Internationales Zusammentreffen: Der Süden widersteht
Vom 5. bis 7. Mai kamen 940 Menschen aus der ganzen Welt zu dem internationalen Treffen „Der Süden widersteht“ in San Cristobal de las Casas in Chiapas zusammen.
Vom 5. bis 7. Mai kamen 940 Menschen aus der ganzen Welt zu dem internationalen Treffen „Der Süden widersteht“ in San Cristobal de las Casas in Chiapas zusammen.
Ihr lacht wohl über den Träumer, der Blumen im Winter sah1
Nach drei Tagen in den Bergen von Chiapas könnte man verzweifeln. „Ich kann nicht lesen, ich kann nicht schreiben, aber ich weiß, dass wir am Ende sind. Ich sehe überall Müll und wir selbst werden wie Müll behandelt. Es geht zu Ende.“ Das sind die Worte eines alten compas aus einer abgelegenen Gemeinde in diesem südlichsten Bundesstaat. Er sitzt auf einer der gepolsterten Bänke im Sala 6, einem der Klassenzimmer der zapatistischen Universität de la tierra,2 dieser revolutionären Einrichtung, die jungen Tzotzil, Tzeltales, Choles, Tojolabales, Zoques, Mames, Mochós, Kakchiqueles, Chujes und compas aus anderen Teilen Mexikos wie Guerrero und Oaxaca eine autonome Bildung anbietet. Seine Füße in den alten, doch nicht kaputten Sandalen schweben wenige Zentimeter über dem Boden. Wie seine Hände sind sie von der jahrelangen Feldarbeit gezeichnet.
Mit leiser und klarer Stimme berichtet er von Problemen, die heute viele miteinander teilen – compas aus ländlichen Gebieten mehrerer Bundesstaaten, compas aus urbanen Zonen und aus der Hauptstadt, aus ganz Mesoamerica und anderen Kontinenten: Die Organisierte Kriminalität dringt in ihre Gemeinden vor, und sie bringen Drogen und Gewalt. Dies und die zusätzlichen Repressionen durch das Militär und die Polizei richten sich auch gegen jeden Widerstand der Bevölkerung, die durch Megaprojekte wie Minen oder Raffinerien bedroht wird. Gleichzeitig sorgen sich viele um die Zukunft der Kämpfe, da gerade Jugendliche besonders leiden, fliehen oder in Anbetracht der allgemeinen Notlage der Organisierten Kriminalität und ihrem Gift zulaufen.
„Die Karawane ist im zapatistischen Gebiet angekommen. Wir hörten so viel Schmerz“ ‒ und jetzt hören wir noch mehr davon. Von unaufgeklärten Massakern der 2000er Jahre wird berichtet, von Verbrechen der Vergangenheit, die keine Gerechtigkeit erfahren, von jenen der Gegenwart, die zunehmen. Aus Oventik hört man hier: „Es gibt viele Schändungen, Zerstörungen, Morde, der Verkauf von Drogen hat stark zugenommen und die Jugendlichen sind verrückt geworden. […] Es werden viele Bäume gefällt, es gibt kein Wasser mehr, sie machen alles kaputt.“ „Die Droge bringt uns um, alle Kinder, wo sind die Kinder, die jungen Leute, die meisten von uns sind alt, und wenn wir sterben, wird der Kampf zu Ende sein, denn die Kinder sind bei den Drogen, sie sind bei Freunden, die gar keine Freunde sind.“
Von den Delegierten der Otomí hört man: „Früher gab es nicht so viel Gewalt wie heute, und es gab nicht so viele Drogen, die unsere Gemeinden zerstören.“ Aus Simojovel hört man: „Es hat sich in den Vierteln sehr ausgebreitet, es gibt ganze Familien, die verschiedene Arten von Drogen konsumieren, es gibt einige, die verrückt geworden sind, es gibt jede Woche oder alle zwei einen Mord. […] Die Kinder sind schon verloren.“ Aus dem Süden, von der Grenze, hört man: „Es gibt Menschen, die sich schon Sorgen machen, weil wir wissen, dass wir kämpfen müssen, aber die Jugendlichen sind sehr von Drogen verseucht.“
Alle berichten von der zunehmenden Migration und der Gewalt gegen sie. Und alle eint die Wasserproblematik: Privatisierung, Fabriken, Massentourismus, Monokulturen, Bergbau, Abholzung: Überall herrscht Wassermangel, dessen Aufhebung im aufgedrängten System für viele unbezahlbar ist. „Dabei haben Landraub und Vertreibung gerade erst begonnen“, verkündet Raúl Zibechi auf dem Eröffnungsplenum des internationalen Encuentros. Bis zum Abend des letzten Tages wird an viele Ermordete, Verschwundene und Gefangene gedacht.
Nach drei Tagen in den Bergen von Chiapas könnte man verzweifeln.
Doch unter dem Vollmond, der die bunten Malereien der Holz-, Lehm- und Ziegelhäuser des CIDECI in weiches Licht taucht, leuchten Flammen der Hoffnung: Nach dem Abschluss der zehntägigen Karawane und ihren internen Versammlungen am 5. Mai versammelten sich 940 Menschen aus 40 indigenen Völkern der ganzen Welt, Menschen aus 27 Staaten der mexikanischen Republik, aus 30 Ländern und aus 10 autonomen Regionen, Menschen aus den Gebieten, die heute El Salvador, Honduras, Costa Rica, Guatemala, Ecuador, Afrika, Europa, Brasilien, Bolivien, Argentinien, Kurdistan, Chile, Bangladesch, Pakistan oder USA genannt werden, zum Internationalen Treffen „Globaler Konzernkapitalismus, planetarisches Patriarchat, Autonomien in Rebellion".
Und sie kommen nicht nur, um Leid, Wut, Anprangerungen und Rufe nach Gerechtigkeit, sondern auch, um Hoffnung, Mut, Freude, Analysen und Widerstandstaktiken zu teilen: „Wir haben erkannt, dass wir trotz all der Zerstörung durch die Kapitalisten viele Errungenschaften ernten: Die erste und wichtigste ist, dass wir nach 500 Jahren der Versuche, uns auszurotten, immer noch hier sind.“ Und auch viele Jugendliche sind hier, einige von ihnen lernen im CIDECI. Es ist das erste große Encuentro auf diesen Hügeln ihrer Schule seit der Pandemie.
Hier, wo normalerweise Autonomes Recht, traditionelle Architektur, Agrarökologie, Hydrogeographie, Verwaltung gemeinschaftlicher/kollektiver Initiativen und Projekte, Elektromechanik, Interkulturalität, Weltsystemanalyse, post- und dekoloniale Studien sowie Philosophie unterrichtet wird, hier, wo gleichzeitig Handwerk ausgebildet wird – etwa in der eigenen Bäckerei, der Mechanik- und der Maurerwerkstatt, den Musik- oder Kunstsälen, hier, wo sich die Schule durch Anbau und Tierzucht selbst versorgt, hier, wo der Strom selbst erzeugt wird und hier, wo paramilitärische Gruppen durch Attacken den Betrieb stören (wollen), hier geht es nun drei Tage lang um den gemeinsamen Kampf gegen Megaprojekte und Militarisierung.
Für die Teilnehmer:innen der Karawane „El Sur Resiste“ werden die zwei Tage dieses internationalen Encuentros spontan zu drei: Der gesamte 5. Mai besteht aus internen Versammlungen, die durch Vorträge im großen Auditorium eingerahmt werden: Auf was für ein Territorium traf die Karawane in den vergangenen Tagen? Ana Esther Ceseña fasst zusammen:
„Was ist als der Südosten [Mexikos] zu verstehen? Was bedeutet er für die Welt? Wenn wir von biologischer Vielfalt sprechen, geht es beim Südosten um ein planetarisches Gut mit Bedeutung für die gesamte Menschheit. Es geht nicht nur um unsere Wälder, unsere Arten, sondern um die der ganzen Welt. Es gibt nur in wenigen Regionen der Welt solche Korallenriffe, die für das Leben auf dem gesamten Planeten wichtig sind. Wir alle müssen sie verteidigen. […] Was Mexiko betrifft, so handelt es sich um das Gebiet mit dem meisten Wasser im Land, mit der größten biologischen Vielfalt im Land und mit sehr wichtigen Wäldern: Der Maya-Dschungel [im Territorium des Tren „Maya“] ist der größte in Nordamerika und der Chimalapas-Dschungel [im Territorium des „interozeanischen Korridors] ist proportional der Vielfältigste. Er hat eine hohe Kapazität, neue Arten hervorzubringen, so dass er nicht nur eine Möglichkeit für die Erhaltung, sondern auch für die Kreuzung von Arten darstellt. Diese Arten ziehen von hier oft durch ganz Mesoamerica bis ins Amazonasbecken. Wenn wir den Weg für die Mobilität der Arten abschneiden, nehmen wir dem Amazonas-Regenwald die Möglichkeit, diese Arten aufzunehmen und mit ihnen zu interagieren. Das ist ein kontinentaler Schaden. Die Feuchtgebiete und Mangrovenwälder der Region schützen das Territorium durch eine Barrierewirkung vor Wirbelstürmen. Der Nutzen, den sie erzeugen, kommt dem gesamten Planeten und der gesamten Menschheit zugute. Leider ist dies auch der Ort in Mexiko, an dem sich alle Kohlenwasserstoffe [Öl, Gas] befinden. Es ist ein sehr begehrter Ort für die mexikanische Regierung und für ausländische Unternehmen. […]“
Ana verurteilt die illegalen Bauarbeiten des Militärs in den Biosphärenreservaten Chetumal, Calakmul und Escarcega, und sie warnt vor der weiteren Zerstörung Bacalars, dessen berühmte und bei Touristen beliebte Lagune „der sieben Farben“ heute nur noch einen Farbton anbieten kann: Die anderen sechs verschwanden aufgrund der Kontamination durch Monokulturen, allein drei Blau-Grün-Töne zogen sich im letzten Jahr zurück. „Bacalar ist einer der wichtigsten Standorte für das Bakterienvorkommen (das größte der Welt), das durch den landwirtschaftlichen Anbau (Soja und andere) zerstört wird.“ Die Bakterien sind für viele Ökosysteme nicht nur von grundlegender Bedeutung – ein weiteres menschliches Eindringen wird auch neue Pandemien hervorrufen.
Nicht nur die ökologische, auch die indigene und kulturelle Vielfalt des Landes ist im Süd-Südosten konzentriert: 44 von 61 indigenen Völkern leben hier, und sie verlieren bereits jetzt durch die Megaprojekte ihre Lebensgrundlage. „Wenn man im Sinne der Komplementarität zwischen verschiedenen Lebensformen denkt, wird man auch so leben. Wenn man sich als Mensch als die überlegene Spezies denkt, wird man auch so leben.“ Ana warnt vor der Zerstörung der archäologischen Stätten, der Ausrottung indigener Sprachen, vor zerstörten Cenotes, den unterirdischen Höhlen-, See- und Flusssystemen, die ein Meteoriteneinschlag vor langer Zeit hervorrief, „und das bedeutet, dass es sich um einen Ort mit geologischen und astrologischen Informationen handelt, der einzigartig auf der Welt ist und wo die Forschung fortgesetzt werden muss. Mit dem Zug verlieren wir diese Informationen“. Dieser Zug, von dem sie spricht, soll zudem 60-70 Tonnen wiegen, und wird aufgrund der „notwendigen Wirtschaftlichkeit“ viele Waggons mit sich führen. Nicht einmal die Schienenschwellen hielten das Gewicht des Probezuges aus. Es ist davon auszugehen, dass der Boden nachgibt und der Tren „Maya“ in die Tiefe stürzt.
Ana berichtet von der Bedeutung der Züge für die Weltwirtschaft und die Geopolitik, von zunehmender Gewalt gegen Migrant:innen, von rasant anwachsender Militarisierung und dem Anstieg Organisierter Kriminalität.
Bevor das Programm fortgesetzt werden kann, unterbricht Bettina vom CNI für eine erste Anprangerung, die das Encuentro direkt betrifft: Compas aus Honduras, El Salvador und Guatemala werden – trotz wochenlanger Vorbereitung, gültiger Papiere und der Begleitung durch mehrere Menschenrechtszentren – an der Einreise nach Mexiko gehindert. Unter ihnen ist etwa Berta Cáceres, die Tochter der im Widerstand gegen den SIEMENS-Staudamm 2016 in Honduras Ermordeten. Sie wird am Encuentro nicht mehr teilnehmen können, während andere, die heute den Rassismus der Zäune erfahren, in den frühen Morgenstunden endlich zu uns stoßen.
Nach einem kollektiven Aufschrei beginnt die kollektive Arbeit: In über zehn zusammengesetzten Kleingruppen (die zum Teil mehr als 30 Personen umfassen), tauschen die Gemeinden des Süd-Südosten Mexikos Strategien des Widerstands aus. Sie teilen ihre Erfahrungen und entwickeln neue Ideen, um auf die aktuellen Probleme zu reagieren: Genoss:innen aus Chiapas, Oaxaca, dem Süden von Veracruz, aus Yucatán, Palenque oder Campeche versammeln sich, während sich auch die internationalen Delegationen der Karawane (aus Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, dem Baskenland, Zypern, Portugal oder Österreich und Deutschland) zu internen Treffen zurückziehen. Die jeweiligen Ergebnisse werden hier natürlich nicht aufgeführt, doch als die Nacht einen Temperaturwechsel von rund 30 Grad im Gegensetz zur vorherigen Station Palenque provoziert, verlassen über 200 Personen das CIDECI, die neben Kraft und Hoffnung viele konkrete Vereinbarungen gesammelt haben. Am nächsten Morgen werden wir mehr als doppelt so viele sein.
Tag 1: Die Herbeiführung des wirklichen Ausnahmezustands
„Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der ‚Ausnahmezustand’, in dem wir leben, die Regel ist. Wir müssen zu einem Begriff der Geschichte kommen, der dem entspricht. Dann wird uns als unsere Aufgabe die Herbeiführung des wirklichen Ausnahmezustands vor Augen stehen; und dadurch wird unsere Position im Kampf gegen den Faschismus sich verbessern. Dessen Chance besteht nicht zuletzt darin, daß die Gegner ihm im Namen des Fortschritts als einer historischen Norm begegnen. - Das Staunen darüber, daß die Dinge, die wir erleben, im [einundzwanzigsten] Jahrhundert noch möglich sind, ist kein philosophisches. Es steht nicht am Anfang einer Erkenntnis, es sei denn der, daß die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu halten ist.“3
Junge Schüler:innen spielen Fußball im morgendlichen Nebel, als die ganze Welt eintrifft zum ersten offiziellen Tag des Encuentro Internacional. Wie viele kleine Karawanen wandern sie über die kleine Holzbrücke am Fußballplatz vorbei: Aus mehreren Kontinente, nahen und fernen Gemeinden, großen und kleinen Städten, aus Tälern, von Bergen, aus Wäldern, Seen, Flüssen und vom Meer strömen Hunderte zum Süden, der widersteht. Empfangen werden sie von vielen kleinen Tischen in den offenen Durchgängen der zapatistischen Universität: Webkunst vieler indigener Völker, Taschen, Wipiles, Armbänder, Hüte, Lesezeichen oder Schuhe mit revolutionären Stickereien werden angeboten, Süßigkeiten, Nüsse, Samen und Getränke aus eigener Produktion, Infomaterial zu verschiedensten Kämpfen, Recherchen zu an der Ausbeutung beteiligten Unternehmen, Karten, Sticker, Bücher, DVDs, traditionelle Medizin, Schreibhefte und T-Shirts, Poster und Flyer werden ausgetauscht und vorgestellt.
