Reisetagebuch: Der Süden widersteht – Tag 6

Die Protestreise der Karawane „Der Süden widersteht“ gegen Zerstörungsprojekte im Südosten Mexikos geht weiter. Die Compas des Campamento „Tierra y Libertad“ sind wieder frei und das Protestcamp wurde wiederaufgebaut. Doch die Repressionen halten an.

30. April 2023

Wir schlafen ein im Schatten des Tren „Maya“. Große Betonpfeiler tragen zehn Meter lange, rote Stahlgerüste, auf denen verlegte Betonplatten den Schienenfluss erlauben sollen. Dies alles in über fünf Metern Höhe - so sehen wir die Konstruktion noch aus der gegenüberliegenden Halle mit Wellblechdach, die heute unsere Unterkunft werden soll. Wir sind spät angekommen, wurden auch bei der Essenspause kurz zuvor nicht von der Guardia Nacional in Ruhe gelassen, und viele legen sich direkt hin. Doch der Himmel öffnet sich, und ein Regenschauer um 4 Uhr morgens zwingt die Müden, die sich ob Platzmangels vor der Halle niedergelassen hatten, nun doch einmal zu duschen.


Keine Fotos existieren von der gemeinsamen Gedenkzeremonie am nächsten Morgen, welche die compas aus Candelaria für die Genoss:in Bety organisieren. Es sind die Kinder, welche die Karawane begleiten, die hierbei die zentrale Rolle einnehmen.

Unmittelbar im Anschluss, und unter den Augen Betys im Hintergrund, werden erstmals die konkreten Folgen des Tren „Maya“ und dessen Rolle als Teil der „territorialen Umstrukturierung Südmexikos“ thematisiert: Paulette vom Menschenrechtszentrum Digna Ochoa beschreibt den Grundgedanken der Karawane: „Die Karawane zieht durch den Süden, der aktuell nur wegen des Drogenhandels sichtbar ist. Diesen Süden will nun auch der Staat ohne die Zustimmung der einzelnen Gemeinden ausbeuten. Deshalb reisen wir nun mit ebendiesen Gemeinden durch die betroffenen Gebiete“ – so wird das Wort an den lokalen, zivilen Widerstand von Candelaria, Campeche übergeben.

Seit 17 Jahren Widerstand gegen Stromtarife

Manuela berichtet: „Vor 17 Jahren begannen wir den Widerstand gegen die hohen Stromtarife. Wir wurden müde, weil wir den Kommissionen unsere unbezahlbaren Rechnungen vorlegten und sie nichts taten. Also begannen wir uns zu organisieren und Widerstand zu leisten. Jetzt haben wir fünf politische Gefangene zu beklagen. Und sie haben angekündigt, dass der Strompreis wieder steigen wird. Das können wir uns nicht leisten. Wir fordern, dass der Zugang zu Elektrizität als Menschenrecht anerkannt wird, und zwar zu fairen Tarifen. Auch für Diesel und Lebensmittel verlangen sie mehr.“

Sara, ebenfalls aus Candelaria, stellt anschließend einen Zusammenhang zu den Megaprojekten her, vor allen zu jenem, welches hier drohend über uns thront: „Das Problem der Vertreibung von Familien aufgrund der Megaprojekte ist zentral. Die Familien, die [wegen der Baustelle] ihr Zuhause verloren haben, sind noch nicht umgesiedelt worden und so der Gefahr durch kriminelle Organisationen ausgesetzt. Das bedeutet für uns die [neue Regierung der] 4T. Es gibt auch ein großes Gesundheitsproblem wegen der Maschinen, die den Maya-Zug bauen. Unser Fluss wurde blockiert [für das Passieren des Zuges in Teilen zugeschüttet, s.u.], und sie haben nur wenige Meter für das Passieren des Wassers übriggelassen. Es war ein sehr sauberer Fluss, und jetzt verseuchen sie ihn. Wenn der Regen kommt, gibt es Überschwemmungen. Durch den Bau der Eisenbahn wird die Gemeinde physisch in zwei Teile geteilt. Das sind Megaprojekte mit tödlichen Folgen, die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind enorm, und die Militarisierung hat einen unhaltbaren Zustand erreicht. Wir hätten uns nie vorstellen können, so etwas zu erleben. Wir werden kriminalisiert.“

Schnell wird ersichtlich: Die Probleme der Militarisierung, der massiven Umweltzerstörung, dies sind hier teilweise Entwicklungen, die neuer sind als etwa in Oaxaca, wo uns dutzende organisierte Gemeinden des Widerstands in Puente Madera empfingen. Die Megaprojekte treffen hier mit Wucht auf Gemeinden, die sich bisher nicht politisch organisierten. Umso leichter fallen auch die Einschüchterung und Repression gegen die Gegner:innen der Projekte.

