„Der Süden widersteht“
In Mexiko organisieren sich indigene Gemeinden gegen zwei zerstörerische Großprojekte – auch deutsche Unternehmen sind an der kolonialen Ausbeutung beteiligt.
In Mexiko organisieren sich indigene Gemeinden gegen zwei zerstörerische Großprojekte – auch deutsche Unternehmen sind an der kolonialen Ausbeutung beteiligt.
In Deutschland wird inzwischen immer wieder über den „Maya-Zug“ im Süden Mexikos berichtet. Unter Beteiligung der Deutschen Bahn gräbt er Schneisen durch den Regenwald. Doch die Megaprojekte in der Region tragen Namen, die gezielt verwirren sollen. Der „Tren Maya“ (spanisch für: Maya-Zug) ist nämlich viel mehr als ein Zug, und mit den Maya hat er wenig zu tun. Auf 1.500 Kilometern soll der „Zug“ fünf Bundesstaaten auf der Halbinsel Yucatán miteinander verbinden. In diesem Zusammenhang wird er meist als Tourismusprojekt beworben – die archäologischen Stätten der Riveira Maya sollen miteinander verbunden werden, Hotelkomplexe entstehen in den Naturschutzgebieten und an der Karibikküste. In Wirklichkeit bildet der „Maya-Zug“ jedoch nur einen Teil einer großangelegten „territorialen Neuordnung“ Südmexikos: Er ist direkt mit dem „interozeanischen Korridor“ in der Landenge von Tehuantepec verbunden. Hier liegen die beiden Ozeane so eng beieinander, dass seit Langem eine Art „zweiter Panama-Kanal“ auf Schienen geplant wird. Die großen Häfen im Westen und Osten sollen miteinander verbunden werden, was den Import und Export aus und in die USA, China und Europa erleichtern würde. Die beiden „Züge“, die durch neue Autobahnen und Flughäfen begleitet werden, öffnen so eine ganze Region für die Interessen großer Konzerne: Riesige Industriekorridore entstehen entlang der Gleise, mit Autofabriken, Öl- und Gasraffinerien, Massentierhaltungsanlagen, Monokulturen etwa von Soja und Reis, und neuen Komplexen für den Massentourismus. Inzwischen wurde von Aktivist:innen auch die Beteiligung deutscher Unternehmen in der Landenge von Tehuantepec herausgearbeitet. Neben internationalen Unternehmen profitieren zwei weitere Akteure: Das Militär und die Organisierte Kriminalität.
Für viele Menschen bedeutet „Tren Maya“ vor allem eines: Eine Mauer
Die mexikanischen Streitkräfte bauen nicht nur Streckenabschnitte des „Tren Maya“, sie verwalten das gesamte Projekt und erhalten – ohne eine zwischengeschaltete Kontrollinstanz – jegliche Gewinne aus dem Betrieb des „Maya-Zugs“. Die Marine hat derweil die Kontrolle über die Häfen und Flughäfen übernommen und ist besonders im Korridor von Tehuantepec präsent. Aufgrund von Verwicklung in Korruption und Menschenrechtsverletzungen ist die neue Macht der Armee im Zusammenhang dieser Projekte zutiefst besorgniserregend: Aktuell gehen Soldaten immer wieder gegen friedliche Demonstrationen der lokalen Bevölkerung vor, die gegen die Zerstörung der Umwelt und ihrer Lebensrundlagen, Vertreibungen und die Militarisierung selbst protestiert. Gleichzeitig entstehen neben den Fabriken und Raffinerien immer mehr Militärbasen – denn die Region ist nicht nur ein Industrie-, sondern vor allem auch ein Migrationskorridor: Menschen aus Süd- und Mittelamerika und der Karibik versuchen verzweifelt, in Richtung USA zu fliehen. Neu geschaffene Militäreinheiten halten die Geflüchteten nun bereits in Südmexiko auf. Stellen wir uns ein „Zugprojekt“ des Militärs vor, welches von Küste zu Küste verläuft, wird schnell ersichtlich: Für viele Menschen bedeutet „Tren Maya“ vor allem eines: Eine Mauer. Für andere hingegen ist es eine „Öffnung“: Infrastruktur, Anbindung an den Weltmarkt über große Häfen, Tourismus und Urbanisierung haben das Interesse der mexikanischen Kartelle geweckt, die sich seit kurzem in Südmexiko ausbreiten und eine Gewaltspirale lostreten: Auf einmal geht es um die Kontrolle von Drogen-, Menschen-, und Waffenhandel in einer Region, die bisher von diesen Problemen in weiten Teilen verschont geblieben ist. Die Leidtragenden sind die Gemeinschaften vor Ort – vor allem die Indigenen, nach denen der „Maya-Zug“ zynischerweise benannt wurde.