Besonders beliebt ist die kleine Durchreiche der jungen Genoss:innen der CIDECI-Schüler:innen, die Gebäck aus ihrer eigenen Bäckerei und süßen Kaffee ausgeben. Beides schenkt Kraft für die stundenlangen Großversammlungen im gegenüberliegenden Auditorium, für die vielen Präsentationen in den auf den Hügeln verteilten Räumen, und für den teils sechsstündigen Austausch in Arbeitsgruppen. Ebenso viel Motivation wabert in Form herrlicher Gerüche aus der Küche der zapatistischen compas über das Gelände, die für Hunderte drei warme Mahlzeiten am Tag bereiten, die im rosa bemalten Essenssaal, dessen Stühle alle eigene Gemälde, Bildchen und Sprüche der Schüler:innen zieren, begeistert verspeist werden.
Dem süßen Kaffee folgt im ersten großen Plenum die Bitterkeit des compas Raúl Zibechi aus Uruguay, der mit der indigenen Nasa Misak V. aus dem kolumbianischen Cauca, D. von der kurdischen Frauenbewegung in Lateinamerika, Ana Esther Ceceña von der UNAM und C.G. vom CNI-CGI das Treffen einleitet:
Zur Rolle Chinas:
„Wir erleben derzeit den Übergang von einer großen Hegemonialmacht, den Vereinigten Staaten, zu einer anderen möglichen Macht, China. Dies ist ein langer Prozess, der sich über Jahrzehnte auf die Menschen auswirken wird. In der Vergangenheit gab es den Übergang vom spanischen zum britischen Reich und dann vom britischen zum amerikanischen Reich. Der heutige Übergang wäre ein dritter historischer Übergang. Solche Übergänge sind mit Kriegen verbunden, und wir leben in einem Zeitalter der Atomwaffen. Der Aufstieg Chinas, dass angeblich ein sozialistisches Land ist, wird von lateinamerikanischen Bewegungen unterstützt, China ist jedoch kapitalistisch und patriarchalisch. Der gegenwärtige Übergang kann einen Riss oder einen Ausweg bieten, um neue Vorschläge der Völker zu ermöglichen, aber es ist gefährlich und nicht wünschenswert, sich einer der beiden Mächte im Kampf um die Vorherrschaft anzuschließen.“
Zibechi bezieht sich auf die Annäherungen an China (und/oder Russland) vieler der sich selbst als „links“ bezeichnenden Regierungen des Kontinents, die in den meisten Fällen aber nach innen wie außen kapitalistische Systeme aufrechterhalten und ausweiten, oft erfolgreicher als ihre rechten Vorgänger. Dieses „AMLO-Problem“ wird in den kommenden zwei Tagen noch oft angesprochen, und viele compas aus vielen Ländern der Welt berichten ähnliches: „Progressive“ Regierungen spalten die revolutionären Bewegungen, da ein Teil bereits vom „Erfolg“ spricht, und ermöglichen den Unternehmen und Militärs so die Implementierung von Projekten und Prozessen, von denen die Rechtskonservativen nur träumen konnten (siehe Chile, Deutschland, …). Die Fortschritte an der historischen Idee des „Maya Zuges“ und des „interozeanischen Korridors“ (Mexiko) sind die besten Beispiele für dieses „Trojanische Pferd“.
Ich denke an die Worte einer mal verbitterten, aber nie aufhörenden compa zurück, die in den Höllen Syriens arbeitete und beim Lagerfeuer auf einem Bauernhof irgendwo in B. sagte: „Geopolitik kann nie links sein.“
Zum Kapitalismus:
„Die Kriege der Enteignung haben gerade erst begonnen. 40 % oder mehr des Bodens gehören immer noch den (indigenen) Völkern oder sind Naturschutzland oder Land von Kleinproduzenten oder Minderheiten (noch nicht in den Händen des Kapitals und der Oligarchie). Der Kapitalismus strebt nun jedoch nach dem Besitz dieser Ländereien. Diese Enteignungskriege sind strukturell, sie beinhalten Gewalt und Vertreibung, was einen langen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren bedeutet, sowie eine starke Militarisierung. Die Linke und die Progressiven, die dem Militär in der Regel misstrauisch gegenüberstehen, nutzen nun die militärische Macht für Rohstoffprojekte (z.B. Argentinien, Vaca Muerta; Chile, Mapuche-Territorium; Kolumbien, Allianz mit dem US-Pentagon zum „Schutz" des Amazonasgebiets). Dort, wo Klimawandel und Migration besonderes Leid herbeiführen, werden Gebiete ,gesäubert' und enteignet.4 Der Drogenhandel macht sich die große Not der schwachen Bevölkerung ebenfalls zunutze. Derzeit gibt es eine Verquickung von Drogenhandel und Kapital, Staat usw. Die Drogenszene ist systemisch: Das System wird von der Drogenszene gestützt und ist das organisierte Verbrechen.“
Zu den rebellierenden Autonomien:
„Es gibt eine Ausbreitung und ein Wachstum der unbürokratischen Autonomien. Es gibt Beispiele in Peru, Chile, Brasilien usw. Bei vielen ist es bereits lange so, vor allem bei indigenen und schwarzen* Völkern. Es gibt kein allgemeines Modell, es handelt sich um verschiedene Autonomien, aber sie sind fast immer durch Widerstand gekennzeichnet, indem sie andere soziale Beziehungen schaffen, begleitet von Selbstverteidigung gegen den vom Kapitalismus verursachten Krieg, aber ohne mit mehr Krieg zu antworten, sondern eher mit Widerstand. Gemeinschaftliche Ländereien sind wichtig für die Völker im Widerstand, aber die Grundlage der Autonomie ist die Spiritualität, in der die Frauen eine zentrale Rolle spielen (Leben-Mutter-Erde). Das sind lange Prozesse. Der Kampf ist wie ein Kreis, er beginnt an einem Punkt, er kann an jedem Punkt begonnen werden, aber er endet nie, es gibt kein Endziel, keinen Endsieg, daher ist die Spiritualität die Grundlage dieses endlosen Kampfes.“5
Direkt im Anschluss präsentiert V. vom Volk der Nasa Misak aus dem kolumbianischen Cauca diese Spiritualität:
„Die Freude ist Teil der Kultur der Nasa Misak und eine Form des Widerstands. Der Prozess der Befreiung der Mutter Erde in Cauca seit 2004 greift auf traditionelle, nicht-patriarchale, nicht-koloniale und nicht-staatliche Formen zurück. Die Situation in Cauca ist schwierig, wie in vielen anderen Gebieten Lateinamerikas. Es gibt eine Enteignung von Sprachen, Bräuchen, Spiritualität, etc.“
Diese Praktiken sind nicht auf Lateinamerika beschränkt, ebenso wenig der Widerstand: D. von der kurdischen Frauenbewegung spricht im Anschluss:
„Drei kurdische Genossinnen sind heute mit mir gekommen. Als kurdische Frauen sind wir stolz darauf, die ursprünglichen Völker von Chiapas zu kennen und kennenzulernen, wo der Geist der Natur sichtbar ist und wo es weh tut, wenn sie verletzt wird, wo es eine Verbindung zwischen den Völkern gibt, wie es in der Natur der Fall ist. Unser Prozess in Kurdistan ist ähnlich. Das patriarchalische System rottet die Wurzeln aus, das Gedächtnis, die Geschichte, die Sprachen, die Kultur, alles, was eine Bedrohung für das herrschende System darstellt; es will die Frauen, die Natur, die Hoffnung für die Zukunft zerstören. Die indigenen Völker als Bedrohung für das Patriarchat sind ein Angriffspunkt, auch für Praktiken wie den Ökozid. Die Wälder Kurdistans werden verbrannt und abgeholzt, ähnlich wie in Chiapas. Industrie- und Energieprojekte zerstören auch dort, so wie hier der Interozeanische Korridor und der Maya-Zug der Enteignung dienen. […] Die Menschheitsgeschichte steht an einem Wendepunkt, mit einem großen Potential für eine Transformation, mit der Führung von Frauen, die gegen das patriarchalische System kämpfen und auf den Geist der Mutter Erde hören. Die Frauenbewegung will auch das System der Enteignung und Zerstörung der Natur verändern. Eine neue Lebensweise ist möglich, und deshalb gibt es einen Widerstand mit den Frauen als zentrale Achse der Befreiung. Die Eroberung der Freiheit der Frauen muss an erster Stelle stehen, denn die Frauen sind die ersten, die in der Geschichte unterdrückt werden. […] Der Nationalstaat ist nicht die Lösung, ein neues Leben ist möglich, in dem die Menschen sich selbst regieren können, durch Modelle, die seit der neolithischen Revolution existieren, in denen ein demokratisches Leben um die Frauen und die Natur herum gedacht wurde; diese Modelle fördern dann die Entkolonialisierung des Patriarchats. Wir müssen mit uns selbst kämpfen, um uns zu verwandeln. Die Bewegung für die Freiheit der Frauen und des Lebens in Kurdistan ist weltweit beispiellosen Angriffen ausgesetzt, die auch von den Kräften der NATO ausgehen. Unsere Kraft kommt nicht von den Staaten, sondern vom Widerstand und der Solidarität der Völker. Die Kämpferinnen und Kämpfer in den Bergen Kurdistans geben ein Beispiel für den Kampf und die menschliche Überlegenheit gegen die Herrschaftssysteme. Die Verteidigung der Revolution Kurdistans ist die Verteidigung der Frauen: sie setzt sich für die antipatriarchalen Rechte ein. Der Kampf geht von den Wäldern Kurdistans bis in die Regenwälder Lateinamerikas. Es muss ein gemeinsames Netzwerk von antipatriarchalen Organisationen aufgebaut werden, um alle Schattierungen von Weisheit, Bewusstsein und Träumen gegen den Kapitalismus zusammenzubringen. Durch Treffen wie dieses geschieht das, durch Treffen wie diese sind die Berge und Flüsse und Meere und Wälder mit uns.“
Ana Esther Ceceña benennt die Megaprojekte als Strategie der Herrschenden, eben diese Territorien (Berge, Meer, Flüsse, Wälder…) zu kontrollieren:
„Auf politischer, finanzieller, militärischer und geografischer Ebene hängt alles von der Kontrolle von Territorien ab. Die größten [diesbezüglichen] Konflikte verlagern sich in den indopazifischen Raum südlich von China, eine Region mit indigenen Völkern, die aufgrund ihres starken Widerstands territorial schikaniert, vertrieben und von Völkermord bedroht werden. […] Im Südosten Mexikos findet ein ähnlicher Prozess statt, bei dem es um die Kontrolle von Territorien unter dem Patron [USA] geht. Völker, die ihr Territorium verteidigen, werden angegriffen. Und Territorium meint in diesem Fall: Kultur, Geschichte, Bedeutung, Beziehung […]. Neben der Ausplünderung von Territorien handelt es sich auch um eine kulturelle Ausplünderung, die auch physisch und materiell ist. So wird beispielsweise eine Eisenbahnlinie in Gebieten mit archäologischem Reichtum eröffnet, der zerstört oder geplündert wird. Der Wald, der auf diesen Überresten wächst, der Reichtum der Vielfalt, wird ebenfalls angegriffen, um des Fortschritts willen: Arbeitsplätze, Investitionen usw., die nicht für uns bestimmt sind. Der Tourismus, die gesamten Projekte sind für ausländische Unternehmen, die Dorfbewohner profitieren kaum. Es handelt sich um eine Auferlegung einer Lebensweise, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. All dies wird durch die Anwesenheit der mexikanischen Armee noch verschärft, die mit dem US- Südkommando zusammenarbeitet und gemeinsame Übungen und Schulungen im Dschungel durchführt. Die Militarisierung nimmt zu und wird zur Selbstverständlichkeit. Auf den Straßen sieht man zum Beispiel immer häufiger Militärs, die früher selten waren, mit Uniformierten, die man manchmal nicht identifizieren kann. Wir müssen über unsere Prozesse, unsere Lebensweise und unsere Absichten zur Umgestaltung nachdenken, und zwar in unserem eigenen Kontext und ohne unsere Geografie und unsere Geschichte zu ignorieren. Wir können nicht aufhören, das zu sein, was unsere Vorfahren waren, der Austausch mit der Natur. Wir können unsere Vergangenheit, unsere Erinnerung, unsere historischen und archäologischen Überreste nicht ignorieren. Und gleichzeitig müssen wir uns den Problemen der Gegenwart anpassen. Das wissen die Menschen, und sie kämpfen kleine Schlachten.“
Der Landrechtsanwalt C. G. vom CNI-CGI weiß, welche Schlachten gemeint sind:
„Die Situation in Mittelamerika und im Südosten Mexikos hat mit dem gegenwärtigen Moment des globalen Kapitalismus zu tun, und es ist wichtig, zunächst einmal festzustellen, dass der Kapitalismus seit Jahren auf verschiedene Weise in einer tiefen Krise steckt, insbesondere durch die Pandemie. […] Die Arbeitslosigkeit wuchs, ebenso wie die Inflation, die Prekarität, die Nahrungsmittelproduktion ging zurück, auch durch den Krieg in der Ukraine und in den verschiedenen Regionen der Welt. All dies hat selbst die reichsten Länder getroffen. Die USA beispielsweise sehen sich mit mehreren Rezessionen konfrontiert, während sich der Reichtum in Mexiko nur noch auf sechs Personen konzentriert, denen die 60 Millionen besonders armen Menschen im Lande gegenüberstehen.“
Allein diese letzten Zahlen lassen nur eine Möglichkeit zu, dieser Ausnahmezustand, der die Regel ist, muss durch die Herbeiführung des wahren Ausnahmezustands überwunden werden:
„Das kapitalistische und patriarchalische System muss verschwinden. So geht es nicht weiter. Schauen wir uns doch den Fall des aktuellen Bergbaugesetzes an: Der Präsident der Republik hat eine Initiative mit durchaus guten und wichtigen Elementen zur Einschränkung der Bergbautätigkeit und der Kontrolle der Unternehmen, einschließlich des Wasserverbrauchs, vorgeschlagen. Der Gesetzesentwurf erreichte die Abgeordnetenkammer, doch dann wurde gesagt: Nein, darüber können wir so nicht abstimmen. Es begannen Verhandlungen mit der Bergbaukammer, wo es Vertretern aus Kanada, die in der Bergbaubranche tätig sind, gelang, die Initiative zu ändern. Es darf angesichts der heutigen Situation keinen Platz mehr geben für solche halbe Sachen, eine tiefgreifende und engagierte Politik der Veränderung ist erforderlich. […] Mexiko ist ein Land, das den USA und multilateralen Wirtschaftsorganisationen untergeordnet ist. Diese Unterordnung wird immer weiter vertieft. Es ist falsch, dass Mexiko [wie AMLO behauptet] seinen neoliberalen Zyklus abgeschlossen hat und eine neue Phase beginnt, im Gegenteil: Wir sehen den Verlust der Autonomie der mexikanischen Zentralbank, die Bankzinsen, die im letzten Jahr einen Höchststand erreicht haben, der Vorstoß für den TMEC-Vertrag (das Freihandelsabkommen Mexiko ‒ Vereinigte Staaten ‒ Kanada), die Energiereform … Windenergieprojekte wurden gestoppt, weil die derzeitige Regierungspolitik klare Prioritäten setzt, nämlich den Handel mit Schiefergas und texanischem Öl, den Extraktivismus einschließlich Fracking (z.B. in Veracruz). Es ist nicht verwunderlich, dass es Bundesbeamte wie den Leiter des Ministeriums für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Victor Villalobos, oder Francisco Quiroga, Unterstaatssekretär für Bergbau, gibt, die sich gegen die Bewegung der Sierra Norte de Puebla und ihren Widerstand gegen den Bergbau aussprechen. Der neue TMEC ist eines der stärksten Instrumente der kapitalistischen Allianzen, die seit der Regierung Peña Nieto [dem rechtskonservativen Vorgänger AMLOs aus der PRI-Partei] zunahmen, ein Handelsabkommen mit den gleichen Ungerechtigkeiten wie immer, aber mit mehr Kontrolle über Pharmazeutika, Landwirtschaft, etc. Die Gebiete mit einheimischem Mais werden eingeschränkt, nicht geschützt, sondern an den Rand gedrängt. Wir beobachten außerdem etwas, das früher nicht so häufig in dieser Offensichtlichkeit vorkam: den Militarismus als Quelle und wichtigen Mechanismus der Kapitalakkumulation. Die mexikanische Armee und Marine, die von unseren Steuern bezahlt werden, entwickeln die Infrastruktur für das Großkapital. Imposante Megaprojekte wie der Maya-Zug, der Interozeanische Korridor und die Dos Bocas-Raffinerie, zusammen mit dem Morelos Integral Projekt (PIM) und dem Santa Lucia Flughafen im Zentrum des Landes. Der Plan Puebla-Panama, der unter Calderón als Projekt Mesoamerika bekannt war, wird weiterhin in einem einzigen Projekt umgesetzt, das den Maya-Zug, den Interozeanischen Korridor und die Stromquellen von Tehuantepec nach Morelos miteinander verbindet, um den neuen Industrieparks Schwung zu verleihen. Die Territorien und Grenzen werden neu geordnet, wie es im Nationalen Entwicklungsplan heißt, und damit auch ein neuer Krieg gegen die Migrant*innen begonnen. Der Maya-Zug ist katastrophal, mit der Intervention der Sedena [des Verteidigungsministeriums/ der Armee] in drei Abschnitten des Zuges, zusammen mit sechs Hotels, dem Flughafen von Tulum und der Modernisierung der Flughäfen von Chetumal und Palenque, sowie den privaten Unternehmen der Abschnitte 1 bis 5 (Mota-Engil, Grupo Carso, Gami Ingeniería, Grupo ICA), die die territoriale Organisation der Region ‚stärken‘, was eine drastische Beeinflussung der Gebiete durch die Entwicklungspole [Industrie- und Urbanisierungszonen] bedeutet, die jetzt als Städte bezeichnet werden, die von internationalen Immobiliengesellschaften ‚entwickelt‘ werden. […] Der Interozeanische Korridor umfasst drei Eisenbahnlinien: die von Coatzacoalcos nach Salina Cruz, die von Coatzacoalcos nach Palenque und die von Ixtepec nach Ciudad Hidalgo (in Chiapas, ein Migrantenübergang). Das Projekt umfasst auch den Bau einer Ölpipeline (Modernisierung), einer Gaspipeline und eines Glasfasernetzes in der Tiefe. Das Projekt wird zusammen mit dem Marineministerium und großen mexikanischen Millionären durchgeführt, ebenso wie die entsprechende ‚Sanierung‘, bei der mindestens 15.600 Hektar Gemeindeland von Kleinbäuer*innen für die industrielle Nutzung umgewandelt werden. […] Der Maya-Zug und der Interozeanische Korridor stehen ebenfalls im Zusammenhang mit der Neuordnung Zentralmexikos und ganz Mesoamericas. […] Dieses 2023 ähnelt Calderóns 2011, mit dem Leid so vieler verschwundener Brüder und Schwestern. Die Morde in Santa María Ostula, San Miguel de Aquila usw. sind eine beklagenswerte Erfahrung. Die Komplizenschaft des staatlich organisierten Verbrechens nimmt zu, ebenso wie die Gewalt, auch in Chiapas unter dem Gouverneur Rutilio. Die Schikanen, die Gewalt, die Einkreisung der zapatistischen Basisgemeinden durch die Paramilitärs, die von der mexikanischen Armee selbst im Schatten des Pentagons konzipiert wurden, alles nimmt zu. Die indigenen Völker sind zentrale Feinde der USA, gleichgestellt mit anderen internationalen Verbrechern. Gleichzeitig nimmt die Gewalt gegen Frauen zu, um das Patriarchat aufrechtzuerhalten. […] Diesem Übel der Dunkelheit stehen zwei Lichter gegenüber: (1) der Widerstand und die Organisation der Frauen, (2) die Sorge um Mutter Erde und die Kämpfe der ursprünglichen Völker. Diese Lichter müssen inmitten von so vielen Gefahren, Täuschungen, Unsicherheiten und Nöten zum Wachsen gebracht, bewässert und zum Strahlen emporgehoben werden. Der geringe oder fehlende Widerstand gegen den Maya-Zug ist beunruhigend. Die Mehrheit der Ejidos, die der Maya-Zug durchquert, ist mit dem Projekt einverstanden und mäßig enthusiastisch, weil sie in einer Art und Weise leben, die darauf ausgerichtet ist, weniger Widerstand zu leisten. Es wird eine Entwicklung aufgezwungen, die wir nicht beschlossen haben und die in unser tägliches Leben und unsere Träume eingreift, indem sie die Bevölkerung neu konzentriert, die Gebiete für die Gewinnung von Ressourcen ausräumt, und zwar unter Bedingungen, die von der Wirtschaft seit ihren Anfängen als Eroberungskrieg definiert wurden. Gemeinschaften werden weiterhin vom Land getrennt, gewaltsam oder friedlich, legal oder illegal, und die Migration wird weiterhin als Mittel des Kapitalismus mit Diskriminierung verbunden. Selbst wenn es kleine oder isolierte Widerstände gibt, sind sie groß und mächtig angesichts der gegenwärtigen Finsternis. Schauen wir uns den Widerstand gegen das Proyecto Integral Morelos an, das von einer Handvoll Menschen, Bauern und Bäuerinnen gestoppt wurde. Diese uns nun bedrohenden ‚Eisenbahnen‘ können auch durch diese kleinen Lichter gestoppt werden.“
Es sind in der Tat viele kleine Lichter hier versammelt. Dies zeigt sich in den anschließenden Präsentationsrunden, die sich auf die Räumlichkeiten in schattigen Zimmern aus Lehmziegeln und auf Freiluft-Säle ausbreiten: In 10 verschiedenen „Salas“ finden bis zu vier Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden gleichzeitig statt. Das CIDECI verwandelt sich in einen Bienenstock: Überall brummt und summt es aus kleinen und großen Gruppen heraus, die sich um kleine und große Tische, um Karten, Foto- und Filmprojektoren, Personen oder Instrumente versammelt haben:
An einem Tisch werden die Kämpfe, Megaprojekte und ihre Verbindungen kartografiert, mit Teilnehmer:innen aus kleinen Gemeinden und Expert:innen. Ein paar Meter weiter referiert die argentinische Studentin B.V. über Künstliche Intelligenz, und Menschen aus den verschiedensten Kontexten, von den Bergen Guerreros bis in die großen Städte der USA diskutieren über die Gefahren und Chancen, die diese neue Welle der Digitalisierung bedeuten (könnte). Auch das „Media Lab.org“ präsentiert Strategien der revolutionären Aneignung von Technologie, und gemeinsam mit „Tejemedios“ wird über Medienarbeit gesprochen, etwa die Möglichkeit, eigene Radios und Internetstrukturen aufzubauen. Alternativen zu den „Giganten“ wie Google werden vorgestellt, und entsprechende Workshops in den ländlichen Gemeinden angeboten. Erfolgreiche Beispiele sind das Satelliteninternet der Kollektive in Puebla oder das Gemeinschaftsradio der verfolgten Genoss:innen in Guerrero.
Gleichzeitig präsentiert eine internationale Recherche AG ihren Report über die Beteiligung europäischer Unternehmen im Tren „Maya“ und den Projekten des „interozeanischen Korridors“. Eine andere Form des Widerstands und der Artikulation solcher Investigationen präsentieren Delegierte der Maya-Zoque und Tsetal im Workshop zur Kunst als Protestform. Es geht um Musik, Malerei und Fotografie, auch als Instrumente, das Wissen und die Geschichte des kollektiven Gedächtnisses der indigenen Völker zu bewahren und im andauernden Kampf mitzuführen.
Q. vom Menschenrechtszentrum Fray Matías de Córdoba in Tapachula berichtet derweil über Migration und ihre Beziehung zur Militarisierung. Er verwirft die Narrative, die in den 1980er und 1990er Jahren Migration zu einem Verbrechen erklärten und die Migration entmenschlichten. Wohin das führt, zeigt etwa das Beispiel Ciudad Juarez, wo vor wenigen Wochen 40 Migrantinnen verbrannt wurden. Auch der Diskurs der „Migrationsmauern" führt diese Entmenschlichung fort und ist zudem falsch: Es handelt sich nicht um eine Mauer, sondern um einen rassistischen Filter, der eine neue Form der Sklaverei schafft. Migrantinnen werden zur Ausbeutung benutzt und gezielt in bestimmten Zonen festgehalten: Der Maya-Zug ist ein Beispiel dafür, denn auf der Baustelle werden etwa Migrantinnen aus Haiti (denen man ihre Revolution noch nicht vergeben hat) ausgebeutet. Das ist Rassismus und eine neue Form der Sklaverei. In diesem Sinne ist das Militär auch die rechte Hand des Extraktivismus. „Wir müssen aufhören“, schließt Q, „Migration als Problem zu bezeichnen und sie stattdessen als Überlebensstrategie anerkennen.“ Es ist wichtig, die offiziellen Narrative und Nachrichten über „Migration" nicht zu „konsumieren". Der Vortrag könnte nicht aktueller sein in einer Zeit, in denen etwa in Europa und den USA gleichzeitig (!) das individuelle Recht auf Asyl aufgehoben wird, und faschistische Verordnungen in beiden Kontinenten (im Europa dieser Tage aktiv auch von Deutschland vorangetrieben) auf Zäune, Gefängnisse, Folterzentren und gezieltes Sterbenlassen und töten setzen.6
Dabei werden die Fluchtursachen ununterbrochen vorangetrieben: Indigene Vertreter:innen der Tetlama aus einer Gemeinde 15 Minuten von Cuentepec entfernt berichten über das große bedrohliche Bergbauprojekt mit dem zynischen Namen „La Esperanza", dass ihre Gemeinde bedroht. Ihr Kampf gegen die Mine begann bereits 2013, mit der Schule, dem Gesundheitszentrum und auch der Kirche, sie veranstalteten Karawanen, Demonstrationen, Presserunden, etc. Das verantwortliche Unternehmen war früher Almaos Gold, dann Esperanza Silver und jetzt Zacatecas Silver, ein kanadisches Unternehmen. Die kanadischen Bergbauinteressen zerstören nicht nur ihre Gemeinde, viele der hier Versammelten sind von ihnen betroffen. Die Minen bringen nicht nur Wasserprobleme, sondern auch Krankheiten mit: Asthma, Krebs und Hauterkrankungen nehmen zu, vor allem bei Kindern. Dagegen arbeitet etwa J. an, der wenig später das Buch „Construyendo la salud" (Gesundheit aufbauen) vorstellt: Seit 28 Jahren arbeitet er in einem kommunalen Gesundheitszentrum und beschreibt heute die drei Säulen der dortigen Arbeit: Aufbauen von Gesundheitsversorgung, Vorgehen gegen Verletzung der Gesundheitsrechte und: Gesundheitserziehung. Dieses letzte Beispiel ist der Ursprung des Buchprojektes, das in den 1980er Jahren begann. Vor allem vertriebenen Gemeinschaften, wie jenen der Zoque oder der Bevölkerung des Vulkans Chichonal in Guatemala soll das Buch helfen, indem es klare und einfache Vorschläge für die Behandlung von Krankheiten auf vielen Sprachen vereinigt.
Überall werden diese alternativen Bildungsprojekte angegriffen: Da ist zum Beispiel eine Gruppe von Pädagog:innen aus Chiapas angereist, die sich aus 26 Regionen von der Küste bis zur Grenze zusammensetzt, die dort ausbilden, wo kaum Bildung ankommt, mit Schwerpunkten etwa auf „Territorium, Mutter Natur, Sprache(n), Gesellschaft und Geschichte der Welt sowie Weltwirtschaft“. „Die Kinder denken kritisch, damit wir keine geschlossenen Gesellschaften sind, sie arbeiten an wichtigen Inhalten, zum Beispiel in Bezug auf den Maya-Zug und dem Regenwald.“ Der Bildung folgen dann Aktionen, wie selbstorganisierte Demonstrationen. „Wir stützen uns auf das Buch von Paulo Freire über Erziehung als Akt der Befreiung“. Auch sie haben schon mit einem Mord für ihr Projekt bezahlen müssen – doch es trägt Früchte: Gleich im Anschluss an die Präsentation fragen viele Genoss:innen aus anderen Gemeinden nach den Lehrinhalten.
In anderen Sälen diskutieren compas aus Kolumbien, Venezuela und Ecuador ganz ähnliche Probleme. „Wir kämpfen seit 20 Jahren gegen Minenprojekte, Massaker durch Paramilitärs, Militarisierung und Enteignung“, denunzieren die Ersten. „Gerade mit den Kindern zeichnen und malen wir viel, spielen wir viel, um damit umzugehen.“ Von zunehmender Gewalt gegen Migrant*innen berichten die Zweiten, und mit ihrem Konzept des „Buen Vivir“ stellen die Dritten ihre Widerstandsform gegen dieses zerstörerische System vor. Aus El Salvador erschallen Rufe gegen Xenophobie, Diskriminierung und die Megaprojekte bis nach Chiapas: „Seit Jahren leugnet der salvadorianische Staat die Anwesenheit der indigenen Bevölkerung. Aufgrund der Unzufriedenheit mit der Anwendung neoliberaler Maßnahmen taucht nun die Figur des Präsidenten Bukele auf, der sich die Bestrebungen der verarmten Bevölkerung zu eigen macht. Während seiner Regierungszeit wurde ein Gesetz verabschiedet, das an die Reform von 1981 anknüpft (mit der der gesellschaftliche Landbesitz abgeschafft wurde) und dem Staat die Möglichkeit gibt, über Land zu verfügen, das er als ungenutzt ansieht. In diesem Zusammenhang wurden mehrere Megaprojekte angekündigt. Eines der Vorzeigeprojekte ist ein Mega-Gefängnis, das sich über 500 Blocks auf ehemaligem indigenen und bäuerlichen Land für 24.000 Menschen erstreckt. Die Kriminalisierung und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern im Osten und Westen des Landes ist ein großer Rückschritt für unser Land. El Salvador wird zu einem großen logistischen Korridor. Darüber hinaus werden die Bitcoin-Stadt und die Sonderwirtschaftszone im Osten des Landes gefördert. Der Meeresküstenstreifen wird mit dem interozeanischen Korridor verbunden, und es wird ein Eisenbahnnetz gebaut, das den Osten, den Westen und den Flughafen miteinander verbindet, mit den damit verbundenen Umweltzerstörungen und der Vertreibung der Bevölkerung. Eine Familie zahlt 112 Dollar im Jahr für ihren Wasserverbrauch, während die riesigen Zuckerrohranlagen 120 Dollar zahlen. Angesichts dieser Situation wurde die Indigene Bewegung zur Integration der Kämpfe (MILPA) gegründet, die sich für die Verteidigung des Territoriums, den Schutz und die Erhaltung der Gemeingüter sowie deren Umverteilung einsetzt, da es in El Salvador kein gesellschaftliches Eigentum an Land [mehr] gibt.“
Der „interozeanische Korridor“. Wie ein dunkler Nebel wabert er über vielen Arbeitstischen des heutigen Tages: M.A. aus der Organisation Maderas del Pueblo ist seit 1997 Teil des Lichts gegen diesen Schatten: „Vor 26 Jahren hielten wir unsere erste Versammlung ‚Der Isthmus gehört uns‘ ab.“ Der Vorschlag der Industrieprojekte und des Korridors in diesem Gebiet ist nicht neu, „[…] doch unter AMLO nimmt es neue Dimensionen an: Er weitet ihn [den Korridor] auf Tabasco (Paraíso und Dos Bocas), Veracruz (Tuxtlas) und Chiapas (Zona Zoque, Fracking) aus. Betroffen sind 98 Gemeinden, 13 indigene- und afroindigene Völker, die in Gebieten mit hoher biologischer Vielfalt leben.“
Ähnlich sieht es im Territorium des Maya-Zuges aus, der mit diesem Korridor direkt verbunden ist, bekräftigt R.P. von der Organisation „Articulación Yucatán“: Ganze Territorien werden in Form von Industrieparks an ausländische Unternehmen „verschenkt“, mal nach China, mal nach Europa, mal in die USA.
