Von Yucatán nach Kurdistan: Kämpfe verbinden gegen Ökozid und Kapitalismus

Beim „TATORT Kurdistan Café“ in Hamburg gab es Vorträge der „Initiative Demokratischer Konföderalismus“ zur ökologischen Kriegsführung in Kurdistan und der Recherche-AG „Netz der Rebellion“ zum militärisch-industriellen Megaprojekt „Tren Maya“ in Mexiko.

Die militärische Gewalt kapitalistischer Mächte setzt nicht allein auf die Wirkung ihrer Waffen, sondern auch auf die Zerstörung von Lebensgrundlagen der Menschen, die sie unterwerfen wollen. Und die „Entwicklungspolitik“ von Regierungen und Konzernen hat selten allein wirtschaftliche Entwicklung zum Ziel, sondern will meistens die Gesellschaft auch machtpolitisch dominieren und unterwerfen. Dieses Feld „ökologische Kriegsführung“ wurde im „TATORT Kurdistan Café“ von zwei Vorträgen beleuchtet und gemeinsam diskutiert.

Erst gab Pawel von der „Initiative Demokratischer Konföderalismus“ (IDK) eine Einführung zu den Begriffen „Spezialkrieg“, „ökologische Kriegsführung“ und „Ökozid“, die seit dem Masseneinsatz von Herbiziden der USA in Vietnam völkerrechtlich diskutiert werden. Der „Spezialkrieg“ der türkischen Armee in Kurdistan weise alle Merkmale von ökologischer Kriegführung auf, da er sich durch Abholzung, Brandstiftung und Überflutung direkt gegen die Natur richte, die die technologische Kriegführung behindere. Auch vermeintlich zivile Infrastrukturprojekte, wie das Staudammprojekt in Heskîf (tr. Hasankeyf) seien Teil dieser Kriegführung, da sie durch Massenvertreibung der Bevölkerung und großflächiger Abholzung strategische Ziele des Anti-Guerillakrieges verfolgen.

In Rojava gehe die Unterwerfung und Kontrolle der Gesellschaft durch Umweltzerstörung dagegen bis auf das Assad-Regime zurück, dass ab den 1970er Jahren gezielt die traditionelle Selbstversorgungswirtschaft der kurdischen Bevölkerung zerstört hatte und die Einführung zentralisierter, industrialisierter Monokultur und Pestizideinsatz durch eine Kampagne der kulturellen Entfremdung und Unterdrückung begleitete.

Die Türkei ziele in ihren Angriffen gegen die demokratische Selbstverwaltung direkt auf die Natur als gesellschaftliche Lebensgrundlage. Ihre islamistischen Söldner zerstören in Efrîn systematisch die dortigen Olivenbäume, vernichteten Weizenfelder durch Brandstiftung und sabotieren die Wasserversorgung.

Die demokratische Selbstorganisierung als Widerstandsmethode nannte Pawel als Mittel gegen Ökozid in dreierlei Hinsicht: Selbstverteidigung, Information und Aufbau des Demokratischen Konföderalismus. Die Selbstverteidigung schütze gegen direkte militärische Übergriffe, aber auch gegen Angriffe auf die Natur, etwa durch die Aufstellung von Feuerwachen in von Brandstiftung bedrohten Weizenfeldern. Information und Bildung helfen der Gesellschaft, die eigenen Lebensgrundlagen zu verstehen und zu schützen. Der Demokratische Konföderalismus als gesellschaftliche Organisationsform schließlich durchbreche die kapitalistische Logik der Naturzerstörung und Profitmaximierung.

Gut besuchte Veranstaltung des monatlichen TATORT Kurdistan Café im Centro Sociale

Kriegerische Zerstörung in Mexiko

Im Anschluss gab Victor von der Recherche AG vom „Netz der Rebellion" einen Einblick in die Pläne eines kapitalistischen Megaprojektes, wo Militärs, staatliche Eliten und internationale Konzerne kollabieren, um wirtschaftliche, militärische und machtpolitische Ziele miteinander zu verbinden, und zwar bei den Projekten „Corredor Transnistmico“ und „Tren Maya“. Hier laufe unter Oberhoheit des mexikanischen Militärs eine riesige Infrastrukturmaßnahme, um den Süden Mexikos für den internationalen Warenverkehr zwischen Atlantik und Pazifik zu erschließen, eine Schnellzugstrecke, den „Tren Maya“, für Tourist:innen durch die unerschlossenen Teile der Halbinsel Yucatáns zu schlagen und gleichzeitig die militärische Kontrolle der Region durch ein Netzwerk von Stützpunkten auszubauen, um Migrant:innen aus dem Süden, aber auch die lokale Bevölkerung durch direkte Gewalt kontrollieren zu können.

Beteiligung von Deutsche Bahn am „Tren Maya“

Im Zentrum der Recherche stand der deutsche Konzern „Deutsche Bahn“, da dessen Beteiligung am „Tren Maya“ durch die mexikanischen Akteure stolz hervorgehoben und gleichzeitig zu ihm als Staatskonzern das rechtsstaatliche Mittel der parlamentarischen Auskunftspflicht bestehe. Bis jetzt beschränkt sich die Rolle der Deutschen Bahn allerdings offensichtlich auf Planungs- und Projektarbeit, jedoch besteht Aussicht auf weitergehende Beteiligung.

Die Folgen für die Umwelt dieses Megaprojektes macht die Überschneidung zwischen Machtpolitik, ökologischer Kriegsführung und Ökozid deutlich. Die Abholzung des Regenwaldes auf Yucatán wird vorangetrieben. Das sensible, Grundwasser führende Höhlensystem wird stark gestört und geschädigt und die Möglichkeiten der traditionellen Subsistenzwirtschaft der Bevölkerung wird zerstört und durch Massenansiedlungen als Arbeitskräftereservoir für die Tourismus- und Niedriglohnindustrie ersetzt, die drohen, wie im Norden Mexikos eine Brutstätte des organisierten Verbrechens und Menschen- und Drogenhandels zu werden.

In der Diskussion wurde zunächst die beeindruckende Recherchearbeit vom „Netz der Rebellion“ gelobt, aber angemerkt, dass Staatskonzerne wie „Deutsche Bahn“ alleine wegen ihrer öffentlichen Auskunftspflicht im Fokus stünden, während Konzerne im Privatbesitz im Schatten blieben. Unterschiedliche Stimmen gab es zu dem Fokus der Vorträge. Einige wünschten sich gerade zum Thema „Ökozid in Kurdistan“ eine viel stärkere Betonung der Verwicklung des deutschen Staates und deutscher Konzerne im Sinne eines Narrativs des „globalen Nordens“, der letztlich in allen politischen Vorgängen außerhalb Europas und Nordamerikas bestimmend sei. Andererseits gab es den Wunsch, die Trennung zwischen wohlmeinenden, westlichen Solidaritätsstrukturen und vermeintlich dankbaren Hilfsempfängern im „Globalen Süden“ niederzureißen und sich mit lokalem Handlungsfokus als Teil derselben globalen Kämpfe zu begreifen.

Internationalistischer Kampf braucht globale Perspektive

Einigkeit bestand in dem Ziel, Widerstände besser zu vernetzen. „Die Mächtigen vernetzen sich global, dann muss die Zivilgesellschaft es auch können“, hieß es dazu. Ein gelebter internationalistischer Kampf brauche diese globale Perspektive. Konkrete Möglichkeiten zur künftigen Zusammenarbeit wurden im Rahmen des „Rheinmetall entwaffnen“-Camps im August sowie bei den Protesten gegen den G-7-Gipfel im Juni gesehen.