wurde, erschien im Herbst 2018 zunächst auf Englisch. Darauf folgten Übersetzungen auf Italienisch, Französisch, Deutsch, Schwedisch, Griechisch und Spanisch.
Die neuesten Übersetzungen auf Kurdisch und Türkisch werden über den Online-Versand Black Mosquito angeboten, welcher darüber hinaus zahlreiche weitere Artikel zum Thema Kurdistan führt.
Aus Anlass der Neuveröffentlichung des Buches auf Türkisch und Kurdisch stellt „Make Rojava Green Again“ das Kapitel „Ökologische Herausforderungen in Rojava - Perspektiven für eine ökologische Gesellschaft" in voller Länge zur Veröffentlichung zur Verfügung.
Ökologische Herausforderungen und Perspektiven für eine ökologische Gesellschaft
Die Region Rojava zieht sich entlang der türkisch-syrischen Grenze im Schatten des Taurus-Gebirges vom Irak bis fast ans Mittelmeer. Im Süden erstreckt sich die Wüste im Herzen Syriens. Die Klimazone, in welcher sich Rojava befindet, wird als Steppe beschrieben, eine Klimazone, die sich zwischen Wüste und feuchtem Klima befindet. Monate des Regens sind dabei von Oktober bis April. Mit diesem Klima sind in Rojava gute Bedingungen für Landwirtschaft gegeben. Gerade die Landstriche an den Flussufern des Euphrat, Xabur und Tigris sowie der gesamte Kanton Afrîn sind voller fruchtbarer Böden.
Rojava im Kontext kolonialer Politik
Die Folgen kapitalistischer Mentalität und staatlicher Gewalt gegen Gesellschaft und Umwelt sind in Rojava deutlich zu sehen. Das Baath-Regime war und ist in ganz Syrien wenig an einer ökologischen Gesellschaft interessiert. Bis 2012 befand sich Rojava in einem kolonialen Abhängigkeitsverhältnis zum syrischen Assad-Regime, was sich stark auf die ökonomische und ökologische Situation in der Region durchschlug. So standen stets die maximale Ressourcenausbeutung und hohe landwirtschaftliche Produktionsraten im Vordergrund. Beide waren auf den Export in andere Regionen Syriens und ins Ausland ausgerichtet. Die systematische Abholzung der Wälder ermöglichte Monokulturen von Weizen im Kanton Cizîrê, von Oliven in Afrîn und ein Mix aus beidem in Kobanî. Diese prägen die Landschaft Rojavas.
Jahrzehntelang war es in kurdischen Gegenden verboten, Bäume zu pflanzen und Gemüsegärten anzulegen. Noch heute prägen die Auswirkungen dieser kolonialen Politik das Leben der Menschen und die natürliche Umgebung und schaffen einen starken Kontrast zwischen mehrheitlich kurdisch und mehrheitlich arabisch bewohnten Städten und Gebieten. In Rojava wurde die Bevölkerung durch repressive Politik und Unterentwicklung der Region sowie das Verbot, Lebensmittel für den eigenen Gebrauch anzubauen, in Abhängigkeit gehalten und systematisch zur Emigration als billige Arbeitskräfte in die umliegenden syrischen Metropolen wie Allepo, Raqqa und Homs gedrängt. Dort arbeiteten nicht wenige in der vom Regime angesiedelten, rohstoffverarbeitenden Industrie, welche wiederum mit den Rohstoffen aus Rojava versorgt wurde.
Energieproduktion und -verbrauch, mangelhafte Müllentsorgung und massiver Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft haben Boden, Luft und Wasser schwer belastet. Die Bevölkerung in Rojava und ihre demokratische Selbstverwaltung haben jedoch nicht nur mit den umweltpolitischen Hinterlassenschaften des Baath-Regimes zu kämpfen. Eine ernsthafte Bedrohung stellt derzeit vor allem die feindliche Politik des türkischen Staates gegen Rojava dar. Neben militärischen Angriffen, der ständigen Drohung mit Invasion und einem totalen wirtschaftlichen Embargo ist insbesondere der Bau von Staudämmen im von der Türkei besetzten Nordkurdistan und die massive Grundwasserentnahme für die eigene Landwirtschaft ein Problem. In der Folge gibt es einen dramatischen Rückgang der Wassermengen der von Norden nach Rojava fließenden Flüsse und ein stetes Absinken des Grundwasserspiegels. Zudem ist es seit Jahren gängige Praxis des türkischen Militärs, bestehende Wälder zu verbrennen, insbesondere Olivenbäume im Kanton Afrîn. Ein Ziel dabei ist, den Menschen ihre Lebensgrundlage, sowohl ökonomisch als auch ökologisch zu nehmen und sie somit zum Umsiedeln zu zwingen.
Die Politik des syrischen Regimes hat zu einer wachsenden Entfremdung der Menschen Rojavas von der Natur geführt. Das gesellschaftliche Wissen und die Praxis ökologischer Landwirtschaft, des Anbaus von Gemüse und das Wissen über die lokale Flora und Fauna ist immer geringer geworden. Und so sind auch die mangelnden Fähigkeiten und die fehlende Initiative der Menschen, ihr Land zu bestellen, es zu pflegen und weiterzuentwickeln ein Problem, welches die Revolution in Rojava heute zu lösen hat.
Monokultur und chemische Düngung
Unter der Perspektive einer kurzfristigen Maximierung der Erträge erscheinen Monokulturen ertragreicher und einfacher zu bewirtschaften. Langzeitstudien aber zeigen, dass Monokulturen die Böden auszehren, weil sie einen negativen Einfluss auf die Nährstoffzusammensetzung der Erde haben. So werden einzelne Nährstoffe dem Boden entzogen und auf natürliche Weise nicht wieder zugefügt. Zudem führen Monokulturen zu erhöhten Schädlingsraten und stellen durch die Austrocknung der Böden nicht selten ein Problem für die Wasserversorgung dar. Monokulturen benötigen daher zumeist künstliche Wasserzufuhr und hohe Mengen an Dünger, der oft chemisch hergestellt wird. Im globalen Maßstab hat der Einsatz von chemischen Düngemitteln die Böden, auf denen sie eingesetzt werden, derart ausgezehrt, dass diese Form der Landwirtschaft nur für etwa fünfzig weitere Erntephasen praktiziert werden kann. Danach werden die Böden für den Anbau von Nahrungsmitteln schlichtweg unbrauchbar. Die Rückkehr zu einem auf organischem Dünger basierenden Landwirtschaftssystem ist deshalb global gesehen unvermeidlich.