Die Beteiligung deutscher Unternehmen
Die Deutsche Bahn (DB) ist über ihr Tochterunternehmen „DB Consulting & Engineering“ am „Tren Maya“ beteiligt. Erst durch parlamentarische Anfragen konnte dies öffentlich gemacht werden. Bis heute weigert sich die DB, genaue Angaben zu ihren Aufgaben vor Ort zu machen – doch noch bis Ende 2023 erhält der Konzern über acht Millionen Euro für die Mitarbeit am „Maya Zug“. Weniger Geld fließt zu den spanischen Bahnunternehmen Renfe und Ineco, die mit der DB ein Konsortium bilden. Andere europäische Unternehmen erhalten hingegen Milliarden: Alstom aus Frankreich baut die Züge, Unternehmen aus China, den USA oder Kanada sind ebenfalls beteiligt. Neu im Rennen ist auch Elon Musk: Tesla investiert zunehmend in Mexiko, und für den „Tren Maya“ soll sein Unternehmen Tunnel bauen, die von den Flughäfen direkt zu den Stationen des „Zuges“ führen. Wichtig ist jedoch vor allem die Frage, wer von den Projekten neben den Gleisen profitiert: Kanadische Minenunternehmen suchen in der Region vermehrt nach Gold, Rüstungskonzerne aus aller Welt, auch aus Deutschland, streichen die Gewinne aus der Militarisierung ein, und in Hinblick auf große Gasvorkommen in den betroffenen Gebieten reiste auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in diesem Jahr nach Mexiko, um eine neue Flüssiggaskooperation zu bewerben. Im Industriegürtel des „interozeanischen Korridors“ beteiligen sich auch deutsche Unternehmen an der Öl- und Gasförderung, so etwa die Oiltank GmbH mit Sitz in Hamburg. Der Konzern Europipe aus Salzgitter unterstützt die wirtschaftliche Ausbeutung der Region durch das Bereitstellen von Rohren und Pipelines. Auch aus anderen europäischen Ländern beteiligen sich Unternehmen, etwa aus Spanien und Holland. Zudem investieren chinesische und US-amerikanische Konzerne.