Auch Bilder sprechen heute: Die Dokumentarfilme „Polinizadorxs, resistencia en la península de Yucatán" erzählt vom Widerstand gegen den Maya-Zug, „Mayapolis“ ist ein Zeugnis von dem, was dieser Zug mit sich bringt: Ungerechte Urbanisierung und die Zunahme großer Tourismuszentren auf Kosten der ursprünglichen Bevölkerung. Auch „Remedios Mexico“ präsentiert Filme, etwa solche über die Verteidigung des Wassers. Andere Kollektive stellen Broschüren wie das „K`uxaelan Magazin“ vor.
Die Bienen ziehen von Stock zu Stock: Von der „Lucha Sur Sur“ berichten compas aus Costa Rica, von den Problemen des Bergbaus und der Verteidigung des Territoriums hört man mutige Stimmen aus Chile:
„In Chile kann Wasser verkauft, gekauft und sogar auf Lebenszeit verpfändet werden. Das alles basiert auf den ersten Jahren der Militärdiktatur von Pinochet,“ beginnt F, die in einer Gemeinde lebt, in der 80% der Wasserrechte einer sogenannten „Wassergesellschaft“ gehören: „Das [worunter wir leiden] ist keine Dürre, das ist Plünderung. Die Privatisierung des Wassers ist die Ursache für die Dürre in den unseren Territorien. Ganz Abya Yala ist von dieser Privatisierung bedroht. Wir sind das Beispiel des Grauens für das, was nicht getan werden sollte.“ Und da sind mehr Probleme: Bergbau und Agrarindustrie etwa – beides nimmt unter der „fortschrittlichen“ Regierung weiter zu: „Sie nimmt jedes Freihandelsabkommen an, und wie jede extraaktivistische Logik wird dieser Prozess von einer enormen Militarisierung begleitet.“ Diese hat folgen: Wir erinnern an Macarena Valdés Muñoz: Ermordet. Mapuche. Auch für die Monokulturen werden Menschen in Chile verfolgt, missbraucht und ermordet. „Das hängt alles mit der Armee zusammen, die immer mehr Rechte erhält. Mit ihr kommt sexuelle politische Gewalt, in Form etwa von Vergewaltigungen.“ „Und dann bieten sie noch falsche Lösungen für die selbst produzierten Probleme an: Windparks, grüner Wasserstoff, Lithium. Dafür zerstören sie Gewässer, Mapuche-Gebiete ... und dann sagen sie: ‚Das ist die Transformation, der Übergang-‘ Für wen?“
Wir haben es auf der Karawane in El Bosque gesehen, dem vom Ozean verschluckten Fischerdorf: „Hat uns das Meer oder der Fortschritt verschluckt?“, fragen sie dort – „Wir sind nicht schuld an der Klimakrise. Im Gegenteil, wir sind diejenigen, die sie mit unseren alternativen Praktiken7 abkühlen“, antwortet man hier.
Mit dem CIDECI fühlen sich die chilenischen compas aufgrund ihres eigenen Bildungsprojekts besonders verbunden: „In unserer Schule hinterfragen wir die Achsen der Macht: den Kolonialismus in den Gebieten, das Patriarchat in den Gemeinden, die Klassenachse. Wir stellen die traditionelle Schule in Frage, die das Wissen und die Erinnerungen verletzt hat. Wir sind selbstverwaltet und suchen nicht nach staatlichen Mitteln. Das haben wir von den zapatistischen Genossen gelernt. Es ist ein befreiender Prozess.“ Eindeutige Forderungen wurden nicht nur in dieser Bildungseinrichtung herausgearbeitet:
Die Anerkennung von Wasser als Menschenrecht und die Anerkennung von Wasser als Rechtssubjekt
Den Schutz der Wasservorkommen
Die Wiederherstellung von Ökosystemen
Die Aufhebung des Wassergesetzes aus der Zeit Pinochets
Gemeinschaftliche Wassernutzung und -bewirtschaftung in einem plurinationalen Prozess
Unternehmen bedrohen das Wasser nicht nur außerhalb der eigenen Landesgrenzen, die sie immer frei passieren können, anders als die Menschen. Dies wird schnell ersichtlich, lauscht man den Stimmen eines anderen Raumes an diesem Nachmittag, jenen, die die Geschichten von Wasserschützern des Lakota-Volkes erzählen: „Die Dakota Access Ölpipeline ist eine Pipeline, die Kanada mit dem gesamten Dakota-Gebiet verbindet und wichtige Naturgebiete durchquert. Und bei uns besteht eine enge Verbindung zwischen den Menschen und der Natur. Ein Beispiel dafür ist, dass wir einen Ort als heiligen Stein bezeichneten, den der Staat Kanonenkugel nannte, was zeigt, wie unterschiedlich wir die Welt sehen.“ Diese Pipeline wird durch indigene Gebiete errichtet, in denen bereits einer der größten Völkermorde stattfand. „Die Genos*innen beschlossen aber, das Gebiet mit Liebe zu verteidigen, sie riefen zu einem internationalen Protest auf, an dem sich 10.000 Menschen beteiligten.“ Doch die Antwort ist brutale Unterdrückung durch den Staat. „Trotz der Widerstandsbewegung hat die Regierung das Projekt durchgesetzt.“
Auch in Frankreich wächst Protest und Repression im Kampf um das Wasser. Die Genoss:innen aus Mexiko fühlen sich mit ihnen verbunden, und sie erreicht heute auch ein Brief aus Paris:
„Im vergangenen März haben sich im Rahmen der weltweiten Mobilisierungen zur Verteidigung des Wassers viele Menschen und Kollektive mobilisiert, um diese lebenswichtige Flüssigkeit gegen die Plünderung und Ausbeutung durch das kapitalistische System zu verteidigen. Auf den Aufruf der Zweiten Nationalen Versammlung für Wasser und Leben in Mexiko hin und in Solidarität mit dem Kampf der vereinigten Völker der Region Choluteca gegen das französische Unternehmen Danone haben wir in der Region Paris Gespräche, ein Unterstützungskonzert, eine Aktion zur Anprangerung des internationalen Forschungszentrums von Danone auf dem Campus der Pariser Universität Saciay und eine Protestaktion vor dem Hauptsitz des Unternehmens in Paris organisiert. Zwei Jahre nach der Blockade der Danone/Bonafont-Anlagen in Puebla feiern wir mit euch die Schließung des Wasserentnahmebrunnens in Santa Maria Zacatepec und fordern, dass Danone die Region und ganz Mexiko für immer verlässt! Obwohl die schlechten Regierungen dies unterdrückt haben, bewundern wir die Entscheidung der Menschen in der Region Cholulteca, die Danone/Bonafont-Anlagen zu enteignen und sie zum Altpet/mecalli oder ‚Haus des Volkes‘ umzuwandeln, sehr. Wisst, dass wir bei der Verteidigung eurer Gewässer gegen Danone auf eurer Seite sind. Wir prangern auch die korrupte staatliche Wasserkommission Mexikos an, die die Brunnen der Gemeinden privatisieren will, wie in Santiago Mexquititlan, und die nicht aufhört, die wahren Verteidiger des Wassers zu kriminalisieren, wie Miguel López Vega, Ratsmitglied des Nationalen Indigenen Kongresses. Wie Sie vielleicht wissen, haben in Frankreich am 25. und 26. März Zehntausende von Menschen in Sainte-Soline, im Westen des Landes, gegen den Bau von Megastaudämmen mobilisiert, die die Grundwasserleiter austrocknen und das Wasser zugunsten der Agrarindustrie privatisieren werden, um Mais für den Export von Tiernahrung zu produzieren.8 Die Repression gegen die Demonstranten war enorm, mit Hunderten von Verletzten, zwei Menschen, die mehrere Wochen lang zwischen Leben und Tod schwebten,9 und der Ankündigung der Regierung, weitere Repressionen gegen alle ‚Zonen der Verteidigung‘ der Umweltschützer und eine der Organisationen, die an diesen Tagen zur Mobilisierung aufgerufen hatten (die ‚Landaufstände‘), durchzuführen. Daher rufen wir Sie auf, sich gegen diese Repression von Ihrem jeweiligen Standort aus zu solidarisieren, so wie wir versuchen, uns mit Ihren Kämpfen zu solidarisieren. Von Paris aus verbreiten wir auch die Nachricht und zeigen unsere Solidarität mit allen Widerständen, die in Frankreich gegen Danone und die multinationalen Konzerne stattfinden, die das Wasser privatisieren, uns enteignen und uns unter Bergen von Plastik verseuchen. In Murat, im Südwesten des Landes, wurde im vergangenen März ein Sieg errungen und die Entnahme von Wasser aus den Grundwasserleitern durch Danone und seine Tochtergesellschaft Salvetat verhindert. In Volvic wird das Unternehmen, das dort eine seiner größten Fabriken hat und täglich Hunderttausende von Plastikflaschen herstellt, weiterhin angeprangert. Im Dorf Vittel (im Nordosten des Landes), das von Nestle Waters ausgeplündert wird, prangern wir diese Ungerechtigkeit ebenfalls weiterhin an. Wir wollen auch die Kämpfe unserer Genossen der Pariser Koordination der Papierlosen zur Verteidigung des Flusses Faleme zwischen Mali und Senegal verbreiten, der durch Zyanid und Quecksilber, die für den Goldabbau verwendet werden, völlig verschmutzt ist. Während ihre Ländereien und Dörfer in allgemeinem Schweigen zerstört werden, beutet die französische Regierung weiterhin undokumentierte Migranten in unseren Vierteln mit völligem Zynismus aus und schikaniert sie. Wir wollen auch die wichtigen Kämpfe auf den Karibikinseln Martinique und Guadeloupe bekannt machen, um die französische Regierung und die großen kolonialistischen Unternehmer, wie den französischen Milliardär Hayot, anzuprangern, die das gesamte Wasser, den Boden und die Meeresküsten der Inseln mit giftigen Pestiziden wie Chlordecon (Kepone) verseucht haben, das auf den Bananenfeldern eingesetzt wurde. Heute, da Hunderttausende von Einwohnern von einer der weltweit höchsten Raten an Prostata- und Gebärmutterkrebs betroffen sind und es vielerorts unmöglich ist, zu pflanzen oder zu fischen, so dass die Bevölkerung gezwungen ist, Produkte aus dem Supermarkt zu konsumieren, verhindern die Justiz und die französische Regierung, dass die Schuldigen vor Gericht gestellt werden, und bekräftigen damit ihre Kolonial- und Ausrottungspolitik. Neben den Kämpfen zur Verteidigung des Wassers in Frankreich sind wir seit einigen Monaten auch in eine große Protestbewegung gegen eine Rentenreform eingetaucht, die darauf abzielt, die Arbeitnehmer zu zwingen, zum Nutzen des Großkapitals und des Staates zwei Jahre länger zu arbeiten. Diese Mobilisierung mit gigantischen Demonstrationen, Streikposten und Blockaden im ganzen Land hat den unpopulären Charakter der Regierung und das allgemeine Bewusstsein für ihre Unterwürfigkeit gegenüber den Interessen der Reichen und des Kapitals offenbart. Tag für Tag sehen wir, wie das Kapital immer gefräßiger und gewalttätiger wird und wie die zufälligen Regierungen ihre imperialistische, autoritäre und rückschrittliche Politik reaktivieren. Dies ist der Fall in Mayotte, einem von Frankreich kolonisierten Gebiet im Indischen Ozean, wo der Staat derzeit mit der Polizeiaktion Wuambushu große Gewalt gegen Menschen ‚ohne Papiere‘, Bewohner dieses Gebiets, ausübt, unter dem Vorwand, die Probleme der Armut und Unsicherheit zu lösen. Diese koloniale Gewalt nimmt auch die Form von zerstörerischen Megaprojekten an, wie wir in einem anderen von Frankreich kolonisierten Gebiet, in Guyana (Südamerika), sehen, wo immer mehr Bergbau- und Energieprojekte durchgesetzt werden. Wir denken dabei insbesondere an die Bevölkerung von Prosperité, die gegen ein Photovoltaik- und Wasserstoff-Megaprojekt kämpft, das zu massiver Abholzung und Zerstörung des Gebiets führen wird.10
Nieder mit den Regierungen des Todes mit ihren neoliberalen Reformen, ihren zerstörerischen Megaprojekten und ihrer repressiven militarisierten Polizei! Es leben die Völker im Kampf! Es lebt die Karawane des Südens im Widerstand! Es lebt der Kampf um Leben, Land und Wasser! Eine andere Welt ist möglich!“11
Immer mit dem Wasser in Verbindung wurzeln die Wälder: Seit Jahren werden sie unter anderem vom Regionale Kollektiv zur Verteidigung der Wälder und des Territoriums in der Sierra Norte de Puebla beschützt: 19 organisierte Ejidos kämpfen gegen giftigen Bergbau und Abholzung. Sie wollen in einer der produktivsten Holzregionen des Landes ein besseres Ökosystem für künftige Generationen hinterlassen – das ist nicht einfach: „Auf magische Weise fangen die Wälder Feuer". Dann tauchen auf den gerodeten Flächen Minen auf, und „große Maschinen suchen nach Nickel.“ Außerdem bedrohen die Narcos die Gemeinden, die vor allem im Norden des Landes verstärkt in die Holzwirtschaft investieren.12 Mit dem Verlust der Territorien geht auch der Verlust von Sprachen und Kunst einher, berichtet E.B. aus der nordöstlichen Sierra: „Viele Götter sterben.“
Und so viele Göttinnen: In einer anderen Sala werden die Femizide Mexikos verurteilt: Durch ihre compas spricht die Schwester von Guadalupe Bastida Reyes, die am 21. November 2021 von drei Männern entführt wurde, die ihr das Leben nahmen. Sie war 38 Jahre alt. Die Familie wartet auf Gerechtigkeit, doch stattdessen werden sie von Freunden der Täter bedroht und schikaniert. „Die Behörden sagen, das sei ganz normal.“ Es spricht die Mutter von Wendy Jocelyn, sie war 16 Jahre alt. „Am 20. März 2021 geht sie mit ihrem Freund aus, er kommt ohne sie zurück.“ „Er hat mehr Rechte als die Opfer, die von den Behörden ständig schikaniert und schlecht behandelt werden.“ Es spricht die Mutter von Fatima Varinia Quintana, einem 12-jährigen Opfer eines Femizids im Jahr 2015. Die Zitate der Mütter sind gerade zu traurig, um sie hier in nur abgedruckten Worten wiederzugeben. Doch entschlossen wird zu einem gemeinsamen Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt aufgerufen. Und die Angehörigen betonen: Ihrer sei kein Einzelfall. Tausende von Familien müssen dies durchmachen: „Wir müssen uns gegenseitig schützen, wenn es weiter jeden Tag 13 Frauenmorde [in Mexiko] gibt.“
Trotz so viel Tod so viel Leben: Ein paar Schritte weiter berichten Hebammen über ihre autonome Arbeit in den Gemeinden: „Es ist ein Menschenrecht, eine würdige Gesundheit zu haben. Wir haben in Workshops und Vorträgen über Gesundheit als Recht gearbeitet, wir haben Foren veranstaltet. […] Der Kapitalismus versucht nun, zu verhindern, wofür wir auf der Linken Seite gekämpft haben [das Autonome ihres Gesundheitswesens]. Sie wollen uns zurück ins staatliche Gesundheitsprogramm zwingen, dass sehr schlecht ist.“ Beziehungsweise: Es hat die compas immer im Stich gelassen: „In den Gemeinden ist die Situation sehr schlecht,“ bestätigen D.L. und O.P., Sprecherinnen der Hebammenbewegung Nich Ixim Chiapas bei Comitán. Ihre Bewegung ist 7 Jahre alt. Damals stellten sie fest, dass Hebammen aus verschiedenen Gemeinden gemeinsame Probleme haben. Jetzt bilden sie eine gemeinsame Organisation, in der 35 Gemeinden vertreten sind. Sie sprechen Tsotsil, Tzeltal, Tojolabal und Spanisch. Seit 2017 wuchsen sie auf 600 Hebammen an. Doch auch ihnen fehlt die Jugend: „Die Töchter der Hebammen studieren Krankenpflege. Sie haben die Gewalt der Gesundheitseinrichtungen gegen das Hebammenwesen, die Diskriminierung [gegen uns indigene Hebammen] gesehen.“ Entsprechend richtet sich ihr Kampf gegen den offiziellen Gesundheitssektor – mit eindeutigen Forderungen:
Die Verteidigung und die Würde des Hebammenwesens.