Gegen den erhöhten Befall durch ertragsmindernde Insekten, Pflanzen und Pilze werden chemische Gifte eingesetzt, die, gemeinsam mit dem Dünger, Böden und Wasserqualität stark belasten. Und auch auf die ökologische Vielfalt, auf das sensible Zusammenspiel von Tier- und Pflanzenwelt haben Monokulturen einen negativen Einfluss. Diese Probleme lassen sich in Rojava insbesondere in der starken Fixierung auf Weizenanbau im Kanton Cizîrê beobachten. Dieser wird entlang der türkisch- syrischen Grenze in einem rund zehn Kilometer breiten Gürtel angebaut. In Afrîn ist die Landwirtschaft stark auf Monokulturen von Olivenbäumen ausgerichtet, eine Entwicklung, die in den vergangenen beiden Jahrzehnten vom Regime vorangetrieben wurde. Für den Olivenanbau wurden alte Waldbestände abgeholzt, worunter auch die ökologische Vielfalt erheblich litt.
Einsatz von Pestiziden
Der Einsatz von Pestiziden in Rojava ist insbesondere in den letzten 20 Jahren stark angestiegen. Sie werden bis heute aus der Türkei oder aus China und der Wirtschaft des syrischen Staates importiert. Vor der Revolution in Rojava wurden die Bäuer*innen zur Nutzung von Pestiziden durch das syrische Regime gedrängt. Nun werden die Auswirkungen dieser Politik immer deutlicher. Auch wenn es noch keine offiziellen Studien dazu gibt, ist zu beobachten, dass Krankheiten wie Krebs besonders hoch in den überwiegend kurdisch-bewohnten Regionen Syriens, also Rojava, verbreitet sind. Dies lässt sich unter anderem auf den hohen Einsatz krebserregender Pestizide zurückführen. Dass es zu diesen gesundheitsschädigenden Auswirkungen kommen konnte, hängt auch damit zusammen, dass zum Teil nicht kenntlich gemacht wurde, welche Inhaltsstoffe in den Pestiziden waren, und wie sie genutzt werden können. Dies traf besonders auf Pestizide aus der Türkei zu, welche dort aufgrund von gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen selbst keinen Einsatz mehr fanden, aber weiterhin nach Syrien exportiert und in Rojava eingesetzt wurden.
Landwirtschaftliche Schädlinge
Die Landwirtschaft ist immer wieder beeinträchtigt durch verschiedene Schädlinge, was den hohen Einsatz von Pestiziden fördert. Heute sind die größten Probleme der Colorado-Käfer, Heuschrecken und Pilzbefall. All diese Schädlinge kommen ursprünglich nicht aus Syrien, sondern wurden importiert. Es ist nicht nachzuweisen, aber es scheint so, als ob die türkische Regierung bewusst die Ausbreitung von Schädlingen, ausgehend von den landwirtschaftlichen Flächen in der Türkei/Nordkurdistan, nach Rojava fördert. So werden in der Türkei Pestizide genutzt, welche die Schädlinge nicht töten, sondern vertreiben. Diese verbreiten sich so auf die naheliegenden Felder in Rojava.
Nachhaltige Wassernutzung und Diversifizierung der Landwirtschaft
Eine ökologische Landwirtschaft ist ohne die Überwindung von Monokulturen und die Verringerung des Wasserverbrauchs in Rojava nicht möglich. Daher hat das Komitee für den Schutz der Landwirtschaft, eine Institution der demokratischen Selbstverwaltung, eine Anzahl von Maßnahmen getroffen, um die landwirtschaftliche Nutzung zu diversifizieren und eine nachhaltige Nutzung des Wassers zu fördern.
Um einen Überblick über die Entnahme von Grundwasser zu bekommen, wurden alle Brunnen vom Komitee registriert und das weitere Bohren von Brunnen für die landwirtschaftliche Nutzung verboten. Zudem dürfen nur 60 Prozent der Feldfläche bewässert werden, beziehungsweise nur mit Sorten bestellt werden, welche eine Bewässerung brauchen. Diese Maßnahmen haben auch einen positiven Effekt auf die Diversifizierung der Landwirtschaft, da nun auch vermehrt Feldfrüchte angepflanzt werden, die keine zusätzliche Bewässerung benötigen. Dazu zählen unter anderem Linsen, Kichererbsen und Bohnen. Der Anbau dieser Art von Feldfrüchten beträgt nun rund 25 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Weitere 15 Prozent werden mit Gemüse und Baumwolle bepflanzt, welches einer intensiven Bewässerung bedarf. Der Großteil der Flächen, rund 50 Prozent werden weiterhin mit Weizen bestellt. Die restlichen 10 Prozent werden zur Regeneration für ein Jahr brachgelegt. Auch wenn es weiterhin einen starken Überhang von Weizenanbau gibt, ist ein großer Unterschied zu den vergangenen Jahren erkennbar, in denen der Anbau von Feldfrüchten wie Linsen und Bohnen nicht mehr als 10 Prozent der Fläche ausmachte. Zudem werden Landwirt*innen angehalten, die Nutzung der Flächen regelmäßig zu verändern, sodass die Böden nicht durch jahrelange Monokulturen belastet werden.
Auch in Afrîn werden schon seit Beginn der Revolution Projekte zur Diversifizierung der Landwirtschaft vorangetrieben. Dabei werden vor allem Obstbäume wie Mangos, Trauben und Zitrusfrüchte gepflanzt, für welche das Mittelmeerklima eine gute Bedingung darstellt.