Bundesregierung scheint Megaprojekt zu befürworten
Trotz schwerster Menschenrechtsverletzungen und der zunehmenden Ermordung von Gegner:innen der Projekte ist nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch die deutsche Regierung an der „territorialen Neuordnung“ Mexikos interessiert: Da sich die DB in Staatsbesitz befindet, ist die Bundesregierung weisungsgebunden, was die Beteiligung des Unternehmens auch im Ausland angeht. Erst im vergangenen Jahr ist in Deutschland das Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation der UN in Kraft getreten, welches die Rechte der indigenen Völker festschreibt. Dazu gehört die Konsultierung der Gemeinden, die im Voraus in ihrer Sprache sowie ihrer Kultur angemessen und mit allen Informationen über das Projekt befragt werden müssen, ob sie ein solches in ihrem Territorium dulden. Die mexikanische Regierung rühmt sich zwar, diese „Consultas“ durchgeführt zu haben, doch selbst große UN-Institutionen bezeichnen diese als Farce: Es wurden längst nicht alle Betroffenen befragt, fast nie in ihrer Sprache, und außerdem erst, als der „Maya-Zug“ bereits beschlossen war. Überdies mehren sich Berichte von Stimmfälschungen und Bedrohungen. Spätestens seit dem Inkrafttreten des ILO-169-Abkommens wäre das Bundesverkehrsministerium dazu verpflichtet, die DB zum Austritt aus dem Projekt zu bewegen. Dass dies bis heute ausbleibt, ist ein starkes Zeichen gegen Klimaschutz und Menschenrechte, was beim aktuellen Minister Volker Wissing jedoch kaum verwundert. Auch das Außenministerium übt sich in Schweigen – tatsächlich scheint Deutschland das zerstörerische Megaprojekt zu befürworten: Dem Vertragsschluss der DB war ein von der deutschen Botschaft in Mexiko organisiertes Treffen zwischen deutschen Konzernen wie der KfW-Entwicklungsbank, dem TÜV und der DB mit Vertretern der mexikanischen Tourismusbehörde FONATUR vorangegangen. Kurz vor Baubeginn war die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Region aktiv und führte Projekte zur „Nachhaltigen Nutzung der Selva Maya“ durch – deren Berichte dienen nun den mexikanischen Behörden zur Rechtfertigung des „Tren Maya“. Besonders fragwürdig sind auch die offensichtlichen Falschaussagen der Bundesregierung und der DB auf weitere parlamentarische Anfragen: Nach einer Konfrontation mit der Umweltzerstörung und den Menschenrechtsverletzungen im Zuge des „Tren Maya“-Projekts verwies man uns darauf, dass keine Probleme erkennbar seien, schließlich wären zahlreiche UN-Institutionen wie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte „eng eingebunden“. Doch ausgerechnet jenes Hochkommissariat kritisiert den „Maya Zug“ – unter anderem aufgrund der mangelhaften Konsultationen der indigenen Gemeinden.
Eine Karawane des Widerstands
Ende April findet in den betroffenen Gebieten die Karawane „El Sur Resiste“ („Der Süden widersteht“) statt. Dazu aufgerufen haben viele indigene Gruppierungen wie der Nationale Kongress der Indigenen (CNI), denen sich NGOs, Umweltschützer:innen, Menschenrechtsaktivist:innen sowie alternative Presse- und Medienschaffende angeschlossen haben. Das Ziel der Caravana, die Anfang Mai in einem großen internationalen Treffen verschiedener Widerstände gipfelt, besteht vor allem aus zwei Aspekten: Zum einen sollen sich die verschiedenen Gegner:innen gegen die zahlreichen Projekte miteinander austauschen, vernetzen und verbinden. Viele Kämpfe sind isoliert und leiden unter Diffamierung und Repression. Es geht um einen Zusammenschluss all jener, die unter der „territorialen Neuordnung“ der Region leiden. Gleichzeitig soll vor allem Sichtbarkeit über die Probleme der Megaprojekte hergestellt werden: Die Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörungen, Militärpräsenz und vor allem die Bedrohungen und Angriffe gegen Aktivist:innen werden ungehindert voranschreiten, wenn sie weiter unsichtbar bleiben. Nationale und internationale Solidarität mit dem Süden, der widersteht, ist dringend erforderlich. Dies zeigen vor allem die aktuellen Entwicklungen: Nachdem nach vielen Anläufen juristische Baustopps gegen Streckenabschnitte erwirkt worden sind, erklärte man den „Tren Maya“ durch ein neues Dekret zum „Projekt nationaler Sicherheit“. Seitdem gehen die Arbeiten ungehindert weiter – mit dem Schutz von über 5000 Soldaten allein zur Bewachung eines einzigen Abschnitts des „Maya-Zuges“, 2000 Kameras, Militärhubschraubern und Drohnen. Blockaden werden angegriffen, und Gegner:innen des Projekts erhalten Morddrohungen. Allein in diesem Jahr kam es zu zahlreichen Morden an meist indigenen Landrechts- und Umweltverteidiger:innen.