Die freie Ausübung der Hebammentätigkeit.
Anerkennung der Entscheidung, wo und bei wem Frauen gebären wollen.
Anerkennung des Hebammenwissens.
Zugang zu hochwertigen Gesundheitsdiensten in unseren Gemeinschaften.
„Wir töten nicht, wir kümmern uns, wir haben Geduld. Wir Hebammen haben die Gabe, dass wir wissen, dass ein Leben entsteht. Nicht ein einziges Baby ist in unseren Händen gestorben. Wir sind das Licht, das sich kümmert.“ Und doch werden die indigenen Hebammen weiterhin rassistisch schikaniert und bedroht: Aufgrund ihrer Kleidung, aufgrund ihrer Sprache, die sie gegen Spanisch eintauschen müssen.
All die heute Versammelten erhalten dieselbe Antwort auf ihre theoretischen und praktischen Fragen, mit denen sie voranschreiten: Repression. In einem der Räume wird über politische Gefangene informiert: Da ist Fidencio Aldama vom indigenen Volk der Yaqui, ein Gemeindewächter und Gegner der sie bedrohenden Gaspipeline. Ohne Übersetzung in seine Sprache wurde der Vater zweier Kinder für einen Mord verurteilt, den er nicht begangen hat. Im Gefängnis lernt er nun lesen, schreiben, englisch – und kämpft weiter. Da ist Miguel Peralta vom Volk der Mazatec. Er wurde lange kriminalisiert, auch von Politiker*innen der Morena-Partei [derjenigen des mexikanischen Präsidenten AMLO]. Er wurde 2015 verhaftet und saß bis 2019 im Gefängnis. Jetzt wurde seine Freilassung angezweifelt, und im droht ein halbes Jahrhundert Freiheitsentzug. Da sind Karla und Magda: Die Genoss:innen aus der Hausbesetzung „Casa Cuba“ in Mexiko-Stadt saßen nach der gewaltsamen Räumung durch 300 Polizisten lange in Isolationshaft – vor einer Woche erreichten wir ihre Freilassung, doch auch ihnen droht die erneute Inhaftierung. Und da ist Roberto López, der hier in San Cristobal verhaftet wurde.
In den USA soll ein ganzer Wald einem Ausbrütungszentrum dieser Repression weichen: S und R aus der Besetzung „Stop Cop City“ in Atlanta berichten: „Der größte städtische Wald in den USA, Weelaunee, ist durch zwei Projekte bedroht. Der Bau eines Filmstudios (noch größer als Hollywood) und ‚Cop City‘, das größte Ausbildungszentrum für Polizisten in den USA. Das Volk der ursprünglichen Muscogee wurde hier 1820 gewaltsam vertrieben und versklavt. Das Land wurde zu einem Gefängnis und dann zu Zwangsarbeiterfarmen. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde es zu einem jungen Wald. Ein Teil dieses Waldes wurde zu einem Park, einem Zufluchtsort für einen bestimmten Teil der Bevölkerung, da Atlanta hauptsächlich von Schwarzen* bevölkert ist. In Atlanta wurde als Reaktion auf die Befreiungs- und Bürgerrechtsbewegungen von 1960–1970 eine Regierungsform geschaffen, die unter der Leitung der weißen herrschenden Klasse arbeitet, die schwarze Mittelschichtler ernennt, um so zu tun, als gäbe es eine Vertretung der Farbigen. Die Regierung macht durchgängig Geschäfte mit Unternehmen, um die Gentrifizierung voranzutreiben und Schwarze* zu verdrängen. Durch die Ermordung von George Floyd wurden viele Bewegungen ausgelöst, und nach 2020 haben viele Polizisten gekündigt – d.h. in Atlanta gab es einen Mangel an Polizisten. So wurde der Plan der ‚Cop-City‘ entwickelt.“ Die Gewalt, mit der der Staat auf die wachsenden Proteste gegen das „Ausbildungszentrum“ (ein 100 Millionen Dollar Projekt auf mehreren Hektar mit Schießanlagen zur Übung der Aufstandsbekämpfung) der Polizei reagiert, hat in den letzten Jahren zugenommen. So hat beispielsweise ein Polizist einen 26-jährigen indigenen Anarchisten, „tortuguita", erschossen. Der 18-Jährige wurde mit 57 Schüssen regelrecht hingerichtet, doch statt Verurteilungen der Täter folgt eine noch stärkere Kriminalisierung der Bewegung: „Wir werden des Inlandsterrorismus bezichtigt, die Polizei verhaftet Menschen wegen Verbrechen, die sie nicht beweisen können. Es sind viele Menschen inhaftiert, 40 Personen.“ Dem Terrorismus-Narrativ folgt dessen praktische Anwendung: compas, die Flyer verteilten, um auf den Mord an tortuguita hinzuweisen, drohen in den USA nun bis zu 20 Jahre Gefängnis. Auch die compas aus Guerrero stellen heute in kaum ertragbarer Ausführlichkeit ihre Dokumentation erlittener Repressionen dar: Als Teil der CIPOG-EZ stellt die Beobachtungsmission von 24 Gemeinden in den Bergen von Guerrero, die von kriminellen Gruppen belagert werden, ihren informe vor.
Das alles war nur eine Auswahl der der Lichter, die noch in den Sälen leuchten, als die Sonne langsam untergeht: Da ist außerdem die Kooperative Xju' ku' untik aus San Cristobal de las Casas, welche die Integration von Menschen mit Behinderungen13 in die politischen Kollektive des Bundesstaates antreibt, Musiktherapie anbietet und biologische Hühnerzucht betreibt. Da ist das Kollektiv Kaltsilaltik AC zu gemeinnütziger Wirtschaft und gemeinschaftlichem Feminismus. Da ist die indigene Jugend Guyanas aus Amazonien, die gegen das Megaprojekt (CEOG) eines französischen Unternehmens kämpft. Da sind die jungen compas des Netzwerks „Futuros Indigenas“ und „Milpamérica“. Da ist das Netzwerk für Kinder und Jugendliche REDIAS, eine Organisation, die sich mit Problemen wie sexuellem Missbrauch und Drogenhandel auseinandersetzt. Da ist das Rebellions- und Widerstandsnetzwerk Ajmaq, dass sich für politische Gefangene einsetzt. Da ist das Netzwerk der Antikapitalistischen Universität (RUA). Da sind solidarische Anwälte und Grafittikünstler*innen aus Mexiko Stadt. Da ist das Netzwerk La Red de Resistencia y Rebeldia en apoyo al CNI Tina Montes Madregal – und da sind die Genoss:innen vom Campamento Tierra y Libertad de Ucizoni, welches nach dem Besuch der Karawane vom Militär zerstört – und am Folgetag wieder aufgebaut wurde.
Als es bereits dunkel ist, endet der Tag in Geschichten über kleine Ameisen und große Ozeane: Im großen Auditorium wird der Film ‚La montaña‘ gezeigt: Es ist der Name eines klapprigen, an einigen Stellen leicht rostigen Segelbootes, welches den Ozean Richtung spanische Küste überquert. An Bord: Das Geschwader 4-2-1 der EZLN. Es ist die Dokumentation einer unwahrscheinlichen Reise: Genau 500 Jahre nach ihrer vermeintlichen „Eroberung“ gehen die Indigenen Mexikos dort vor Anker, wo einst Christoph Columbus seine Segel setzte. Freilich mit einer anderen Intention: „Wir werden nicht plündern, wir werden säen“. Die anschließende „Gira por la Vida“ durch den Kontinent vernetzte viele Widerstände miteinander, die heute auf der anderen Seite, im CIDECI, erneut zusammenkommen.
Tag 2: „Und ich ermutige euch“
„Ich möchte euch also sagen, dass ihr euch nicht entmutigen lassen sollt, dass es möglich ist, eine andere Welt aufzubauen, und dass die Tatsache, dass wir heute alle hier sind, ein klares Beispiel dafür ist. Inmitten von so viel Chaos, so viel Rauch, so viel Feuer, so viel Unrat, den das System in unsere Gemeinschaften wirft, können wir trotzdem weiterhin Widerstand leisten. Und das ist nicht einfach, so wie die Bäume umfallen. Aber wir müssen uns daran erinnern, dass aus den toten Bäumen Leben entsteht, dass in den trockenen Stämmen die Kokons sind, die Würmer, die Käfer, und dass dort, wo alles zu sterben scheint alles lebt. Es wird immer entschlossene Menschen geben, junge Menschen, mit dem Wunsch, ihr Schicksal und eine bessere Welt für alle zu suchen, und mit dem Wunsch, die Stimme derer zu sein, die nicht sprechen können, und mit dem Wunsch, für diejenigen zu kämpfen, die sich nicht selbst verteidigen können. Ich möchte euch also sagen, dass wir uns nicht entmutigen lassen sollten, dass ihr stark sein solltet und ich möchte euch sagen: Es lebe der Widerstand, es lebe der Süden, und ich ermutige euch.“
Es sind die letzten Worte des Encuentros, es sind die Worte des 22-jährigen C aus O, des Jungen, der gerne Musik macht und Gedichte vorliest, des Jungen, der viel Gewalt erlebt hat und den lokalen Widerstand seiner Gemeinde mit aufbaut. Die Ermutigung trifft auf eine Versammlung, die im Abschlussplenum des Encuentros hunderte Vorschläge zum gemeinsamen Vorgehen gegen die Megaprojekte verabschiedet hat.
Erarbeitet wurden sie am zweiten Tag des Encuentro Internacional: Zwölf Gruppen versammelten sich in den Salas, in denen sie gestern ihre Erfahrungen miteinander teilten. Heute wird daran angeknüpft: „Was geschieht in meinem Gebiet? Was sind die aktuellen Kämpfe? Wer sind die Verantwortlichen? Wer sind unsere gemeinsamen Feinde? Welche Artikulationsprozesse und Allianzen haben wir und sollten wir aufbauen? Was sind meine Kampf- und Widerstandsstrategien? Welche kann ich vorschlagen und teilen? Welche gemeinsamen Aktionen können wir auf globaler Ebene in koordinierter Weise durchführen?“
Zahlreiche Delegierte verschiedenster Regionen tauschten sich zu diesen Fragen aus – und es gab neben vielen gemeinsamen Feinden (Regierungen verschiedener Ebenen in verschiedenen Ländern, transnationalen, oft konkret benannten und genau recherchierten Unternehmen, den Reichen, den Repressionsorganen auf verschiedenen Ebenen [Polizei, Militär, Paramilitär, Organisierte Kriminalität, korrupte und rassistische Justizsysteme]) und Problemen (sie reichen von Militärbasen zu Avocado-Monokulturen, von Megaprojekten in Venedig14 zu solchen in Ococingo, unbezahlten Lehrkräften und von der Mafia abgeworbene Jugendlichen, Waldbränden und Holzraub, Luft- und Wasserraub auf vier Kontinenten) auch viele Erfolge, die gefeiert werden konnten: Gestoppte Großprojekte bei Tuxtla, die Besetzungen der Wasserfirmen in Puebla, die Besetzung des INPI in Reaktion auf den Mord an Samir Flores, das Aufhalten von PEMEX in Süd-Veracruz, neue Versammlungen und Kollektive an der Küste von Chiapas und im Widerstand gegen den Tren „Maya“ auf der Yucatán-Halbinsel, die kleine Nahuatl-Sprachschule von Zacatepec, um die Sprache zu retten, die gemeinsame Erklärung gegen die Megaprojekte von 13 Gemeinden der Chol und Tzetal in der Region um Candeleria (die nun durch eine Räumung bedroht sind), die zunehmenden Zusammenschlüsse von Frauen, und die Zunahme von Frauen- und Anderen*-Kollektiven, Rückgewinnung von Ländereien durch rechtliche Prozesse, Enteignungen und Besetzungen, der Zusammenschluss von Jugend- und Studentenbewegungen in Oaxaca, die erste trans-inklusive Demonstration in Veracruz, die Erhaltung von Gemeindeland und der Widerstand von Puente Madera, das kollektive Verweigern von Zahlungen der überteuerten Stromtarife, die gebildeten Selbstverteidigungseinheiten, die aufgebauten Bildungs- und Gesundheitszentren (in einer Zeit, in der die Krankenhäuser wahnsinnigerweise als profitorientierte Akteure miteinander konkurrieren), den Anbau eigener Lebensmittel und die Produktion eigener Medizin, den Austausch von Saatgut und Wissen oder Festivales de resistencia. Mut weckt die Vernetzung der Jugendlichen, die sich gegenseitig unterstützen, um an Versammlungen wie diesem internationalen Treffen teilnehmen zu können, in diesem Fall junge compas aus Chile, Argentinien, Mexiko, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Kolumbien, Guatemala und Kurdistan (u.a.). Und diese Erfolge erstrecken sich vom Land bis in die Stadt, wo Besetzungen und Nachbarschaftsprojekte gegen die Gentrifizierung und Polizeigewalt entstehen, sie erstrecken sich über mehrere Kontinente: Wir freuen uns über erfolgreiche Baumbesetzungen in Kalifornien, erfolgreichen Widerstand gegen Minen in Bolivien und Kreuzfahrtschiffe in Italien, wir schöpfen Hoffnung aus aufgebauten autonomen Schulen überall in der Welt, aus Einzelpersonen, die zu Kollektiven wurden, aus Kollektiven, die zu globalen Netzwerken wurden.
