Unter dem Motto „Let‘s fight every crisis! Gemeinsam für ein Klima der Solidarität!” hat am Samstag eine Demonstration des „Aktionsbündnisses Klimagerechtigkeit Bielefeld” stattgefunden. Rund 300 Menschen zogen durch die Bielefelder Innenstadt und formulierten ihre Forderungen an die Politik: Wir brauchen einen grundlegenden Systemwechsel, nicht Klimawandel. Zur Lösung der Klimaproblematik müsse aber zuerst der Kapitalismus überwunden werden.
„Geschlossene Flughäfen, stehende Fließbänder in der Automobilindustrie und im Hafen liegende Kreuzfahrtschiffe -Man hätte denken können, die Forderungen der Klimagerechtigkeitsbewegung nach einer radikalen ökologischen Umgestaltung der Wirtschaft seien endlich erhört worden. Der eigentliche Grund waren aber die staatlichen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Während der Staat, die ansonsten unantastbare Wirtschaft kurzzeitig auf ein Minimum herunterfahren ließ, feuert er andere Krisen weiterhin an. Klimakrise, Wohnraumkrise, humanitäre Krise für Menschen auf der Flucht oder Gesundheitskrise: Sie alle bedrohen Menschen auf der ganzen Welt”, hatte es schon im Aufruf zur Demonstration geheißen. Diese Krisen seien nicht vorübergehend und nicht unabhängig von einander entstanden: „Sie sind grundlegender Teil des Systems, in dem Krieg, Hunger, Ausbeutung, Gewalt und Vertreibung weiterhin bittere Realität für viele Menschen sind. Denn das System basiert auf der rücksichtslosen Verwertung jeden Lebens und grenzenlosem Wachstum. Die kapitalistische Wirtschaftsweise, eine patriarchale Geschlechterordnung und seit der Kolonialisierung bestehende rassistische Strukturen machen ein Gutes Leben für Alle unmöglich.”
Das System ist die Krise
Das werde an vielen Stellen deutlich: Menschen sterben an heilbaren Krankheiten, obwohl die lebensrettenden Medikamente längst existieren. Frauen leisten trotz formaler Gleichstellung einen Großteil der (unbezahlten) Sorgearbeit. Geflüchtete werden in Lagern zusammengepfercht, während gleichzeitig massenhaft Hotels leer stehen. Die ökologischen Lebensgrundlagen werden durch die Nutzung fossiler Energien zerstört, um auch weiterhin auf Kosten von Mensch und Umwelt Gewinn zu machen. „Zuletzt zeigte sich das in der industriellen Fleischproduktion am Fall Tönnies. In den Schlachthöfen riskieren Arbeitsmigrant*innen ihre Gesundheit, weil das System ihnen keine andere Chance lässt. Das für die Produktion importierte Futter führt zum Kollaps des Amazonas-Ökosystems. Was als ‚Abfall‘ übrig bleibt, wird in Staaten exportiert, die sich keine wirtschaftlich mächtige Position erkämpft haben und vernichtet dort die Existenzen nachhaltig wirtschaftender Kleinbäuer*innen. Das wiederum zwingt Menschen zur Flucht.”
„Von Bielefeld nach Rojava, Klimaschutz ist Antifa!”
Der Protest des breiten Aktionsbündnisses, dem unter anderem die Ortsgruppen von Fridays for Future, Ende Gelände, Seebrücke, Antinationale Linke und die kurdischen Jugendorganisationen TCŞ und TEKO-JIN angehören, startete dann am späten Nachmittag vom Bahnhofsvorplatz in Richtung Elsa-Brändström-Straße. Nachdem FFF-Bielefeld und BUNDjugend in einem ersten gemeinsamen Redebeitrag nochmals unterstrichen, dass ein radikaler Wandel unumgänglich sei, um die Klimakrise zu lösen, legten Aktivist*innen der Seebrücke vor der SPD-Zentrale ein Schlauchboot nieder, um auf das Sterben auf dem Mittelmeer aufmerksam zu machen. „Leave no one behind bedeutet auch, eigene Privilegien zu hinterfragen“, wurde gesagt und gemahnt, dass Lippenbekenntnisse schon lange nicht mehr ausreichten. Die SPD müsse sich für mehr für globale Gerechtigkeit einsetzen. „Gegen die Festung Europa!“, hieß es mit Nachdruck.
Waffenexporte in kriegstreibende Länder stoppen
Am Rathaus hielt ein TCŞ-Aktivist eine Rede. Er wies darauf hin, dass das Ausmaß der durch Angriffe der türkischen Armee verursachten ökologischen Zerstörung im Siedlungsraum der kurdischen Bevölkerung erheblich sei. Die Gesellschaft werde durch die Vernichtungspolitik tief getroffen, da die Natur in Kurdistan eine übergeordnete Bedeutung annehme und die Entwicklung eines ökologischen Gesellschaftssystems ein Grundpfeiler der Revolution von Rojava sei. Die deutsche Bundesregierung wurde aufgefordert, ihre Waffenexporte in kriegstreibende Länder zu stoppen. Seine Rede beendete der Aktivist mit dem Leitspruch der kurdischen Jugendbewegung: „Bi hevre Serhildan” (Gemeinsam erheben).
Im Kapitalismus stehen sich soziale und ökologische Fragen oft gegenüber, wie z.B. im Hambacher Forst. Während Demonstrant*innen Maßnahmen gegen die Klimakrise fordern, führen die Arbeiter*innen von RWE einen Kampf gegen Existenzangst und Arbeitslosigkeit. Für uns hat der Konflikt seine Ursache im kapitalistischen Wirtschaftssystem. Dieses zwingt die Unternehmen zur Gewinnmaximierung – und damit zur immer weiteren Ausbeutung ökologischer Ressourcen. Und es zwingt Menschen, sich unter ausbeuterischen Bedingungen dem Arbeitsmarkt und der ständigen Angst vor Arbeitslosigkeit hinzugeben. Soziale und ökologische Interessen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden! Wir müssen sie zusammen denken. Das ist für uns der Kampf für Klimagerechtigkeit! - Aktionsbündnis Klimagerechtigkeit Bielefeld
Über die Wirtschaft entscheiden
Vor dem Büro der CDU hinterließ die Demonstration Holzkohle, um gegen den Kohleabbau zu protestieren und ein Zeichen für die vom Abbau von Braun- und Steinkohle bedrohten Dörfer zu setzen. „Wenn man öfter mal am Tagebau Garzweiler war, die Dörfer sieht und mit den Menschen spricht, wird einem durchaus zynisch zumute. In den letzten Jahrzehnten wurde für Braunkohle eine Fläche so groß wie das Saarland zerstört. Sie wird auf absehbare Zeit nicht wieder nutzbar sein”, sagte ein Aktivist von der Klimagerechtigkeitsbewegung Ende Gelände. Im Anschluss führte die Demonstration zum Kesselbrink, wo die Aktion mit einem Schlusswort von der Antinationalen Linken Bielefeld beendet wurde: „Fight every crisis bedeutet für uns gegen das kapitalistische System zu kämpfen. Wir wollen ein System, in dem wir über die Wirtschaft entscheiden, statt die Wirtschaft über uns.“