Ökozid und Ethnozid
Die Neukonfigurierung Südmexikos muss als drohender Ökozid gewertet werden. Die beiden Infrastrukturprojekte zerstören die letzten großen Regenwälder der Region, die Mangroven, die Korallenriffe und das sauberste Süßwasservorkommen des Landes: In unterirdischen Höhlen- und Flusssystemen, den sogenannten Cenotes, die jeweils eigene einzigartige Ökosysteme beherbergen, wird inmitten der stärksten Dürrejahre seit Beginn der Aufzeichnungen das Wasser kontaminiert, auf welches vor allem die indigenen Kleinbäuer:innen in der Region angewiesen sind. Während 70 Prozent des Landes von extremer Trockenheit betroffen sind, bleibt Wasser nur für die Pools der Touristen und Monokulturen. Unter der Erde verlaufen die natürlichen Tunnel vom Wald bis an die Küste – und liefern Nährstoffe für die Mangroven, welche wiederum Nährstoffe für die Korallenriffe generieren. Ein hochkomplexer Kreislauf, der nicht nur durch die Schneisen für den Zug gefährdet wird, sondern vor allem durch das, was er mit sich bringt: Fabriken und Tourismus. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten werden in ihrer Existenz bedroht, so etwa der Jaguar, an dem sich dreisterweise das Design des Alstom-Zuges orientiert. In den vergangenen Tagen wird mitten im Regenwald Dynamit eingesetzt, um die Schneise zu erweitern und die Höhlen zu sprengen. Arten, die sich hier in Millionen Jahren entwickelten, verschwinden in einem Wimpernschlag. Zudem ist bei den meisten Cenotes überhaupt nicht bekannt, wo genau sie verlaufen – es herrscht ständige Einsturzgefahr für die ausgebeuteten Arbeiter:innen auf den schweren Baggern, genauso wie für den Zug, sollte er einmal fahren. Vielen indigenen Gemeinschaften droht durch die Zerstörung der Ökosysteme der Verlust ihrer Lebensweise. Die Fischer an der Pazifikküste der Landenge von Tehuantepec werden großen Industriehäfen weichen müssen, die traditionelle Milpa der Kleinbäuer:innen wird durch genverändertes Saatgut aus dem Globalen Norden verdrängt werden, welches über die neuen Handelswege erstmals bis in den Südosten des Landes gelangen kann. Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Kinder, Migrant:innen und Aktivist:innen zerstört die Gemeindestrukturen.
Die Diskursfalle
Dennoch genießt der aktuell regierende Präsident Lopez Obrador (AMLO) bei vielen Menschen in Mexiko große Beliebtheit. Nach jahrzehntelanger Parteidiktatur gewann er nach mehreren Anläufen als „linker“ Hoffnungsträger die vergangenen Wahlen. Viele erwarteten eine bessere Sozial- und Umweltpolitik, die Respektierung der indigenen Gemeinschaften und vor allem den Rückgang der Kartell- und Militärgewalt. Stattdessen schuf AMLO neue Militäreinheiten wie die Guardia Nacional, seine Partei MORENA ist in Korruptionsfälle mit den Kartellen verwickelt, und Großprojekte wie Minen nehmen landesweit zu. Viele der präsidialen Vorhaben, darunter der „Maya-Zug“ und der „interozeanischen Korridor“, wurden unter anderen Namen bereits von den rechtskonservativen Vorgängern AMLOs implementiert, doch paradoxerweise waren sie noch nie so weit vorangeschritten wie heute. Grund dafür ist sicherlich ein Diskurswechsel: Die Megaprojekte werden nicht mehr „gegen“, sondern „für“ die indigenen Gemeinden vor Ort errichtet, Konsultierungen werden nicht mehr abgelehnt, sondern vorgetäuscht, und das Militär „unterstützt“ Infrastrukturvorhaben, statt Krieg zu führen. Es sind Versprechen, die nicht eingehalten werden, aber den Widerstand erschweren. Viele „progressive Kräfte“, die sich