Flensburg: Waldbesetzung durch Notstand gerechtfertigt

Der Freispruch eines Klimaaktivisten am Amtsgericht in Flensburg ist ein unerwartetes Zeichen für mehr Klimaschutz. Das Gericht bewertete die Waldbesetzung am Flensburger Bahnhof als angemessenes Mittel gegen den Klimawandel.

Das Flensburger Amtsgericht sorgte heute für eine ziemliche Überraschung und sprach einen Aktivisten aus dem Kontext der Bahnhofswaldbesetzung frei. Als Begründung zog die Richterin den § 34 StGB heran, den rechtfertigenden Notstand.

Der Person wurde vorgeworfen, auf dem Grundstück der Firma JARA Immobilien einen Hausfriedensbruch begangen zu haben. Dies bestätigte Richterin Buchenau, hielt das Mittel der Besetzung und den damit verbundenen Hausfriedensbruch allerdings für angemessen, um sich gegen den Klimawandel und die Vernichtung eines innenstädtischen Waldes einzusetzen, und urteilte nach knapp dreieinhalb Stunden Verhandlung mit einem Freispruch. Sie fügte allerdings hinzu, dass die Staatsanwaltschaft wohl in Berufung gehen werde. Diese hatte 15 Tagessätze gefordert.

Im Herbst 2020 war ein kleines Waldstück am Flensburger Bahnhof besetzt worden, um dort den Bau eines Parkhauses und eines Hotels zu verhindern. Der Wald sollte erhalten, das unnötige Bauvorhaben gestoppt werden.

Im Februar 2021 wurde das Gelände schlussendlich geräumt, nachdem eine private Sicherheitsfirma im Auftrag der Investoren den Wald umzäunt hatte, um Baumfällern das Ansägen und Fällen der Bäume zu ermöglichen. Dabei befanden sich zum Teil noch Menschen in den Baumhäusern. Auch die Gefahr für die Sicherheitskräfte der engagierten Firma fiel neben der Profitgier der Investoren nicht weiter ins Gewicht. Nachdem die Polizei die Fällarbeiten erst unterbunden hatte, räumte sie einen Tag später das Gelände selbst und berief sich dabei auf den Verstoß gegen eine für die Woche geltende Ausgangssperre.

Der heutige Freispruch berief sich auch auf das Bundesverfassungsgericht, welches der Bekämpfung des Klimawandels Verfassungsrang einräumte. Das Urteil in Flensburg stellt sich gegen die immer lauter werdenden Stimmen, der Aktivismus der Klimagerechtigkeitsbewegung müsse härter bestraft werden. „Eine Richterin, die der Meinung ist, die Regierung unternehme zu wenig für das Klima und eine Besetzung sei eine legitime Protestform, ist zwar kein Grund in ausschweifenden Jubel auszubrechen, aber trotzdem ist das Urteil ein unerwartetes Zeichen für mehr Klimaschutz“, erklärten Flensburger Prozessbeobachter:innen.