Fatale Spaltung der Gemeinde hinsichtlich Tren „Maya“

Eréndira O. aus Paraíso Nuevo berichtet davon: Es gab einen Angriff gegen uns von zwei Personen der FONATUR [der staatlichen, für den Tren „Maya“ mitverantwortlichen Tourismusbehörde], in Zusammenarbeit mit dem Gemeindebeauftragten. In Paraíso Nuevo gab es nie eine Unterstützung für den „Maya“-Zug. Wir hielten zwei Sitzstreiks ab, [dort, wo die Familien ihr Zuhause für den Bau des „Maya“-Zuges verlassen sollten]. FONATUR kam. Wir forderten auch Geld als Entschädigung für die Verluste [durch den Bau des „Maya“-Zugs]. Der letzte Sitzstreik fand statt, weil Javier May [zu dieser Zeit noch Direktor der FONATUR] gesagt hatte, dass diejenigen, die nun keine Wohnung und kein Land [mehr] haben, bezahlt werden würden. Wir sprachen mit FONATUR und sie baten uns, die Straße freizugeben, aber wir sagten, wir würden erst umziehen, wenn sie mit den Arbeiten begonnen hätten. FONATUR und die Federales [Policia Federal] kamen und entfernten uns. Sie haben zwei unschuldige Menschen mitgenommen. Diese hatten nichts getan, nur diskutiert. Sie wollten sie hinter Gittern sehen, weil sie dachten, sie seien die Anführer [des Streiks]. Wir können doch nicht alle weg von hier, nicht alle Leute haben ein Auto, die alten Leute werden sich nicht mehr fortbewegen können, die Alten im Rollstuhl.“

Sie spricht auch über die fatale Spaltung der Gemeinde in Bezug auf den „Maya“-Zug: Eine Spaltung, die uns heute noch entgegenschlagen wird: „Viele sehen nicht wirklich den Schaden, den es das Projekt den Menschen zufügt, jetzt schafft es Arbeitsplätze, aber wenn [die Bauarbeiten] vorbei sind, was wird dann passieren? Wir sehen nicht, dass sie die [angekündigte] Fußgängerbrücke [über den Rio Candelaria] bauen werden, sondern nur eine Brücke 100 bis 200 Meter außerhalb der Stadt. Im Moment können wir dort nicht protestieren, weil dort Soldaten und Wachen stehen. Diese denken nicht wie menschliche Wesen. Bis jetzt müssen wir abwarten, was passiert.“

 


Autonomer Regionalrat von Chiapas: Territoriale Ausdehnung ist territoriale Enteignung

Der mitgereiste, autonome Regionalrat von Chiapas, stellt die Situation in Candelaria als Teil des großangelegten Projekts der „territorialen Neuordnung“ dar: „Pijijiapan, Tonalá, Mapaztepec, Palenque, überall [in Chiapas] sehen wir auch diese Probleme: „Gebührenpflichtige Straßeninfrastruktur, Gaspipelines, den Maya-Zug, hohe Strompreise, die Ausweitung der Windparks auf das Gebiet von Tonalá, von Chimalapas bis zu einem Teil der Küste. Das Projekt der territorialen Ausdehnung ist eine territoriale Enteignung. Wir fordern keine Vertreibung mehr von unseren Territorien, ein Ende der Unsichtbarkeit, Hilfe im Migrationsprozess. Wir brauchen ein nationales Netzwerk des zivilen Widerstands, und euch Verbündete der Zone Campeche. Der Regionale Autonome Rat der Küste von Chiapas besteht seit 13 Jahren. Es begann mit dem Widerstand gegen die hohen Zölle. Jetzt haben wir alle Probleme erkannt und kämpfen gegen die Umweltverschmutzung, zum Beispiel wegen der intensiven Hühnerfarmen [große Massentieranlagen], es gibt ein Wasserkraftwerksprojekt und sie wollen die Gaspipeline erweitern. Sie wollen Straßen bauen, um die Rentabilität des Maya-Zuges zu erhöhen, aber die Durchfahrt wäre nicht kostenlos, sondern kostenpflichtig, und das ist nicht im Sinne der Menschen, denn wie sollen wir von einer Gemeinde zur anderen kommen? Der Kontext hat sich verändert, es wurden Gemeindeverteidiger inhaftiert und werden von der Nationalgarde, der Armee, der Migra und auch von der Presse schikaniert. Wir sind Teil des zivilen Widerstands wie in Campeche, die Rechnungen sind sehr hoch, wir können keine 1000, 2000, 3000 Pesos bezahlen, es ist eine heiße Zone, wir brauchen mindestens einen Kühlschrank und einen Ventilator, die [Strom-]Preise machen keinen Sinn. Es gibt politische Unsicherheiten, weil einige Fragen von den Behörden in Oaxaca geregelt werden, aber wir sind Teil des Bundesstaates Chiapas. Bei diesem großen Projekt der 4T geht es nicht um territoriale Expansion, sondern um Enteignung. Und alle sagen, dass in der Region Chiapas nichts passiert. Es gibt auch die Migrationsrouten, es ist nicht die Schuld der Migranten, aber das erzeugt Probleme, wegen der Kontrollpunkte und der neuen Kasernen des Migrationsinstituts. Das ist ein Problem.“