etwa stets mit dem CNI solidarisierten, unterstützen nun die Projekte, die sie zuvor verurteilten. Vor Ort merken derweil immer mehr Menschen, dass es nicht um ihre, sondern die Interessen wohlhabender Hoteliers, Militärs und Konzerne geht: Viele, die sich neue Jobs erhofften, gehen leer aus oder arbeiten für wenig Lohn auf den Baustellen. Einige erhalten überhaupt kein Geld, in Tulum sind Arbeitskräfte „verschwunden“. Nicht selten werden Migrant:innen ausgebeutet, die gewissermaßen an ihrer eigenen Mauer mitbauen. Zentral für die lokale Bevölkerung ist vor allem die Landfrage: Einige stimmten einer Umsiedlung zu, da man ihnen versprach, neue Häuser zu bauen – auf diese warten sie bis heute. Durch sogenannte Usufructo-Verträge stehlen die Unternehmen den Gemeinden faktisch ihr Land: Auf dem Papier ist es noch im Besitz der Comunidades, doch nach und nach wird ihnen der Zutritt auf ihr eigenes Land verwehrt, sollten es die Konzerne, die es praktisch „pachten“, bereits bebauen und nutzen – etwa durch Minen oder Windparkanlagen. Andere Bewohner:innen werden ganz direkt vertrieben, und viele erleiden Repressionen. Menschen, die bisher von Subsistenzlandwirtschaft lebten, werden in einem brutalen Prozess zu schlecht bezahlten Arbeiter:innen transformiert: Die „Maya“, nach denen der Zug benannt ist, müssen ihre Kultur aufgeben, die den Touristen tot in den Pyramiden präsentiert wird. In Zukunft werden sie ihren Lebensunterhalt mit dem Putzen von Toiletten der Hotelanlagen, als Bedienung in den neuen, schicken Restaurants oder als Arbeiter:innen in den Fabriken verdienen müssen – es ist Kolonialismus.
Internationale Solidarität
Am wichtigsten ist sicherlich die Vernetzung der Widerstände von unten. Wir können und müssen viel voneinander lernen, und uns gemeinsam gegen die für die Zerstörung verantwortlichen Regierungen und Unternehmen organisieren. In Deutschland gehört dazu vor allem auch das Aufzeigen der Greenwashing-Lügen: Es gibt keinen grünen Kapitalismus, und Klimaschutz ist eben nicht „einfach“, wie es die DB propagiert, sondern erfordert einen Systemwechsel. Die Deutsche Bahn ist dafür nur ein Beispiel: Während sich das Unternehmen in Deutschland als „schnellster Klimaschützer“ präsentiert, treibt der in über 100 Ländern und längst nicht nur in der Bahninfrastruktur aktive Konzern einen mörderischen Kolonialismus voran - nicht nur in Mexiko: Der „grüne“ Strom der Züge stammt in Wirklichkeit auch 2023 noch aus Kraftwerken wie Datteln IV, in denen sogenannte „Blut-Kohle“, etwa aus indigenen Territorien Kolumbiens verbrannt wird. Ein neues Milliardenprojekt bahnt sich aktuell in Brasilien an: Inmitten eines Naturschutzgebietes im Municipio Alcântara beteiligt sich die DB am Bau eines riesigen Hafens einschließlich Schienennetz, um tonnenweise Erze, Soja und Wasserstoff abzutransportieren. So erklärt sich auch der Besuch von Kanzler Olaf Scholz oder der Minister Robert Habeck und Cem Özdemir in dem südamerikanischen Land. Die deutsche Botschaft forderte zuvor Informationen über das Projekt an, und Bundesregierung sowie deutsche Unternehmen sprechen seitdem neben ökonomischem Potential von „Sorgsamkeit in sozialen und Umweltbelangen“. Diese sehen in Wirklichkeit so aus: Zerstörung unberührter Ökosysteme und Angriffe der brasilianischen Luftwaffe auf die lokalen indigenen Gemeinschaften der Quilombolas. Es ist dasselbe Muster wie beim „Tren Maya“, es sind dieselben Akteure: Neben der DB zeigen die deutsche Entwicklungsbank KfW und die GIZ ihr Interesse.