Eine weitere entscheidende Veränderung in der Landwirtschaft Rojavas ist die Ausrichtung der Produktion auf den eigenen Verbrauch und nicht mehr auf den Export in andere Teile Syriens oder ins Ausland. Damit konnte zum Beispiel der Baumwollanbau verringert und der Gemüseanbau gesteigert werden. Das Kanton Cizîrê exportiert nun keine Lebensmittel mehr. Zwischen den Kantonen werden aber Erträge, wenn nötig, zu Unterstützung verteilt, ebenso in Gebiete, welche erst vor kurzem vom IS befreit wurden und die deshalb auf die Hilfe angewiesen sind.
Agroforstwirtschaft
Ein System von verschiedenen Kombinationen von Nutzpflanzen kann sowohl die durch Monokultur verursachten ökologischen Probleme lösen als auch für erhöhte Erträge sorgen. Denkbar ist beispielsweise die Kombination von Acker- und Baumkulturen. Wissenschaftler*innen sprechen dabei von Agroforstwirtschaft, also der Kombination von Land- und Forstwirtschaft. Damit können ökologische Schäden verringert und erhebliche Mehrerträge von bis zu 30 Prozent realisiert werden. Für die subtropische Klimazone (also auch Nordsyrien) eignet sich beispielsweise der kombinierte Anbau von Pappeln und Weizen oder anderer Getreidearten.
Zudem bietet die Agroforstwirtschaft mehr Lebensraum für Tiere und führt zu einer Verringerung von Bodenerosion. Außerdem gewährleisten die Wurzeln der Bäume das Eindringen von Wasser in den Boden und tragen so zur Bekämpfung des sinkenden Grundwasserspiegels bei. Gleichzeitig verringern Bäume die notwendige Düngermenge für das Getreide, da das Wurzelwerk Nährstoffe und Wasser aus tieferen Erdschichten nach oben zieht und mit dem Laubfall diese Nährstoffe wiederum an die oberste Bodenschicht und damit an die dort wurzelnden Nutzpflanzen abgibt.
Auch in kleineren Einheiten wie Stadtgärten lassen sich Agroforstsysteme aufbauen. Die Vielfalt an Vegetationsschichten unterschiedlicher Höhe gewährleistet eine optimale Lichtausnutzung und ermöglicht so eine Erhöhung der Erträge auf relativ kleinem Raum. Durch eine intelligente Auswahl an kooperierenden Pflanzengesellschaften kann über mehrere Jahre hinweg ein sich tendenziell selbst erhaltender Waldgarten zur Nahrungsversorgung aufgebaut werden. Die ökologische Vielfalt sorgt auch hier für Flexibilität und Stabilität.
Urbane Landwirtschaft - Autonomie und Ernährungssicherheit im urbanen Raum
Urbane Landwirtschaft könnte, beispielsweise durch die Bepflanzung von Brachflächen in Städten oder mit Dachgärten, dazu beitragen, Rojavas landwirtschaftliches System zu dezentralisieren. Sowohl die Notwendigkeit der Belieferung der Städte mit Obst und Gemüse als auch der Abtransport von organischen Abfällen würde damit zu großen Teilen aufgehoben. Einen Teil der Nahrungsmittelproduktion in Haushalte und Gemeinden in städtischen Gebieten zu verlagern erhöht zudem die Autonomie in den Stadtvierteln und bietet verbesserte Ernährungssicherheit. Orientiert werden kann sich dabei am Beispiel der kubanischen Hauptstadt Havanna, in welcher rund 90 Prozent des dort verbrauchten Obsts und Gemüses in der Stadt selbst angebaut werden. Die kleinteiligen urbanen Agrarflächen werden wiederum mit organischem Abfall aus den Haushalten gedüngt.
Naturschutzgebiete und Aufforstung - Verbesserung der Wasserqualität und Erhalt der Artenvielfalt
Der Aufbau von Naturschutzgebieten ist eine der zentralen Arbeiten des Komitees für Naturschutz. Im Kanton Cizîrê wurden bereits zwei Gebiete unter Naturschutz gestellt, Hayaka am Sefan-See und Mizgefta Nu in der Nähe der Stadt Tirbespî. Landwirtschaftliche Nutzung, Jagd und Fischfang wurden untersagt und somit tragen die Naturschutzgebiete zur Verbesserung der Trinkwasserqualität und zum Schutz verschiedener Tier- und Pflanzenarten bei. Eine wesentliche Arbeit in den Naturschutzgebieten, aber auch darüber hinaus, ist die Wiederaufforstung sowohl im ländlichen als auch städtischen Raum. In den Jahren 2016 und 2017 pflanzte das Komitee für Naturschutzgebiete rund 8.000 Bäume, unter anderem im Naturschutzgebiet Hayaka und Mizgefta Nu und in den Städten Cilaxa und Hesîçe / Al Hasaka. Gerade im Naturschutzgebiet Hayaka ist Aufforstung über die kommenden Jahre mit rund 100.000 Bäumen geplant.
Wasserknappheit in Rojava
Die Trinkwasserversorgung der Städte und Dörfer wird meist über Brunnen und Seen sichergestellt. Im Kanton Cizîrê ist es der Sefan-See, welcher zur Frischwasserversorgung der Städte Dêrîk und Qamislo mit beiträgt.
Die ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und für die landwirtschaftliche Nutzung ist eines der zentralen Probleme in Rojava. Dieses Problem hat verschiedene Hintergründe. Zum einen ist es die Veränderung des Klimas, welches die Regenzeiten immer kürzer und den Niederschlag geringer ausfallen lässt. Seit den 90er Jahren ist der Niederschlag in der Region Cizîrê um zwischen 10 und 15 Prozent zurückgegangen. Zum anderen ist es die Wasserpolitik der Türkei, welche, wie bereits beschrieben, den Wasserzufluss über die zentralen Flüsse wie des Euphrats und Xaburs nach Rojava massiv beschränkt. Zudem wurden viele Brunnen in der Türkei/Nordkurdistan gegraben. Beeinflusst durch die exzessive Wassernutzung sowohl in der Türkei als auch in Rojava ist in den letzten Jahrzehnten der Grundwasserspiegel deutlich gesunken. Allein im Kanton Cizîrê werden mehr als 30.000 Brunnen betrieben, wobei trotz des Versuchs, alle Brunnen zu registrieren, davon auszugehen ist, dass diese Zahl höher liegt.