Das Kapital führt einen Krieg gegen diejenigen, die von unten kommen

Auch eine compa aus dem Itsmo wirft ein: „Wir in Juchitán, wir kämpfen auch gegen die Großprojekte, wir sind gegen die Windparks, sie rauben uns die Luft und machen uns krank.“ Pedro, aus dem Süden von Veracruz berichtet: „Wir sind seit fast 20 Jahren im Widerstand. Das Einzige, was wir von der Regierung verlangen, ist, dass sie unseren Kampf respektiert. Wir können einfach nicht zulassen, dass das Wasser, das uns das Leben geschenkt hat, dem Kapitalismus überlassen wird. Aber diese Regierung will das Territorium der indigenen Gemeinden gänzlich in die Hände des Kapitalismus geben. AMLO sollte sich und seine Politik nicht den bäuerlichen Gebieten aufdrängen; im Gegenteil, sollten die Bauern von der Regierung unterstützt werden. Aber sie wollen Industrieparks, von denen große ausländische Unternehmen profitieren. Wir werden kämpfen, um unsere Territorien zu verteidigen.“

Eine Delegation des CNI ruft zum gemeinschaftlichen Widerstand auf, und ein Delegierter der italienischen „Ya Basta | Êdî bese!“ erhebt diesen Anspruch auf ein internationales Level: „Wir aus den verschiedenen Kontinenten glauben an denselben Kampf, den wir alle führen. Das Kapital führt einen Krieg gegen diejenigen, die von unten kommen, das System will nicht, dass wir die Ähnlichkeiten sehen, die wir (er)leben. Gemeinsam können wir aber gegen das System kämpfen, und für das Leben!“

Unter diesem Vorsatz formiert sich nun ein Demonstrationszug, der an der Baustelle des Tren „Maya“ vorbei zum Fluss „Candelaria“ und die betroffenen Stadtviertel führen wird.


Überflutungen und Unfälle vorprogrammiert

Dabei ist zweierlei ersichtlich: Hier in Candelaria glauben Menschen an die Versprechungen des Zuges, ein paar Anwohner rufen der Demonstrationen Beleidigungen entgegen, die Polizei begleitet uns. Andere Anwohner:innen applaudieren. Teile und herrsche. Dabei ist gerade hier, am Fluss von Candelaria, so offensichtlich, wie die Versprechen der Regierungen gebrochen werden: Um den Verlauf des Flusses nicht zu stören, sollte der Zug auf einer Brücke über ihn verlaufen. Offensichtlich begann man mit dieser Intention: Schon an Land stehen daher die hohen Betonpfeiler, die den Zug erhöht passieren lassen, auf Höhe der meisten umstehenden Dächer. Doch ausgerechnet am Fluss angekommen hört diese Erhöhung einfach auf, das saubere Wasser ist mit einem riesigen Geröllhaufen zerteilt worden, der einige Meter hoch ist und dem roten Stahlträger gerade so das „Überbrücken“ ermöglicht. Andersherum hätte diese Konstruktion mehr Sinn gemacht: Fehlte es an Geld, an Zeit? Es sieht alles etwas improvisiert aus. Die Regierung will noch 2023 mit dem Großprojekt fertig werden. Vor einem halben Jahr war hier noch nichts zu sehen, nur der Bauzaun. Nun diese riesige Konstruktion, und ein zerschnittener Fluss. Nicht nur wird Flora und Fauna der Weg den sauberen Fluss entlang verwehrt, auch sind Überflutungen – einschließlich Unfällen des Zuges, der „die echte Flora und Fauna der Península präsentieren“ will, die er nun einsperrt, vorprogrammiert.