Kooperation mit Unternehmen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind
Die Umweltzerstörung und die tödlichen Attacken auf Landrechtsverteidiger:innen, die Verfolgungen und das „Verschwindenlassen“ von Gegner:innen der Projekte gelten in Deutschland zynischerweise als Strategie zur Einhaltung der eigenen „Klimaziele“: In einer parlamentarischen Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneter der Linkspartei heißt es: „Im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zählt Mexiko für die Bundesrepublik Deutschland als ein globaler ‚Schlüsselpartner‘ hinsichtlich der Umsetzung klimafreundlicher Entwicklungsstrategien. So zählte Mexiko im Jahr 2017 zu einer der ‚zehn größten Empfänger deutscher Klimafinanzierungen‘. Ein Großteil dieser Investitionen wird hauptsächlich durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH an staatliche Organisationen und Ministerien in Mexiko übermittelt. Aktuell finanziert die GIZ mit einem Volumen von 19 Mio. Euro Projekte in Mexiko, die in den Themenbereich ‚erneuerbare Energie‘ fallen. Auch private deutsche Unternehmen, wie etwa Siemens, investieren in Mexikos Windenergie. Dabei steht gerade Siemens unter Verdacht, durch technische Unterstützung der Windparkanlagen in Mexiko Menschenrechtsverletzungen mitverschuldet zu haben.“ Es ist ein perfides Vorgehen: Im Zuge einer mexikanisch-deutschen Energiepartnerschaft kooperiert die deutsche Regierung direkt mit mexikanischen Banken, Unternehmen und Institutionen, welche nachweislich für schwere Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich sind. Durch Windparkanlagen in Mexiko beispielsweise sollen die deutschen Klimaziele eingehalten werden, doch auch diese Anlagen vertreiben indigene Gemeinden, die am Ende nicht einmal den generierten Strom nutzen können: Dieser fließt in die großen Fabriken der neuen Industriekorridore, etwa zur Herstellung von Billigweißbrot oder Textilien. Wo indigene Traditionen der Webkunst Stoffe mit Leben erfüllen, werden bald unter menschen- und umweltunwürdigen Bedingungen industriell hergestellte „Trachten“ mit Billigstoffen aus Asien an die Tourist:innen verkauft. Gemeinsam zerstören diese Großprojekte einzigartige Ökosysteme, die zuvor von den indigenen Bewohner:innen des Territoriums geschützt worden sind.
„Klimaschutz kann auch einfach sein“ propagiert die DB, „Klimaschutz und Wohlstand verbinden“ die deutsche „Fortschrittskoalition“. Seit 2018 gehört dazu auch die Neustrukturierung Südmexikos. Seit 2018 wurden in Mexiko 177 Menschenrechtsverteidiger:innen ermordet.
Inmitten der globalen Klimakatastrophe und des enormen Artensterbens treiben die multinationalen Konzerne mit Hilfe auch von sich selbst als „links“, „grün“, oder „fortschrittlich“ bezeichnenden Regierungen unaufhaltsam die Ausbeutung der letzten intakten Ökosysteme und die Vernichtung ihrer besten Beschützer:innen - der indigenen Gemeinden - voran. Der Widerstand dagegen muss sich nicht als die marxsche „Lokomotive“ verstehen, sondern, mit Walter Benjamin, als „Notbremse“.
Websites:
https://www.ya-basta-netz.org/tren-maya-made-in-germany/
https://netz-der-rebellion.org/
Social Media: @TrenMayaStoppen @AgRecherche
Titelbild: Militäreinheiten auf einer Baustelle des „Tren Maya“ in Südmexiko