Konnte noch vor einigen Jahren das Grundwasser aus im Durchschnitt 100 Meter Tiefe gefördert werden, so ist es nun auf rund 150 Meter gesunken. Die Knappheit des Grundwassers und auch in den Flüssen wurde durch die wasserintensive Landwirtschaft weiter verschärft. Die Auswirkungen sind massiv. So führen die Flüsse in Rojava nur noch wenig Wasser, was zum Absterben bewaldeter Gebiete entlang der Flussläufe beigetragen hat.
Auch die Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates haben das Problem der Wasserknappheit verstärkt. So wurden verschiedene Quellen vom IS verschlossen, bevor dieser aus den Gebieten zurückgedrängt wurde. Dies war eine bewusste Politik des IS, um auch nach ihren Niederlagen der Bevölkerung und ihrer Landwirtschaft zu schaden.
Die Situation des Flusses Xabur, welcher die wichtigste Wasserversorgung der Städte Tal Tamer/Girê Xurma und Hesîçe/al-Hasaka sowie der umliegenden Landwirtschaft war, ist ein gutes Beispiel für verschiedene zusammenlaufende Probleme. So hat die Türkei den Fluss bereits fast zum Austrocknen gebracht, der IS die weiteren Zuflüsse verschlossen und die Belastung durch lokal eingeleiteten Müll und Fäkalien das Wasser stark kontaminiert.
Wasserverschmutzung und mögliche Alternativen
Viele Abwässer in Rojava landen in Flüssen, deren Wasser unter anderem für die Landwirtschaft verwendet wird. Dies geschieht sowohl in Rojava als auch in den Städten in Nordkurdistan. So leitet beispielsweise die 100.000 Einwohner*innen zählende Stadt Nisêbîn ihren Müll ungeklärt in den Cexcex-/Çag-çag- Fluss, welcher dann durch die Stadt Qamislo weiter ins Landesinnere fließt. Das unkontrollierte Einleiten von Abwässern und ihre Nutzung zur Landwirtschaft ist jedoch häufig eine Ursache von Krankheiten und beeinträchtigt das ökologische System der Flüsse. Davon abgesehen wäre bei richtiger Behandlung das Abwasser wieder für die Landwirtschaft nutzbar. Entscheidend in der Nutzung von Abwasser ist die Trennung des Grau- und Schwarzwassers. Ersteres stellt Haushaltsabwässer aus Küchen und Bädern dar, Schwarzwasser ist Abwasser aus Toiletten. Durch die organischen Abfälle und Spülmittel im Grauwasser wird es mit Nährstoffen angereichert und stellt so einen guten Dünger dar. Grauwasser ist insbesondere reich an Phosphor, der für das Pflanzenwachstum unerlässlich ist. So ermöglicht die Abtrennung von Grauwasser von anderem Abwasser und dessen oberflächliche Filterung, eine weitere Verwendung, beispielsweise zur Bewässerung von Pflanzen.
Die Verwendung von Grauwasser kann von besonderem Interesse für Rojava sein, da in vielen Regionen eine ausreichende Wasserversorgung ein Problem darstellt und die Abhängigkeit von der Politik des türkischen Staates die Versorgung erschwert. Gleichzeitig kann die Nutzung von Grauwasser in der Landwirtschaft die Produktivität erhöhen. Das erforderliche Behandlungsniveau des Grauwassers vor seiner weiteren Verwendung entscheidet sich anhand der geplanten Nutzung. So ist es beispielsweise bereits möglich, das Grauwasser nach einer groben Filterung durch ein Sieb zur Bewässerung von Bäumen zu nutzen. Durch eine intensivere Filterung durch Sand oder ähnliches Material würde das Grauwasser auch für die Bewässerung von Feldfrüchten benutzt werden können.
Gerade in Ländern mit hoher Wasserknappheit gewinnt die Nutzung von Grauwasser zunehmend an Bedeutung. In Australien beispielsweise ist die Grauwasserabtrennung für die separate Nutzung mittlerweile sogar gesetzlich vorgeschrieben. Durch die Wiedernutzung kann also nicht nur der gesamte Wasserverbrauch reduziert, sondern auch die Verschmutzung von Böden und Wasserwegen vermieden werden.
Die Nutzung von Schwarzwasser zur Düngung
Menschliche Abfälle (insbesondere Urin) sind die größte Quelle von Nährstoffen, die für die Landwirtschaft aus organischen Abfällen zur Verfügung stehen. Das Stockholm Environment Institute berechnet, dass die organischen Abfälle eines Menschen über ein Jahr ausreichen würden, um jährlich 230 Kilogramm Getreide anzubauen. Der Urin ist reicher an Nährstoffen (insbesondere Stickstoff) und vielseitiger und somit kann er für jede Art von Feldfrüchten verwendet werden. Auch Exkremente beinhalten viele Nährstoffe und sind ausgezeichnet für die Verbesserung von Böden. Ohne eine längere Kompostierung sollte diese jedoch nur zur Düngung von Bäumen, Sträuchern oder Getreide für Tierfutter verwendet werden. Nach einer Kompostierung von ungefähr einem Jahr, können diese auch zur Düngung von für den menschlichen Verzehr bestimmten Kulturen verwendet werden.