Aqua si, Tren Maya no, rufen die Protestierenden, Este Tren no es Maya este Tren es militar.

Wie bei vergangenen Aktionen auch wehte wieder eine kurdische Fahne über der Demonstration. Wieso? Die compas von Ende Gelände haben nachgefragt:

Für Monokulturen und Viehzucht brennende Landschaften 

Wir fahren nun neun Stunden die Yucatán-Halbinsel entlang, bis zur äußersten Spitze des gleichnamigen Bundesstaates. Nach kurzer Zeit tun sich abgebrannte Landschaften auf: Hier wird der Wald verbrannt für Monokulturen, für die Viehzucht. Dazwischen dichter Wald. Und hier, in dieser umkämpften Gegend, erreichen uns gute Nachrichten, gerade, als wir wieder am Meer entlangfahren, und die rote Sonne in den weiten Golf von Mexiko hinabsinkt:

Die PCI-Ucizoni [Union der indigenen Gemeinschaften der nördlichen Zone des Isthmus] teilt mit, „dass uns das Rechtsteam heute gegen 17.55 Uhr darüber informiert hat, dass die sechs Compañeras und Compañeros, die bei dem von Elementen des Marineministeriums, staatlichen Polizeikräften und Angehörigen der Nationalgarde am 28. April im Ejido Mogoñe Viejo Guichicovi durchgeführten Einsatz festgenommen wurden, mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft (Ministerio Público Federal) auf der Grundlage von Artikel 140 der mexikanischen Strafprozessordnung freigelassen wurden. Dabei ist festzuhalten, dass mehrere der festgenommenen Compañeras und Compañeros kleinere Verletzungen aufweisen. Wir möchten den Anwält:innen des Comité de Defensa Integral de Derechos Humanos Gobixha (CodigoDH), Jose Juan Julian und Candelaria Castellanos, dem Anwalt David Peña und den Anwälten Carlos Leonardo, Aquiles Felipe Carrasco und Moises Simeon Vazquez Ramirez, die auf unterschiedliche Weise an der Freilassung der Inhaftierten mitgewirkt haben, für ihre wertvolle Unterstützung danken. Und wir möchten uns auch für die solidarische Unterstützung durch Dutzende von Organisationen, Kollektiven und Bewegungen aus ganz Mexiko und verschiedenen Ländern bedanken und natürlich auch bei den Gemeinschaften, die Ucizoni angehören. La lucha sigue – der Kampf geht weiter. Mit geschwisterlichen Grüßen“.

Erst kurz zuvor war von Misshandlungen der nun Befreiten berichtet worden, aber auch vom nicht aufzuhaltenden Widerstand:

„Trotz der anhaltenden Schikanen durch staatliche und lokale Polizeikräfte sowie Mitglieder der Nationalgarde und der Marine gibt es den Wachtposten am Abschnitt Mogoñe Viejo-Vixidu der Eisenbahnstrecke des Isthmus von Tehuantepec heute seit 63 Tagen. Außerdem wurde das Camp Tierra y Libertad wieder eingerichtet. Die Anspannung ist groß, einmal aufgrund der erwähnten Schikanen und zum anderen, weil bekannt geworden ist, dass gegen einige Teilnehmer:innen des Camps mehrere Haftbefehle erlassen wurden. Die Compañeras [die zu diesem Zeitpunkt noch im gefängnis saßen], berichten von Misshandlungen und eine von ihnen von Missbrauch durch einen Kapitän der Marine.“

Die Gefangenen sind frei!