Die Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird aufgehoben und das kasernierende Einteilen in Epochen abgelehnt: Die Massaker an den Acetal in Chiapas sind heute genauso präsent wie die Morde in Oaxaca in der Zeit der Barrikaden (2006). Verbindungen zwischen Kämpfen werden gefunden, etwa zwischen dem Protest gegen den Schnellzug bei Turin und dem Tren „Maya“, gemeinsame Forderungen nach Gerechtigkeit finden einzigartige Formen der Artikulation: Einmal mehr wird etwa das Unternehmen Deutsche Bahn für die Beteiligung an zwei Genoziden (jenem an den Roma und jenem am Volk der Maya) verurteilt. Vom Roma-Festival Hederlezi in Berlin-Neukölln erreicht eine entsprechende Video-Grußbotschaft das Encuentro. Auch ein weiterer Brief des eingesperrten zapatistischen compas Miguel, den er aus seiner Zelle an die Teilnehmer:innen des Encuentros geschrieben hat, wird verlesen.
Zwei Narrativwechsel werden gefordert: Die „progressiven Regierungen“ sind nicht „progressiv“, und die „grünen“ Unternehmen nicht „grün“. Hier wird gestern, heute und morgen deutlich, dass E-Mobilität Vertreibung und Ausbeutung, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen bedeutet, für Lithium- und Nickelabbau etwa in Chile, Argentinien oder Portugal, hier wird deutlich, dass die „grünen“ Batterien Kobalt aus Sklavenarbeit im Kongo benötigen, hier wird deutlich, dass der vorgeschlagene „Naturschutz“ von oben nur dazu dient, militarisierte „Festungszonen“ ohne indigene Bevölkerungen zu schaffen.
Die Bienen haben sich heute zusammengeschlossen, um Antworten auf diese alten Angriffe zu finden, die im Gewand neuer Diskurse voranschreiten: Eine grüne Partei in Deutschland, die Lützerath räumt, eine linke Regierung in Mexiko, welche den Süden militarisiert, eine linke Regierung in Chile, welche Krieg gegen die Mapuche führt. Die Bienen kehren nun in diese Gegenden zurück, um ihren Widerstand fortzusetzen. Doch bestäubt tragen sie Ideen mit sich, die über 900 Stimmen in zwei Tagen hier in den Bergen von Chiapas äußerten. Diese werden die Steine, Wiesen und Bäume des CIDECI nicht mehr verlassen. Wenn man genau hinhört, flüstert der Wind:
Gedanken über den Ursprung der Würde:
„Und wir bleiben wie immer mit dem Wunsch zurück, ein wenig mehr nachzudenken, mit dem Wunsch, viele Vereinbarungen zu treffen, wegen so viel Gewalt, die das Land durchmacht, wegen so viel Schmerz, aber auch mit einer Empörung, die Würde erzeugt. Das ist der Grund, warum wir Widerstand leisten und warum wir zusammenkommen, um uns gegenseitig zu begleiten, um Solidarität zu zeigen und um über unsere verschiedenen Formen des Widerstands zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen.“
Gedanken über Migration:
„Ich bin Anwalt in Griechenland, ein Verteidiger von Migranten und Flüchtlingen an den Grenzen. Die Europäische Union ist eine kolonialistische Institution. Ich möchte zwei Beispiele anführen: Menschen sterben an den Grenzen Europas. Sie können nicht passieren, weil es Seepolizisten gibt, die mit den Regierungen zusammenarbeiten. Gleichzeitig schickt die Europäische Union ihren Müll in die Herkunftsgebiete der Migranten. Das ist auch sehr kolonial. Europa ist nicht demokratisch, aber die griechische Regierung ist auch gegen die Demokratie. Sie alle verdienen mehr Geld an der Waffen- und Überwachungsindustrie. Der Krieg gegen Migranten und Flüchtlinge bedeutet eine Menge Geld für diejenigen an der Spitze. Das ist Profit durch Rassismus und Mord.“
„Es ist notwendig, Migration als eine Strategie des Kampfes und des Widerstandes durch die Diaspora zu sehen, der Kampf wird in allen Gebieten mobilisiert. Welche gemeinsamen Aktionen können wir uns vorstellen und koordinieren?“
Gedanken über Kapitalismus:
„Es wurde erwähnt, dass das Kapital einer expansiven Logik folgt, die dem Leben in den Gebieten den Krieg erklärt und die Freiheit des Marktes fördert, während die Freizügigkeit der Menschen verhindert wird, was sich in der Vielzahl von Megaprojekten und räuberischen Praktiken in verschiedenen Gebieten, Gewalt gegen Frauen und Migranten ausdrückt.“
Gedanken über Greenwashing:
„Der Kapitalismus ist der Hauptfeind. Im Fall von Lithium handelt es sich um grünen Kapitalismus, es wird dasselbe Abbausystem angewandt wie sonst auch: Kontamination, Wassermissbrauch und Beeinträchtigung der Gemeinden. Dies sind falsche Lösungen für den Klimawandel. Zum Greenwashing gehören auch die Zertifizierungssysteme für angeblich grünen, verantwortungsvollen oder nachhaltigen Bergbau, bei denen man für das entsprechende Zertifikat bezahlt“
Gedanken über Komplizenschaft:
„Überdenken wir unsere Komplizenschaft, für wen wir arbeiten, wie wir in das System verwickelt sind.“
Gedanken über Parteien:
„In der Isthmusregion haben wir festgestellt, dass es eine Menge Fehlinformationen über den interozeanischen Korridor gibt. Und das hat viel mit der Präsenz politischer Parteien zu tun, insbesondere der Morena. Beamte und Abgeordnete haben ein Interesse an dem Projekt, weil ihnen einige der beteiligten Unternehmen gehören. Sie haben es unmöglich gemacht, dass die Amparos (gerichtliche Beschwerden) weiterhin eingereicht werden können. Es findet eine Art Aufstandsbekämpfung gegen die Bevölkerung durch die Parteien statt.“
Gedanken über Bürokratie:
„Einer der großen Beiträge der EZLN ist die Weigerung, bürokratische Apparate zu schaffen. Die Ablehnung der Idee von Einheit, von Hegemonie ... Es gibt kein gemeinsames Projekt. Brücken bauen, aber keine hierarchischen Strukturen schaffen. Aufmerksam sein für die Kämpfe, die es gibt, und sehen, wie wir sie unterstützen können.“
Gedanken über compas, die heute nicht bei uns sein können:
„Wir haben versucht, uns mit Genossinnen und Genossen zu vernetzen, die im Anti-Gefängnis-Kampf aktiv sind. Wir arbeiten mit Anti-Gefängnis-Kollektiven zusammen. Wir glauben an die Verteidigung der Freiheit. Wir rufen zur Solidarität auf.“
„Ich komme aus Morelos. Ich habe Samir getroffen. Er gehörte der Volksfront von Morelos, Puebla und Tlaxcala an, die sich gegen eine Gaspipeline wendet, die Strom für ein Bergbauunternehmen erzeugt. Als Ureinwohner haben sie beschlossen, dass sie dieses Megaprojekt des Todes nicht akzeptieren werden. Dieser Widerstand hat mit Samirs Denken zu tun. Samir wollte mit den Kindern Bäume pflanzen. Samir war ein Lehrer. Sie haben ihn ermordet. Die Bevölkerung fordert, dass die Schule den Namen Samir Flores Soberanes trägt.“
Gedanken über Protest:
„Wir organisieren Demonstrationen, um die transnationalen Unternehmen anzuprangern, die die Umwelt zerstören, wir versuchen, das Bewusstsein der Menschen zu schärfen, wir versuchen, eine Gemeinschaft aufzubauen“
Gedanken über Autonomie:
„Wir müssen die Autonomie aufbauen. Wir müssen unsere eigenen Lebensmittel anbauen, damit wir nicht von den großen Fabriken abhängig sind, und auch die Heilpflanzen.“ „Ich bin Lehrer. Mein Bündnis ist mit den Kindern. Autonomie beginnt in den ersten Lebensjahren.“
Über Schwierigkeiten:
„Für einen Lehrer ist es schwer, sich zu organisieren, weil er sich Sorgen um sein Gehalt macht. Deshalb ist es für sie so schwer, sich zu organisieren. Wenn sie dich auf einem Marsch sehen, sehen sie auch mich und können mich feuern. Deshalb organisieren sie sich nicht. Ich urteile nicht. Aber Organisierung bedeutet, sich dem Kampf zu widmen.“
„Wir organisieren uns, indem wir die Mutter Erde bearbeiten. Von ihr bekommen wir genug zu essen. Aber diejenigen, die das nicht verstehen wollen, fahren mit ihrem Muster fort. Und wir haben Angst, dass man sie schickt, um uns zu töten. Das sie uns töten, weil wir für unsere Kinder kämpfen, und für die zertrampelten und gedemütigten Menschen. Es ist wichtig, dass wir ihre Bedürfnisse sehen, und es ist wichtig, dass wir keine Angst haben, zu kämpfen, egal was passiert.“
Über Sieg und Niederlage:
„Ich würde nichts als Sieg bezeichnen, sondern eher als Erfolg, denn es gibt auch keine Niederlagen, wenn wir hier weiter Widerstand leisten, nur Verluste.“
Ein anderer Abschluss
„Das Subjekt historischer Erkenntnis ist die kämpfende, unterdrückte Klasse selbst. Bei Marx tritt sie als die letzte geknechtete, als die rächende Klasse auf, die das Werk der Befreiung im Namen von Generationen Geschlagener zu Ende führt. Dieses Bewußtsein, das für kurze Zeit im ›Spartacus‹ noch einmal zur Geltung gekommen ist, war der Sozialdemokratie von jeher anstößig. Im Lauf von drei Jahrzehnten gelang es ihr, den Namen eines Blanqui fast auszulöschen, dessen Erzklang das vorige Jahrhundert erschüttert hat. Sie gefiel sich darin, der Arbeiterklasse die Rolle einer Erlöserin künftiger Generationen zuzuspielen. Sie durchschnitt ihr damit die Sehne der besten Kraft. Die Klasse verlernte in dieser Schule gleich sehr den Haß wie den Opferwillen. Denn beide nähren sich an dem Bild der geknechteten Vorfahren, nicht am Ideal der befreiten Enkel.“15
Die nicht-Geschlagenen verkünden beim Abschlussplenum mehr als 150 Vorschläge, auf die sie sich einigen konnten. Wir führen diese hier nicht aus, doch einer sei verraten: „Siebtens – dass wir uns auf zukünftige Treffen einigen.“ So sei es. Wir sind eine Armee der Träumer und deshalb sind wir unbesiegbar.16
Der Offiziellen Verkündung der angereisten compas aus Mittelamerika, die viele Megaprojekte vom Panama-Kanal, über den Nicaragua-Kanal bis zum „interozeanischen Korridor“ und viele weitere miteinander in Verbindung setzten, und der Offiziellen Verkündung der Resistencia Milpaamérica folgt die
Offizielle Verkündung der Karawane und des Encuentro International „El Sur Resiste“:
Erklärung des Internationalen Treffens: Der Süden widersteht –
„Globaler Kapitalismus der Konzerne, weltweites Patriarchat, Autonomien in Rebellion“
CIDECI-Unitierra/ Caracol Jacinto Canek
7. Mai 2023
An die Comandancia General des EZLN.
An den Congreso Nacional Indígena – CNI.
An den Indigenen Regierungsrat – CIG.
An die mexikoweiten und internationalen Organisationen, die kämpfen und widerstehen.
An die freien, alternativen, unabhängigen Medien – oder wie auch immer sie sich nennen mögen.
An die Pueblos Mexikos und der Welt.
Aus dem Herzen der Erde, wo die würdige Wut entstand, anwuchs und sich vervielfältigte, haben wir – die rebellischen Pueblos der Geographien des Süd-Südostens – die Pueblos Binnizá, Ayuuk, Nahua, Nuntajiyi (Nuntajuyi), Maya, Chol, Zoque, Tseltal, Tojolabal, Tsotsil und Mestizos, aufgerufen von verschiedenen hiesigen Organisationen und dem Congreso Nacional Indígena – die Karawane: ‚2023. Der Süden widersteht‘ umgesetzt. Wir haben dabei die Gebiete durchlaufen, welche von den miteinander verbundenen militärischen Mega-Projekten – dem falsch benannten Tren ‚Maya‘ und dem Interozeanischen Korridor – getroffen sind. Wir sind auf dem zapatistischen Gebiet des CIDECI-Unitierra/ Caracol Jacinto Canek in San Cristóbal de las Casas, Chiapas, angekommen, wo wir uns mit vielen anderen Pueblos und Organisationen der Pueblos originarios und urbanen Zonen des Süd-Südosten Mexikos und vielen anderen Regionen unserer Madre Tierra, der Mutter Erde, versammelten – um Schmerzen, Hoffnungen, Organisierungsstrategien miteinander zu teilen, um von den Kämpfen anderer Geographien zu lernen, und fortzufahren, solidarische Netzwerke weltweiter Rebellion und Widerstand zu weben.
Vom 25. April bis 4. Mai 2023 haben wir Teilnehmende an der Karawane ‚Der Süden widersteht‘ Comunidades und Pueblos von acht Bundesstaaten der mexikanischen Republik besucht. Beginnend mit der Comunidad, der Gemeinde El Progreso im Landkreis Pijijiapan, einem Aufenthalt in Tonalá, fuhren wir die Küste von Chiapas entlang und durchquerten den Isthmus, die Landenge von Tehuantepec; von der Binniza-Gemeinde im Widerstand, Puente Madera im Landkreis San Blas Atempa, kamen wir beim rebellischen Camp ‚Tierra y Libertad [Land und Freiheit]‘ im Ort der Aayuuk-Comunidad Mogoñe Viejo, Landkreis San Juan Guichicov vorbei. Beide Gemeinden liegen im Bundesstaat Oaxaca; und so erreichten wir die Nahua-Comunidad Oteapan im Süden von Veracruz. Von dort verlief unsere Rundreise in Richtung der Maya-Gebiete auf der Halbinsel Yucatán; wir durchquerten den Bundesstaat Tabacso mit Halt in Villahermosa und in der Küsten-Gemeinde El Bosque, welche vom Meer zerstört wird (ein Effekt der globalen Klimaerwärmung). Wir kamen nach Candelaria in Campeche und folgten der Route hin zur Gemeinde Zakí, heute Valladolid genannt, im Bundesstaat Yucatán und zur Gemeinde Noj Kaaj Santa Cruz, mit jetzigem Namen Felipe Carrillo Puerto, im Bundesstaat Quintano Roo. Über Xpujil kehrten wir erneut auf das Gebiet von Campeche zurück, um wieder nach Chiapas zu gelangen, wo wir uns mit den Pueblos Zoque, Chol, Tsotsil, Tojolabal und Tseltal trafen. In Palenque einen Halt einlegend durchquerten wir danach die Region der Altos [de Chiapas], um unser letztes Ziel zu erreichen: Jovel, heute San Cristóbal de las Casas genannt.