Die Nutzung von Exkrementen vermindert die Belastung von Gewässern. Bei den meisten konventionellen Abwassersystemen ist eben diese Belastung unvermeidlich und wird so zu einer Hauptursache für Verschmutzung und Krankheiten. Sobald fester Abfall mit Wasser oder Urin vermischt ist, wird das resultierende Schwarzwasser schwieriger zu behandeln. Die Behandlung in den meisten Abwassersystemen konzentriert sich dann darauf, dass feste und das flüssige Material wieder voneinander zu trennen. Zur Behandlung von Schwarzwasser eignen sich beispielsweise künstliche Klärteiche.
Es gibt weltweit viele Beispiele, bei denen menschliche Abfälle als landwirtschaftliche Düngemittel Verwendung finden:
Nach Recherchen der South China Agricultural University wurde in China bis in die 1980er Jahre fast ausschließlich organischer Dünger verwendet und etwa 30 Prozent der menschlichen Abfälle werden immer noch für diesen Zweck benutzt. Die Verschmutzungsbelastung, die sowohl mit dem Abfluss von chemischen Düngemitteln als auch mit der Suche nach Alternativen für den sich daraus ergebenden Anstieg des Abwassers verbunden sind, veranlassten die Behörden, Anfang der 2000er Jahre wieder stärker zur Nutzung von organischem Dünger zurückzukehren. Die Sammlung von Urin liefert den Dünger für die städtische Landwirtschaft in ganz China, ein Großteil des städtischen Abwassers wird in Kanälen oder Tanklastern in landwirtschaftliche Gebiete gebracht. In der Stadt Dongsheng haben neue Wohnungen urintrennende Trockentoiletten. Der feste Abfall wird in Eimern entsorgt und kompostiert, der Urin wird in Tanks gelagert und beide anschließend für Dünger verwendet.
In Schweden wird intensiv über ökologische Abwasserentsorgung geforscht und verschiedene Systeme wurden bereits umgesetzt. Seit 2002 hat die schwedische Gemeinde Tanum (durchschnittliche Bevölkerung 36.000) eine ökologische Hygienepolitik eingeführt, die die Nutzung von Trockentoiletten und Urinableitung fördert. Der Urin wird in Tanks gelagert und dann per Tankwagen an lokale Landwirte geliefert, ebenso wie Schwarzwasser aus Klärgruben. Die Gemeinde Trosa (11.000 EinwohnerInnen) in der Nähe von Stockholm speichert ihr Schwarzwasser für sechs Monate und liefert es dann an Bauernhöfe außerhalb der Stadt, wo es als Düngemittel verwendet wird.
Erdölförderung und Verarbeitung
In Rojava, insbesondere im Kanton Cizîrê, liegen die ölreichsten Gebiete Syriens. Die Politik des Regimes war es, alle weiterverarbeitende Industrie in den Metropolen Syriens anzusiedeln. So fand auch die Verarbeitung des Rohöls zu Brennstoff nicht in Rojava selbst, sondern in den industriellen Zentren des Regimes statt. Mit der Revolution in Rojava wurde begonnen, Benzin und Diesel, die für die Wirtschaft, Strom- und Wärmeerzeugung und für Treibstoff notwendig sind, in Rojava selbst herzustellen. Die am stärksten von Öl abhängigen Bereiche sind dabei der Verkehr und die Notstromversorgung, die auf vielen kleinen Generatoren basiert. Im Winter wird Diesel zudem zur Wärmeerzeugung in den einzelnen Haushalten genutzt.
Heute werden rund fünf Prozent des gesamten im Mittleren Osten produzierten Erdöl in Rojava gefördert. Aufgrund der fehlenden technischen Mittel und des Embargos findet diese Produktion jedoch nur auf sehr niedrigem technischen Niveau statt. Und da der Bedarf selbst die vorhandenen, technisch besser ausgestatteten Raffinerien übersteigt, wird zum Teil die Weiterverarbeitung des Rohöls unter einfachsten technischen Mitteln vollzogen. Dadurch werden die negativen Auswirkungen der ohnehin umweltschädlichen Ölindustrie noch verstärkt. So ist Produktion und Transport verbunden mit einer hohen Belastung der Umwelt, Verschmutzung des Bodens, des Wassers und der Luft. Sichtbar sind diese Schäden besonders an den Ölwasser-Seen, welche durch die Förderung und Verarbeitung des Öls entstanden sind. Technische und finanzielle Möglichkeiten der Filterung und Vermeidung dieser ökologischen Belastung gibt es derzeit nicht.
Stromproduktion
Die Stromproduktion in Rojava basiert auf drei Quellen. Zum einen Wasserkraftwerke, Erdgas und die auf kommunaler Ebene aufgebaute Stromversorgung auf Basis von Dieselgeneratoren. Die allgemeine Stromproduktion durch Kraftwerke lässt sich grob in ungefähr 75 Prozent Wasserkraft und 25 Prozent Erdgas unterteilen. Das verwendete Erdgas ist dabei das Nebenprodukt der Ölförderung. Dieser Wert schwankt jedoch. Die verschiedenen Regionen Rojavas werden dabei weder ausreichend noch ausgeglichen mit Elektrizität versorgt. In Städten wie Dêrîk ist Strom nur sechs Stunden täglich verfügbar während es in anderen Städten wie beispielsweise Kobanî zwölf Stunden sind. Trotz der zusätzlichen Stromversorgung durch die Kommunen ist eine dauerhafte und flächendeckende Versorgung derzeit nicht möglich.
Entscheidendes Standbein in der Stromerzeugung sind die Wasserkraftwerke, die am Tischrin- und Al-Tabqa Damm am Euphrat betrieben werden. Über lange Stromtrassen wird die Elektrizität dann in die Städte gebracht. Theoretisch wäre eine vollständige Stromversorgung Rojavas durch die bestehenden Wasserkraftwerke möglich, würde die volle Kapazität ausgeschöpft werden können. Verhindert wird dies zum einen durch fehlende technische Mittel, welche für die Wiederinstandsetzung der Anlagen notwendig wären. Durch den seit über fünf Jahre herrschenden Krieg in Syrien ist dieses System der Energieerzeugung stark beeinträchtigt worden. Die zerstörte Infrastruktur, Stromleitungen und Umspannwerke verhindern immer noch die vollständige Versorgung vieler Regionen Rojavas mit Strom. Ihr Wiederaufbau ist angesichts des wirtschaftlichen Embargos und der fehlenden finanziellen Mittel ein schwieriges Unterfangen.
Zum anderen ist die Stromerzeugung stark von der Wasserpolitik des türkischen Staates abhängig, da die entscheidenden Flüsse ihre Quellen in der Türkei haben und der türkische Staat die Wassermenge kontrolliert. Die türkische Regierung hat in den letzten Jahren vermehrt den Bau von Staudämmen vorangetrieben, wodurch sie entscheidenden Einfluss auf die Wasserversorgung Syriens nimmt und ihre geographische Machtstellung auszubauen versucht. Trotz vertraglicher Vereinbarungen zwischen dem syrischen und türkischen Staat über den Durchlass von festgeschriebenen Wassermengen nutzt die Türkei ihre Kontrolle über das Wasser, um auf die politischen Entwicklungen in Syrien Einfluss zu nehmen. Seit die demokratischen Kräfte in Nordsyrien, getragen durch die politischen Strukturen der kurdischen Befreiungsbewegung, ihr System der demokratischen Selbstverwaltung mehr und mehr in die Praxis umsetzen konnten, verschärfte sich auch die Politik der türkischen Regierung. Sie führte zu einem starken Einschnitt in der Wasserversorgung durch das Schließen der entscheidenden Staudämme.
Gerade die ökologischen und gesundheitlichen Konsequenzen der Nutzung fossiler Energieträger, sowohl zur Wärme- als auch zur Stromerzeugung und die Abhängigkeit von der Machtpolitik des türkischen Staates im Rahmen der Nutzung von Wasserkraftwerken, legt die Dezentralisierung und ökologische Ausrichtung der Energieerzeugung nahe. Die geographische Lage Rojavas und die klimatischen Gegebenheiten in der Region eignen sich für verschiedene Formen der regenerativen Energieerzeugung.
Erneuerbare Energien und ökologisches Bauen
Insbesondere mit preiswerten und einfachen Systemen der Wasseraufheizung durch Solarthermie-Anlagen auf Dächern, Stromerzeugung durch Sonnenenergie über Photovoltaikanlagen und durch Windenergie können erste Ansätze eines solch dezentralen Energiesystems gedacht werden. Dies würde die Abhängigkeit der Menschen sowohl vom zentralisierten Stromsystem, als auch von fossilen Brennstoffen verringern. Für die Entwicklung solcher Systeme, ist das politische und wirtschaftliche Embargo jedoch ein zentrales Problem.
Für einen ökologischeren und bewussteren Umgang mit Energie spielt aber nicht nur deren Herstellung, sondern auch ihre Einsparung eine wichtige Rolle. Je weniger Energie verbraucht wird, desto weniger muss hergestellt werden. Für die Einsparung von Energie spielt die Art und Weise, wie Gebäude gebaut werden eine wichtige Rolle. In Rojava werden viele kleinere Gebäude aus natürlichen Materialien wie Lehm, Holz und Stein gebaut, was im Vergleich zu Standardbaustoffen wie Beton, Stahl oder Zement bei der Herstellung weniger Verschmutzung verursacht und weniger Energie kostet. Zudem ist diese ökologische Bauweise rund ein Drittel preiswerter als konventionelle Arten zu bauen. Und weil in dieser Bauweise fertiggestellte Häuser im Sommer leichter zu kühlen, und im Winter leichter zu heizen sind, reduziert sich auch der benötigte Brennstoff für die mit Diesel befeuerten Öfen.
Recycling
In den letzten Jahren wurde in den meisten Städten Rojavas ein funktionierendes Abfallsystem aufgebaut. Der Müll wird von den einzelnen Haushalten beziehungsweise Straßenzügen zu stadtnahen Mülldeponien zu gebracht und dort verbrannt. Ein Mülltrennungs- oder gar Recycling- System existiert in Rojava allerdings nicht. Dadurch wird die Qualität von Wasser und Boden stark beeinträchtigt. Das führt insbesondere bei Kindern zu gesundheitlichen Problemen. Die Partikel, die bei der Verbrennung des Mülls zurückbleiben, belasten Böden und Wasser und verbreiten sich über die Luft nicht zuletzt auch auf landwirtschaftliche Nutzflächen, wodurch diese auch die Nahrungsmittelproduktion beeinflussen und ihren Weg in die Nahrung finden.
Eine Alternative zu diesen Formen der Müllentsorgung stellen diverse Recyclingmethoden dar. Erste Projekte in diese Richtung werden von den Gremien der Selbstverwaltung in Erwägung gezogen. So gibt es Planungen für den Aufbau eines Papier-Recyclingkonzepts. Demnach würde in jedem Haushalt in Nordsyrien eine Trennung des Papiermülls von anderen Müllsorten stattfinden und dieser letztendlich wieder zu Papierherstellung verwendet werden. Das Projekt befindet sich weiterhin in der Anfangsphase, weil die finanziellen Mittel fehlen. Eine erste Hochrechnung der Kosten beläuft sich auf umgerechnet 70 Millionen US-Dollar.
Es gibt jedoch auch weitaus einfachere und kostengünstigere Methoden des Recyclings. Das Recyceln von Hartplastik beispielsweise ist nicht kompliziert und kann schon mit einfachen Maschinen umgesetzt werden. Das ermöglicht kleinteilige und dezentrale Formen von Recycling, die bereits in vielen Teilen der Welt praktiziert werden.