Während der gesamten Fahrt haben sich unsere Herzen, unser Fühlen und Denken dem Zuhören und Betrachten der vielfältigen Schmerzen und Zerstörungen geöffnet, die durch die Fressgier des weltweiten Kapitalismus erzeugt wurden. Wir selbst haben dies am eigenen Körper gespürt mittels der ständigen Bedrängnis unserer Karawane durch Polizei- und Militärkräfte des mexikanischen Staates.
In diesen Zeiten der weltweiten geopolitischen Neu-Anordnungen – wo die großen Kapitale der westlichen und asiatischen Blöcke den Prozess dieser neuen Etappe des Krieges der Kolonisierung beschleunigen, indem sie sich die Gebiete unseres Planeten streitig machen, die Natur zerstören, die Pueblos berauben, ausbeuten, vertreiben und diejenigen, die gegen sie opponieren, umbringen oder verschwunden machen – stellen wir die Komplizenschaft fest zwischen den Staaten und dem organisierten Verbrechen in seinen verschieden Formen, welche jedoch alle blutig sind.
Wir bestätigen, wir stehen vor dem stärksten Ausdruck des Systems patriarchaler Macht – vor Tausenden von Jahren übernommen und mit der europäischen genozidalen Invasion in unseren Ländern errichtet, seit mehr als 500 Jahren. Wir bezeugen seine verheerenden Auswirkungen in unseren Gebieten, jedoch spüren wir auch die Widerstände unserer Pueblos mit großer Kraft, die unsere Existenz als Pueblos originarios bewahrt haben.
In dieser weltweiten Neu-Anordnung spielen der mexikanische Südosten und der Isthmus von Tehuantepec eine strategische Rolle im Interesse der Weltkonzerne, um den Pazifischen Ozean auf nur 200 Kilometern mit dem Atlantik zu verbinden und den Transport von Waren, fossilen Brennstoffen und anderen unterirdischen Ressourcen zu erleichtern. Der Interozeanische Korridor ist seit den uralten Zeiten der Handelswege der Pueblos eine Transitregion. Während der Kolonialzeit und der Diktatur unter Porfirio Diaz, wie auch den unterschiedlichen Regierungen des 20. und 21. Jahrhunderts, wurde versucht, ihn sich anzueignen – jedoch wegen dem historischen Widerstand der Pueblos der Region ohne Erfolg.
Die jetzige Regierung, die sich selbst als Vierte Transformation bezeichnet, ist da nicht anders, wenn mensch die Modernisierung der Häfen von Coatzacoalcos und Salina Cruz, den Bau einer Autobahn und die Modernisierung der Eisenbahnstrecke für Güterzüge betrachtet – welche nicht nur die beiden Häfen miteinander, sondern sich auch mit der Maya genannten Zug[-Linie] auf der Halbinsel Yucatán verbinden wird.
Deshalb sagen wir: Der Interozeanische Korridor, der falsch benannte Tren ‚Maya‘ und das Proyecto Integral Morelos [PIM] im Zentrum des Landes sind Teile eines [einzigen] Verbindungs- und Energie-Versorgungsnetzwerks für die Unternehmen, welche im Süden des Landes und in Mittelamerika operieren werden – die meisten von ihnen privaten und auswärtigen Kapitals.
Es wird eine Hochspannungsleitung errichtet und die Gas-Pipeline im Isthmus erweitert, die sie mit der neuen maritimen Pipeline verbinden wollen, welche Fracking-Gas aus Texas in unser Land bringen wird. Dieses Projekt wird entlang der Küste von Veracruz, in der Nähe eines Riffsystems, von Tuxpan aus bis nach Coatzacoalcos und mit einer weiteren maritimen Verzweigung bis hin zur neuen Raffinerie von Dos Bocas gebaut. Auch jene bildet einen Teil dieses Mega-Projektes.
Diese Infrastruktur spiegelt die Vertiefung eines Modells wider, das auf der Gewinnung von fossilen Kohlenwasserstoffen basiert, welches im 20. Jahrhundert die Indikatoren für Umweltverschmutzung und globale Erderwärmung in nie dagewesener Weise beschleunigt hat – verstärkt durch angeblich saubere Energien in den Händen des großen auswärtigen Kapitals, was für die Pueblos keine gerechte Energiewende repräsentiert.
In der Tat sieht das Projekt nicht nur den Bau dieser Infrastrukturen vor, sondern auch auch die Öffnung neuer Gebiete für die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen, den Bergbau und die Errichtung von Industrie- und Windparks sowie neuer städtischer Zentren für semi-versklavte mexikanische Arbeiter*innen. Zumeist werden es jedoch Migrant*innen sein, die auf Befehl des Herren des Nordens auf der Höhe des Isthmus festgesetzt werden. Dieses Gebiet wird so zu einer neu errichteten Eindämmungsmauer gegen Menschen.
In den Maya-Gebieten der Halbinsel Yucatán und der Bundesstaaten Chiapas und Tabasco ist eine territoriale Neu-Ordnung in Arbeit – zum Nutzen und im Dienst der großen Kapitale der touristischen und industriellen Entwicklung.
Die Karawane sah die Verheerung der Selva, des Urwalds, um der Gleisstrecke dort einen Durchgang zu verschaffen: hunderte an Kilometern und Millionen gefällter Bäume, wo zuvor Wild und Jaguar unterwegs waren. Die Flüsse des ehrwürdigen Wassers werden modifiziert, mit katastrophalen Folgen für die Pueblos. Diese werden dann zukünftig als Naturkatastrophen bezeichnet werden.
In den Maya-Gebieten, die Anfang des 20. Jahrhunderts – während der Guerra Social Maya [Sozialer Krieg gegen die Pueblos Maya] – Opfer eines Genozids durch den Staat wurden, sind heute der Zug [der Tren ‚Maya‘] und die Mega-Projekte, die illegalerweise aufgezwungen werden, Teil der neuen genozidalen Praktiken.
Der Bau dieser Zugstrecke wird begleitet von der Errichtung von 21 Bahnhöfen und Zonen touristischer Entwicklung, von Wind- und Photovoltaik-Parks, Thermokraftanlagen, Bier-Brauereien, Schweinefarmen, Anbau von Öl-Palmen, Soja und anderen Monokulturen – sowie von großen Immobilieneinprojekten, Hotelkomplexen, Einkaufszentren, Kasinos, Restaurants und allem Notwendigen für die erhoffte große Masse an Tourist*innen, die auf der Halbinsel ankommen werden. Dies wird zu Ausplünderung, gierigem Extraktivismus und der Zerstörung der Lebensweise der Pueblos Mayas führen.
Sowohl auf der Halbinsel als auch im Isthmus schweigen viele Menschen und organisieren sich nicht, obwohl sie die zunehmende Gewalt und die Zerstörung der Gebiete kennen und sehen: wegen Desinformation und falschen Wohlfahrtsversprechen, die mit der betrügerischen Handhabung von Konzepten des Fortschritts und der Entwicklung eng verbunden sind und in denen die Sozialprogramme eine fundamentale Rolle einnehmen. Die Menschen schweigen und organisieren sich nicht aus Angst vor Gewalt, Abspaltung von der Gemeinschaft und dem möglichen Verlust der Sozialprogramme.
Aber die Übel, die mit diesen Mega-Projekten des Todes einhergehen, werden mit jedem Tag offensichtlicher. All diese Infrastrukturen stellen die Ausplünderung unserer Gebiete zugunsten der großen Kapitale dar. Sie sind Teil eines Projektes, welches durch die mexikanische Armee (Heer, Marine) und Guardia Nacional gesteuert wird – in Kooperation mit Polizeikräften und Migrationsbehörden, eng verbunden mit den Kartellen des organisierten Verbrechens und der daraus resultierenden Ausweitung krimineller kapitalistischer und patriarchaler Ökonomien.
Wir haben gehört und bezeugen, dass die erste Beraubung die der Anzestralität und Kommunalität ist. Wenn sie uns des Sinns der Zugehörigkeit zur Madre Tierra, der Mutter Erde berauben, hören wir auf, sie zu fühlen, zu hören, ihr zuzuhören und ihre Schmerzen zu spüren. Zuerst berauben sie uns unserer Erinnerung und unserer Spiritualität, um uns so unserer Lebensweise, unserer Wurzeln und unseres Lands zu enteignen. Denn wer darin nicht mehr eine Mutter sieht, sondern eine Ware, die gekauft und verkauft werden kann, löst sich von ihr – ohne daran zu denken, was diejenigen tun werden, die als einziges sie ausbeuten wollen. Sie werden ihre Bäume entwurzeln, sie vergiften, ohne sich um die Zerstörung unserer Comunidades und zeremoniellen Zentren, die Verschmutzung von Luft, Boden, Wasser, Quellen, Flüssen, Seen, Meeren, der Cenotes – der unterirdischen Wasserreservoire, die die Wasser im Inneren unserer Mutter bilden – zu kümmern.
Wir sahen, wie das Meer buchstäblich und tragischerweise die Gemeinde El Bosque in Tabasco verschlingt – eine Folge des durch die Mega-Verschmutzung des Planeten erzeugten Klimawandels – insbesondere durch das auf der Förderung von Kohlenwasserstoffen basierende Energiemodell, welche die [jetzige mexikanische] Regierung und das große Kapital verstärken.
Auch stellten wir das fürchterliche Anwachsen einer Kultur der Gewalt fest, die die gesamte Gesellschaft durchdringt. Von den Comunidades bis zu den Stadtvierteln: Drogenhandel, Erpressung, zusätzlich erpresste Gelder für Mietwohnungen. Das trifft vor allem die Jugendlichen, die Frauen, die Migrant*innen, Umweltaktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen.
Jedes mal mehr Jugendliche der indigenen Gemeinschaften, Gemeinden und der armen Stadtviertel fallen den Netzen des Drogenhandels zum Opfer – als eine der wenigen ‚Alternativen, um sich zu verbessern‘ in mitten des Desasters: Sie selbstzerstören ihr Gehirn mit billigen Drogen wie Crystal Meth, werden zu Auftragsmördern und enden als Ermordete.
Insbesondere stellen wir die Zunahme von Gender-Gewalt fest: von Gewalt innerhalb der Familie bis hin zu Feminiziden – mit der erschreckenden Zahl von 13 Frauen, die in unserem Land pro Tag ermordet werden. Wir sehen eine deutliche Zunahme der Repression gegen diejenigen, die gegen Mega-Projekte opponieren, das Land verteidigen, Straflosigkeit und Verkettungen von Komplizenschaften öffentlich anprangern – eine Repression, die über Drohungen, gewaltsame Vertreibungen, Einknastungen, Verschwunden machen und Morde verläuft.
Wir erkennen klar die rassistische Politik, die Strategie der Verfolgung und Stigmatisierung des Instituto Nacional de Migración [staatliche Migrationssicherheitsbehörde] gegen unsere Geschwister Migrant*innen. Sie haben auch unseren Compañer@s aus Honduras, Guatemala und El Salvador die Einreise [zum Internationalen Treffen im CIDECI-Unitierra/ Caracol Jacinto Canek] verweigert.
Wir stellen fest, dass die Rechte der indigenen Pueblos systematisch verletzt werden, insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie, dessen Ausübung unerlässlich ist, um von unseren anzestralen kulturellen Wurzeln aus ein freies und würdiges Leben wieder zu schaffen. Dieses basiert auf der Kommunalität, der Gemeinschaft, von der aus in Vollversammlungen Entscheidungen getroffen werden – unter vollständiger Respektierung der Frauen, der AnderEn, der Jugend, der Kinder, der älteren Menschen und im Einklang mit der Natur.
Wir stellen den Druck aller Regierungsabteilungen fest, angefangen bei den Agrar-Gerichten. Agrarische Zentren [Ejidos] und indigene Gemeinschaften sollen als Dominio pleno persönlich verhandelbar werden, um somit gesellschaftlichem Eigentum an Land, das die Stärke unserer Kämpfe darstellt, ein Ende zu bereiten.
Die Karawane jedoch ermöglichte es uns auch – im Gegensatz zu all diesen Kalamitäten – die Hoffnung und das Leben zu durchlaufen, dem Land und seinen einheimischen Saatkörnern zu begegnen, die von bäuerlichen Händen bewahrt werden. Wir spürten die Freude der rebellischen Musik, die die Herzen begeistert und den Widerstand inspiriert. Wir genossen die Kunst als Ort des Kampfes, welche mit ihren Farben, Klängen und Zeichen uns erlaubt, die fröhliche Rebellion fortzusetzen.
Die Karawane machte es möglich, uns mit der Selva, die widersteht, zu treffen. Dort, wo Bäume gefällt wurden, zeigt sich erneut Leben. Wir hörten die Vögel und ihre Botschaften, tranken das glasklare Wasser der Brunnen und atmeten die saubere Luft des Ländlichen. Wir trafen Pueblos und Comunidades, die sich organisieren und Widerstand leisten, die weder Enteignung und noch nicht einmal das Betreten ihres Gebietes durch Unternehmen zulassen. Sie unternehmen auch Schritte, um Lebensweisen wieder zu erlangen, die für die Menschheit hoffnungsvolle Autonomien schaffen. Auf der anderen Seite begegneten wir rebellischen Städten, die Kollektivität und Autonomie inmitten der urbanen Ungeheuer aufbauen, worin Zuneigung für Land und Regionen neu entsteht.
Wir würdigten die Madre tierra, die Mutter Erde, und riefen den Geist des Feuers, des Wassers und der Luft an – damit anerkennend, dass die langen Kämpfe – angebunden an Land und unsere Anzestralität – von Spiritualität getragen werden. Wissend, dass wir nicht einen endgültigen Sieg suchen, sondern kämpfen, wie es unsere Großväter und Großmütter getan haben und vor ihnen, unsere Vorfahren – und wie es unsere Kinder und Enkelkinder weiterhin tun werden.
Wie wir in den 10 Arbeitsgruppen des Treffens Süd-Südosten am 5. Mai 2023 bekräftigt haben, schaffen wir, Männer und Frauen, andere mögliche Welten, indem wir feiern, was wir ernten werden – und anerkennen, unsere Stärke kommt aus der Erinnerung und Weisheit als Pueblos, die kämpfen. Wir haben reflektiert, dass wir widerstehen, da wir die Werte eines prallen und würdigen Lebens nahe der Erde mit einschließen: der Anbau unserer Lebensmittel, die traditionelle Medizin, der Schutz unserer Pueblos durch die kommunitären Wachen.