Kompostierung: Organischer Dünger für ländliche und urbane Landwirtschaft
Auch dem Umgang mit organischen Abfällen kommt in einer ökologischen Gesellschaft eine hohe Bedeutung zu. Tierischer Dünger wird in Rojava bereits zum Teil in der Landwirtschaft eingesetzt. Diese Nutzung kann und muss jedoch ausgebaut werden. Der bisher verwendete chemische Dünger kostet Rojava um die 35 Millionen US-Dollar pro Jahr (Wechselkurs Syrien-Pfund zu US-Dollar Januar 2018). Und da der gesamte chemische Dünger importiert werden muss, stellt dies eine erhebliche Abhängigkeit von den Regimen in der Region dar. Die effizientere Verwertung von organischen Abfällen würde den Import von chemischem Dünger überflüssig machen, die landwirtschaftliche Produktion steigern und die Autonomie der Bäuer*innen erhöhen. Und auch aus einer globalen Perspektive muss der Umstieg von chemischen Düngemitteln auf organischen Dünger so schnell es geht bewerkstelligt werden: Rufen wir in Erinnerung, dass die derzeitige Form der Landwirtschaft ohne grundlegende Veränderungen nur noch etwa die kommenden fünfzig Erntephasen praktiziert werden kann.
Kompostierung erfordert die Schaffung von günstigen Bedingungen für die Zersetzung organischen Abfalls in Humus, der daraufhin für Land- und Forstwirtschaft genutzt werden kann. Abgesehen von seinem Nährstoffgehalt erhöht der Kompost die Fruchtbarkeit der Böden durch die Verbesserung der Bodenstruktur (wodurch die Mobilität von Luft, Wasser und Nährstoffen im Boden verbessert wird), fügt nützliche Mikroben hinzu und steigert die Verfügbarkeit von Nährstoffen. Die Verwendung von organischem Abfall für die Landwirtschaft ist in vielen Ländern üblich und einfache Vorsichtsmaßnahmen können die potenziellen Gesundheitsrisiken minimieren. Ihr Einsatz in der Land- und Forstwirtschaft spart Geld, verhindert Bodenerosion und reduziert die Umweltverschmutzung. Zudem ist Kompostierung von strategischer Bedeutung für eine Gesellschaft, deren Zugang zu chemischem Dünger leicht von Regierungen und Unternehmen eingeschränkt werden kann.
Etwa die Hälfte aller Haushaltsabfälle ist biologisch. So produziert jede Person im Durchschnitt täglich rund ein halbes Kilogramm kompostierbare Abfälle. Nach den natürlichen Prozessen der Kompostierung wird diese Menge auf 50 Gramm Fertigkompost reduziert. Die kleinräumige Kompostierung in einzelnen Haushalten ist in ländlichen Gebieten einfacher, aber auch in Städten möglich. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es in Verbindung mit städtischer Landwirtschaft wie beispielsweise auf Kuba geschieht. Neben städtischen Betrieben ist auch der Ausbau von Kompostierungsanlagen für Städte zur Kompostierung für die ländliche Landwirtschaft möglich. Dies ist in westlichen Ländern üblich, wo organische Abfälle aus Haushalten gesammelt und in landwirtschaftlichen Kompost umgewandelt werden. Für eine Stadt von der Größe von Dêrîk (mit einer Bevölkerung von circa 40.000 Menschen) würde dies eine tägliche Aufnahme von 20 Tonnen organischen Abfalls und tägliche Produktion von zwei Tonnen fertigem Kompost bedeuten.
Es gibt verschiedene Arten von Kompostierungssystemen, beispielsweise das Ausbreiten des Kompostes in typischen Komposthaufen oder in Kästen mit einem Kubikmeter Volumen. Solange bestimmte Bedingungen wie die geeignete Temperatur und Feuchtigkeit regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, zersetzt sich der Kompost, bis er gebrauchsfertig ist. Diese Form der Kompostierung hat den Vorteil, dass sie wenig technischen Einsatz benötigt und nicht besonders arbeitsintensiv ist.
Verkehr und Luftverschmutzung
Die entscheidende Größe im Verbrauch von Diesel und Benzin ist der Personenverkehr und die Transportwirtschaft. Zugleich ist dieser der entscheidende Faktor in der Luftverschmutzung durch Feinstaub, gerade in den größeren Städten. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist dabei ein Aspekt, um die Auswirkungen zu minimieren.
Daneben kann die Luftqualität in den Städten durch das Pflanzen von Bäumen verbessert werden. Daher ist eine der zentralen Strategien der Stadtverwaltungen und Kommunen, in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Komitees für Ökologie, vermehrt Bäume in städtischen Gebieten zu pflanzen und den bestehenden Bestand zu pflegen. Derzeitige Projekte dabei sind unter anderem die Bepflanzung einer der Hauptverkehrsstraßen in der Stadt Qamislo, welches in der Gesamtsumme an die 20 Millionen syrische Pfund kostet, also umgerechnet an die 45.000 US- Dollar. Zudem wird in der Stadt Al-Tabqa, welche im Sommer 2017 vom IS befreit wurde, in diesem Jahr eine Kampagne zur Wiederaufforstung des städtischen Baumbestands begonnen, da dieser zu 75 Prozent vertrocknet oder zerstört ist und der übrige Teil besondere Pflege bedarf. Diese Schäden am Baumbestand gehen auf die verfehlte Politik der Stadtverwaltung des syrischen Regimes zurück, welche aus Missmanagement und Desinteresse bestand. Aber auch der Krieg in den Städten hat zu diesen Schäden am städtischen Baumbestand beigetragen. Aufgrund der klimatischen Bedienungen und der Wasserknappheit, ist die Aufzucht, das Pflanzen und die Pflege von Bäumen ein arbeitsintensiver Prozess, der vieler Ressourcen bedarf.
Projekte wie diese sorgen für bessere Luftqualität in den Städten, bieten Schatten in den Sommermonaten, in welchen die Temperaturen auf über 50 Grad steigen, schaffen Raum für Vögel und verbessern die Lebensqualität im Allgemeinen. Ausgehend von den ökologischen Arbeiten der Selbstverwaltung werden derzeit im Kanton Cizîrê die Kommunen und die dortige Bevölkerung nach ihrem Bedarf an Bäumen befragt. Auf dieser Grundlage sollen dann weitere Bäume in den Kommunen gepflanzt werden.