Wir haben anerkannt, dass es – obzwar mitten in all der Zerstörung durch die Kapitalisten – viele Errungenschaften gibt, die wir ernten werden: Das erste und wichtigste ist, dass wir – 500 Jahre nach dem Versuch, uns zu vernichten – hier aus den Gemeinschaften, dem Kommunitären heraus die Organisierung gegen die Ausplünderung fortsetzen. So wie das wieder gewonnene Land einiger Pueblos und der Kampf der Frauen für Anerkennung und Ausübung ihrer Rechte wichtig ist; der Kampf um Wasser; die Freilassung politischer Gefangener; die [erreichte] Verlegung der Bahnhöfe in Mérida und Campeche; die Errichtung von extraktivismusfreien Zonen; die Bewahrung der Sprachen und traditionellen Feste und das Schaffen von Autonomien.
Nach der Karawane und unserem internen Treffen versammelten sich zum Internationalen Treffen ‚Globaler Kapitalismus der Konzerne, weltweites Patriarchat, Autonomien in Rebellion‘ 940 Menschen aus 40 Pueblos originarios der Welt, aus 27 Bundesstaaten der mexikanischen Republik, aus 30 Ländern und 10 autonomen Regionen. Wir haben das Wort von fünf Rede-Beiträgen gehört, um die geopolitische Lage der Welt, Mexikos, insbesondere der Region des Süd-Südostens und des globalen Südens zu analysieren und zu untersuchen. Wir haben auch den Austausch von Kampferfahrungen aus all diesen Regionen sowie Vorschläge zur Fortsetzung des Aufbaus der Autonomie gehört.
Die Schwestern und Brüder von Abya Yala, aus Guatemala, El Salvador, Costa Rica, Honduras, Kolumbien und Ecuador, haben uns über die Situation, mit der sie konfrontiert sind, berichtet:
Das räuberische kapitalistische System agiert in gleicher Weise in allen Geographien, in denen die Pueblos noch die Natur- und Kulturgüter und das Leben selbst bewahren. Ebenso jedoch konnten wir die Freude, die Kraft und die lebendige Organisation der organisierten Pueblos feststellen.
Denuncias – Öffentliche Erklärung:
Wir prangern die gewaltsame Räumung des Camps Tierra y Libertad an, sowie die Inhaftierung von 6 Compañer@s durch Marine und Bundesstaatspolizei am 28. April 2023, einen Tag nachdem unsere Karawane dort war. Wir fordern die Bundesstaatsregierung von Oaxaca und die [mexikanische] Regierung auf, die Schikanen gegen die Verteidiger von Land und Gebiet unverzüglich einzustellen, insbesondere im Falle des Camps Tierra y Libertad am Isthmus – sowie die Aufhebung der Haftbefehle gegen 17 Mitglieder der Gemeinde Puente Madera, Landkreis San Blas Atempa und den Freispruch des Compañero David Salazar, dem gerade der Prozess gemacht wird.
Wir weisen die rassistische und rechtsverletzende Migrationspolitik dieser Regierung zurück, welche die Einreise der Tochter der Compañera Berta Cáceres verhindert hat, indem sie ihr verbot, nach Mexiko-Stadt zu fliegen, obwohl alle Papiere in Ordnung waren; sowie auch die Schikanen gegen sieben Compañeras und Compañeros aus Zentralamerika am Grenzposten von Tapachula, im Bundesstaat Chiapas.
Wir fordern, dass im Ejido Nicolás Bravo die illegale Versammlung vom 5. März 2023 widerrufen wird, auf der der Bau einer Haltestelle des falsch benannten Tren ‚Maya‘ durch die Azcarraga-Gruppe (Eigentümer von Televisa) illegalerweise genehmigt wurde. Dies wird mehr als 100 zeremonielle Maya-Zentren schädigen.
Wir fordern die Aufhebung der Räumungsanordnung gegen die Gemeinde Emiliano Zapata III im Landkreis Candelaria, Campeche, die vom vermeintlichen Eigentümer Fernando Oropeza Arispe beantragt und von einem Zivilrichter erster Instanz des Bundesstaates Campeche angeordnet wurde. Gleichfalls fordern wir die Aufhebung der Haftbefehle gegen die Gemeindemitglieder.
Sofortige Einstellung der Arbeiten an dem falsch benannten Tren ‚Maya‘, insbesondere der illegale Ausbau des Abschnitts 7, die Errichtung des Militärkasinos sowie die touristische Entwicklung der Gemeinde Xpujil – da die SEDENA [das Verteidigungsministerium], trotz der endgültigen Suspendierung durch einen Bundesrichter, die Arbeiten unter Missachtung der Anordnung des Bundes fortsetzt.
Schluss mit dem Druck der Agrar-Gerichte gegenüber Gemeinden und Ejidos, um gesellschaftliches Eigentum von Land in private Handhabe [dominio pleno] zu verwandeln und damit den kollektiven Ländereien der indigenen Gemeinschaften ein Ende zu bereiten.
Dringende und sofortige Umsiedlung der Gemeinde El Bosque im Landkreis Centla, in Tabasco, welche als Umweltvertriebene Opfer der globalen Erderwärmung ist, die durch ein gieriges extraktivistisches System erzeugt wurde und das damit weiter fortfährt, die Gebiete auszuplündern und zu entwalden.
Wir fordern die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen Mexikos, der politischen Gefangenen [des Kollektivs] Solidarios de la Voz del Amate, von Fidencio Aldama, den Gefangenen aus Eloxochitlan de Flores Magón in Oaxaca, aller ungerecht Eingesperrten, weil sie Wasser und Gebiete verteidigen; des Compañero der Unterstützungsbasis des EZLN Manuel Gómez Vázquez; sowie die Aufhebung des Strafurteils über 50 Jahre Haft gegen den Compañero Miguel Peralta Betancourt, politisch Verfolgter aus Eloxochitlan.
Wir begleiten und schließen uns hartnäckig der Forderung der Familienangehörigen feminizidaler Gewalt in Mexiko an, um Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung zu erlangen und keinerlei Wiederholung [der Traumata] – weder für die vergewaltigten Frauen noch insbesondere für die Kinder (Töchter, Söhne, Schwestern, Brüder) – die kollateralen Opfer der infamen Gewalt in diesem Land, welche danach strebt, Angst, Tod und Straflosigkeit zu säen. Kein Vergeben, kein Vergessen! Bestrafung der Schuldigen! (facebook: @FeminicidiosCrimenesdelesahumanidad, @JusticiaParaLupitaBastida, @FatimaVariniaEnTuHonorYRecuerdo)
Wir fordern das lebend Wiedertauftauchen der Tausenden von Verschwunden gemachten dieses Landes, des Ejido-Mitglieds Antonio Díaz Valencia und des Rechtsanwalts Ricardo Lagunes Gasca, die verschwunden gemacht wurden wegen eines Konfliktes zwischen der Comunidad Aquila in Michoacán und dem kanadischen Bergbau-Unternehmen Ternium.
Gerechtigkeit für die 43 verschwunden gemachten Normalista-Studenten von Ayotzinapa! Denn lebend wurden sie uns genommen und lebend wollen wir sie zurück!
Wir erklären laut und deutlich und aus unseren Herzen heraus, die kämpfen und sich organisieren: Wir werden weiter fortfahren, uns zu treffen und uns mit anderen Kämpfen in der ganzen Welt zu verbinden! Sie werden uns nicht aufhalten – weder mit Guardia Nacional, Marine noch Armee! Während Sie zerstören, bauen wir auf!
Karawane und Internationales Treffen Der Süden widersteht. #ElSurResiste
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Während der Arbeit an diesem Artikel verschärft sich die Situation in Puente Madera (die Lizensierungen der geplanten Industrieparks wurden vorgezogen), und compas des CNI werden in der Gemeinde San Lucas Atoyaquillo (Oaxaca) von bewaffneten Gruppen umzingelt und angegriffen. Es gibt bereits drei Verschwundene. Wir fordern ihr sofortiges, lebendiges Auftauchen.
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Was europäische Unternehmen mit den Megaprojekten im Süden Mexikos zu tun haben, erfahrt ihr hier: https://deinebahn.com/
Für aktuelle Informationen: Twitter/Mastodon: @AgRecherche und @TrenMayaStoppen // Websites: https://www.elsurresiste.org/, https://deinebahn.com/
▪ Fotos: Recherche AG | medios de Abajo | Medios Libres | TejemediXs | Ya Basta Êdî Bese | CNI México | Desinformémonos | Voices in Movement | El Pais y La Jornada
Im Juli erscheint ein zusammenfassender Bericht über Karawane und Encuentro im Kurdistan Report
1 Müller/Schubert, Frühlingstraum, (1827).
2 https://regeneracionradio.org/archivos/3692
3 Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte, These VIII, (1940).
4 Die „Schock-Strategie“ – ein weiteres eindrückliches Beispiel dieser Biopolitik zeigte sich für mich in den von schweren Erdbeben betroffenen Gebieten in Syrien und der Türkei in diesem Jahr: Wo starben Menschen aufgrund baulicher Mängel, und: Wo wurden nach dem Erdbeben Menschen gezielt sterben gelassen, durch ausbleibende, ja aktiv verhinderte Hilfe (Das Aufhalten von Hilfskonvois, die Zerstörung von Hilfsgütern, bis hin zum Beschuss betroffener Gebiete durch die türkische Armee)?
5 Ich würde von einer Spirale sprechen.
6 https://twitter.com/rochowanski/status/1657208213962457088?cxt=HHwWgIC8geSFy_8tAAAA
7 „Territoriale Ökonomien: Der Weg zum Kampf gegen die kapitalistische Expansion.“
8 Sie wissen nämlich ganz genau, dass das Wasser ausgeht.
9 Einem vor wenigen Jahren im selben Kampf ermordeten compa…
10 Mit ALSTOM ist außerdem ein großes französisches Unternehmen einer der größten Profiteure des „Maya“-Zuges hier im Südosten Mexikos.
11 Von der Pariser Koordination und dem Komitee der Solidarität mit den kämpfenden Völkern von Chiapas (CSPCL).
12 https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/mexiko-illegale-abholzung-100.html
13 „Viele von ihnen sind in diesem Land ohne Arbeit und Gemeinschaft“
14 Ich bin Anna und komme aus Venedig. Ich gehöre zu den Sozialzentren im Nordosten Italiens und bin in einer Karawane mit dem Verein Ya Basta Edî Bese bis hierhergekommen. Venedig ist eine Stadt, die geteilt ist zwischen der Stadt auf dem Festland, die durch eine einzige Brücke mit der Inselstadt verbunden ist, die auf der Lagune errichtet wurde. Die Insel Venedig ist in der Tat eine Stadt des Wassers, und die gesunde Beziehung mit der Lagune, ihren Gezeiten, ihrem Ökosystem und dessen Erhaltung ist von grundlegender Bedeutung für das Überleben der Stadt selbst. Die physischen Grundlagen der Stadt und ihre Lebensgrundlage beruhen auf dem Meer. Die Bautätigkeiten sowie die Schifffahrt und die Fischerei haben sich historisch bewusst auf das Leben in der Lagune ausgewirkt, in Harmonie mit ihr. Doch die Vorstellung von der Beziehung zwischen Mensch und Natur wurde auf den Kopf gestellt, und das Meer wurde zementiert, ohne seine wellenförmige Bewegung zu respektieren. Seitdem treibt die Stadtpolitik eine Industrialisierung voran, die alles verwüstet. Projekte wie Mose, das millionenschwere und übermäßig verschmutzende Megaprojekt, das aus einem Damm besteht, der die Stadt vor den Fluten schützen soll, die sie aufgrund des Klimawandels und des steigenden Meeresspiegels immer mehr überschwemmen werden, entspringt dieser menschlichen Anmaßung, die Natur kontrollieren zu können, statt die Ursachen des menschengemachten Klimawandels zu bekämpfen. Zweitens ist das historische Zentrum von Venedig überwiegend eine Wohn- und Fußgängerzone. Das macht es unvereinbar mit einem produktiven Rhythmus, der dem Tempo und der Effizienz der neoliberalen Politik gegenüber den Bürgern entspricht. Die Folge ist die Entvölkerung der Inselstadt, die mit ihren Bürgern ihre reichen Traditionen und ihre Geschichte verliert. In dem durch die Entvölkerung entstandenen Vakuum haben die Institutionen und die Wirtschaft des Massentourismus wie der Marinegigantismus einen neuen Weg gefunden, um von der einzigartigen und an Traditionen und Kultur sehr reichen Vergangenheit der Stadt zu profitieren. Diese wird entkleidet und folklorisiert wird. Wir sprechen, wenn wir von dieser Kultur reden, von einer erweiterten Gemeinschaftserfahrung, die von einer eigenständigen Sprache bis hin zu Wissen, Erfahrungen und handwerkliche Fertigkeiten, die eine Lebensweise darstellen, die mit dem wilden Kapitalismus unvereinbar ist, ausgezeichnet ist. Bei der Bewahrung dieses kulturellen und erfahrungsbezogenen Erbes würde die Schule und insbesondere die Universität eine grundlegende Rolle spielen, beim Aufbau eines bewussten Wissens über die Beziehung zu Traditionen und Geschichte. Aber die Universität ist stattdessen verbunden mit Unternehmen, lokalen und nationalen Institutionen und als Besitzer von Kapital in Form von Fonds und Immobilien ein wichtiger Förderer von extraktiven Maßnahmen in Venedig. Um nur einige Beispiele zu nennen, bietet sie propagandistische Bildungsbesuche im oben erwähnten Mose-Projekte an, sowie Praktika für ihre Studenten auf den riesigen Kreuzfahrtschiffen, die die Lagune verschmutzen und Massen von Touristen anlocken, die die Stadt verschlingen. Sie schließt Wirtschafts- und Kooperationsvereinbarungen mit Banken ab, die in der ganzen Welt verheerende Projekte finanzieren, wie UniCredit und die Credit Agricole, und mit dem Unternehmen Leonardo, das die Waffen herstellt, die derzeit im Krieg in der Ukraine eingesetzt werden. Sie ermöglicht Industrien wie Eni, einer Ölgesellschaft, und Fincantieri, die für die Ausbeutung ihrer Arbeiter bekannt ist, Besuche in ihren Klassenzimmern, um kapitalistische Hoffnungen zu wecken. Sie lehrt uns nicht nur, dass diese Wirtschaftsmodelle tugendhaft sind, sondern drängt uns auch dazu, in Zukunft von ihnen abhängig zu sein. Diese Bildungspolitik ist auch Teil desselben politischen Plans der Stadtverwaltungen, die Inselstadt zu entvölkern und in der Tat eine Zukunft mit Arbeit und Wohnraum in der Inselstadt unmöglich zu machen, wo es an Arbeitsplätzen mangelt. Die Universität, in der wir leben, ist eine Unternehmensuniversität, die uns als Kunden ansieht, aus denen sie Profit schlagen will, und uns lehrt, uns als Kunden zu sehen.
Ich arbeite mit dem Universitätskollektiv Lisc zusammen, das auch Teil der Sozialzentren im Nordosten ist und
eine doppelte Zielsetzung hat: Durch Demonstrationen und Besetzungen das Bewusstsein der studentischen Bevölkerung für eine Kritik an der extraktivistischen Globalisierung zu schärfen, dessen Spiegel die Politik unserer Universität ist und: durch Versammlungen und Konferenzen ein alternatives Modell der antikapitalistischen und bewussten Bildung und des Wissens zu verbreiten und zu diskutieren. Wir glauben, dass ein anderes Lebensmodell möglich ist, und wir werden weiter dafür kämpfen, es zu verwirklichen.“
15 Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte, These XII, (1940).
16 Subcomandante Marcos, Botschaften aus dem Lakandonischen Urwald, 1996