Auswirkungen des Krieges
Auch die Auswirkungen des Krieges auf die ökologische Situation in Rojava sind nicht zu vernachlässigen. Dabei geht es besonders um die Verschmutzung des Bodens und des Wassers durch Munition. So war die Munition der Koalitionskräfte zum Teil mit Uranium angereichert, was für die Bevölkerung gesundheitliche Schäden mit sich bringt, da die Munition die Qualität des Bodens und des Wassers langfristig beeinträchtigt. Aber auch Mörser-Munition, Raketen und andere Explosionswaffen beinhalten Schwermetalle und TNT, welche krebserregend sind, wenn sie in den menschlichen Körper gelangen. Durch den Einsatz dieser Waffen in städtischem Raum, beispielsweise im Krieg um Kobanî oder Hesîçe/Al Hasaka vermischen sich diese Stoffe mit Staub aus den zerstörten Gebäuden und gelangen so in die Atemwege, ins Wasser und auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Von dort finden sie ihren Weg in die Nahrungsmittel. Welches Ausmaß die negativen Langzeitfolgen haben werden, ist dabei nicht abzusehen.
Die Kriegsführung des IS basierte zum Teil darauf, sich durch große Feuer mit starker Rauchentwicklung vor Luftangriffen zu schützen. Diese wurden durch das Verbrennen großer Mengen an Öl, aber auch anderen Materialien wie Kunststoffen erzeugt wodurch Luft, Boden und Wasser stark belastet wurden.
Weitere Belastung der Luft, des Wassers und der Böden entstand durch die Zerstörung von Industrieanlagen, wodurch toxische Gase und Chemikalien freigesetzt wurden. Nach Einschätzungen der Nichtregierungsorganisation PAX wird diese Belastung der Umwelt gesundheitliche Langzeitschäden mit sich bringen. Welche Auswirkungen dies auf die Region Rojava haben wird, bleibt weiterhin zu untersuchen.
Kommunale Selbstversorgung und Kooperativen: „Unsere Erde, Wasser und Energie kollektivieren“ (Öcalan)
Produktion und Nutzung, Stadt und Land, Zentrum und Peripherie, sowie ihr Verhältnis zueinander müssen für den Aufbau einer ökologischen Gesellschaft neu gedacht und neu gestaltet werden. In dieser Gesellschaft kann die Produktion der menschlichen Bedarfsgüter nur im Sinne einer kooperativen, ökologischen und dezentralisierten Produktionsweise vonstattengehen. Alle Werte, ebenso wie natürliche Ressourcen müssen dabei vergesellschaftet und die Ökonomie demokratisiert werden. So ist es entscheidend, dass die Aushandlung darüber, was als Bedarf anerkannt, wie und wo produziert wird, in einem demokratischen Prozesse passiert. Die Produktion muss im Bewusstsein der Möglichkeiten eines intakten, sich im Gleichgewicht befindenden ökologischen Systems und auf den Möglichkeiten der Menschen selbst basieren. Die Kommunen fußen auf einer kollektiven Selbstversorgung. Diese kann die Trennung zwischen den Orten der Produktion und Nutzung aufheben, lange Transportwege verringern und die Versorgungssicherheit der Menschen garantieren. Zudem wird so das Wissen über Anbau, Pflege und Ernte vergesellschaftet.
Im Unterschied zur kapitalistischen Produktionsweise sind Kooperativen in einem dezentralen und demokratischen System in der Lage, nach den Bedürfnissen der Menschen zu produzieren, da sie nicht der ständigen Logik des Wachstums und der Profitmaximierung unterworfen sind. Somit ist es ihnen auch möglich, die langfristigen Folgen für die Natur mit zu berücksichtigen und ihre Produktion demnach zu gestalten. Durch kooperative Formen der Ökonomie kann Wissen unter den miteinander arbeitenden Menschen geteilt werden, da es eine Abtrennung einzelner Arbeitsschritte nicht gibt, sondern vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird.
Die Basis für eine solche Form der gesellschaftlichen (Re)produktion und die entsprechende politische Zielsetzung ist in Rojava gegeben. Das System baut auf der Selbstverwaltung der Gesellschaft in Kommunen und der Produktion in Kooperativen auf. Ressourcen wie Wasser, Energie und Land sollen zu Allgemeingütern werden. Allein in der Landwirtschaft im Kanton Cizîrê bestehen bereits 57 Kooperativen, welchen rund 8.700 Familien angehören.
Zwischen Anspruch und Realität – Rojava und die ökologische Gesellschaft
Die ökologischen Herausforderungen in Rojava/Nordsyrien sind gewaltig. So zeigt sich auch am Beispiel Rojavas, wie ökologische Probleme mit sozialen und wirtschaftlichen Aspekten verwoben sind, wie Zentralismus und kapitalistische Wirtschaftsweise sowie die Ausbeutung von Menschen und Natur zusammenhängen.
Auf absehbare Zeit sind einige Widersprüche nicht zu lösen, doch lassen sich die negativen ökologischen Auswirkungen kurzfristig minimieren. So kann die Bevölkerung über die Gefahren informiert werden. Geeignete Maßnahmen sind mit geringen Mitteln und wenig Geld zu realisieren. Die Maßnahmen, welche von den Strukturen der Selbstverwaltung gegen die ökologischen Probleme getroffen wurden, sind vielfältig. Sie zielen auf den Schutz bestehender Ökosysteme, Wiederaufforstung und die Stärkung des ökologischen Bewusstseins. Dies sind erste Schritte, die aber längst nicht ausreichen.
Wir haben aufgezeigt, welche Möglichkeiten es gibt, der demokratischen Autonomie der Kommunen in Rojava einen Schritt näher zu kommen und dabei immer auch wieder ökologische Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Um einen Weg aus der Sackgasse der durch die kapitalistische Moderne hervorgebrachten ökologischen Katastrophe zu finden, braucht es Anstrengungen und den Mut, neue Wege zu gehen. Erste Schritte wurden getan, doch viele Erkenntnisse über die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Revolution drängen noch auf ihre Umsetzung.