Nicht der letzte Angriff auf die compas

Es ist an dieser Stelle einmal darauf hinzuweisen, dass dieser Angriff auf die compas, die den „interozeanischen Korridor“ blockieren, nicht der Letzte sein wird. Denn die compas blockieren nicht einfach eine Zugstrecke, die ihre Territorien ausbeutet. Sie widersetzen sich dem weltweiten kapitalistischen System an einer ihrer (zukünftigen) Adern. Miguel von der Organisation Madera de los Pueblos drückte es im Interview auf die Frage hin, wo er die Region des Isthmus in zehn bis 15 Jahren sehe, so aus: „Ich sehe die Region und besonders den Isthmus Oaxaca im Kampf und im Widerstand. Denn der Isthmus hat seit Jahrhunderten, in spanischer und sogar in vorspanischer Zeit organisierten Widerstand gegen Eroberung und Kolonialismus geleistet. Auch 1996 gab es gegen das Projekt von Zedillo einen sehr gut artikulierten, kongruenten Widerstand. Ich glaube also, dass sich die Region auch in Zukunft im Kampf um eine Neuordnung befinden wird. Eine traditionelle Form des Kampfes in der Region sind Straßenblockaden. Stellen sie sich vor, dass die indigenen zapotekischen Genoss:innen aus Donaji oder Juchitán die interozeanischen Züge blockieren könnten. Dabei würde der Weltkapitalismus jede Minute Geld verlieren und wird versuchen, den Protest dem Erdboden gleichzumachen. Deshalb müssen wir wachsam und solidarisch mit der gesamten Bewegung sein.“

Lasst uns dies heute, am ersten Mai, dem antikapitalistischen Kampftag, zu Herzen nehmen.

Der reißende Strom wird gewalttätig genannt, aber was ihn einengt, nennt keiner gewalttätig. (nach Brecht)

Botschaft solidarischer compas aus Deutschland

Hier ein kurzer Redebeitrag der solidarischen compas aus Deutschland zum 1. Mai und der Karawane „El Sur Resiste“:

„Zurzeit findet in Mexiko die Karawane „El Sur Resiste“ – Der Süden leistet Widerstand – statt. Indigene Organisationen des ganzen Landes und Aktivist:innen aus über zehn Ländern reisen durch den Süden des Landes, um sich zu vernetzen und den Widerstand gegen neoliberale Megaprojekte der angeblich linken Regierung zu stärken. Diese Megaprojekte – namentlich der interozeanische Korridor und der sogenannte Maya-Zug, Tren Maya – sollen dem Süden des Landes endlich „Entwicklung“ bringen, so die offizielle Darstellung.

Doch was ist das für eine Entwicklung und warum finden wir es wichtig, am 1. Mai darüber zu sprechen?

Zum einen, weil diese neoliberale Entwicklung Klassenkampf von oben und gegen Indigene ist: Die betroffenen indigenen Gemeinschaften leben größtenteils in Subsistenzwirtschaft. Sie produzieren also nichts für den kapitalistischen Markt und sie konsumieren kaum Waren vom kapitalistischen Markt. Damit sind sie der Regierung ein Dorn im Auge, denn sie blockieren das Land, auf dem sie leben, für die Ausbeutung durch Konzerne. Wo indigene Gemeinschaften leben, können der Wald nicht gerodet, die Ressourcen nicht aus dem Boden geholt werden. Sie verteidigen ihr Land gegen die „Megaprojekte des Todes“, wie sie sie nennen. Der Tren Maya bspw. besteht aus einer Zugstrecke und Autobahnen, aus Industrieparks und Massentourismus. Er bedroht den Regenwald ebenso wie die bäuerlich-indigene Lebensweise der Maya, ihre Subsistenzwirtschaft, ihre Kultur und die Ökosysteme, mit denen sie seit Jahrhunderten im Einklang leben.

Wenn hier also Entwicklung versprochen wird, dann bedeutet das im Klartext, dass die Indigenen ihre traditionelle Lebensweise aufgeben und stattdessen prekäre Jobs in den Städten annehmen sollen. Hotelangestellte, Straßenverkäuferinnen oder gleich Handlanger der Drogenkartelle. Ihr Land kann dann endlich ausgebeutet werden: Großkonzerne teilen sich den Kuchen auf, entziehen alle Ressourcen wie Holz oder Minerale und verwandeln die Landschaft in eine Wüste von Monokulturen, die eben profitabler sind als die kleinbäuerlichen, biologisch sehr diversen Felder und Wälder.

Bei dieser neokolonialen Umstrukturierung sind natürlich auch deutsche Konzerne mit am Start, wie etwa Siemens oder die Deutsche Bahn, die beim Tren Maya als sog. „Schattenbetreiber“ involviert ist. Das gibt uns die Verantwortung, aber auch die reale Möglichkeit, den Widerstand gegen diesen Klassenkampf von oben zu unterstützen!

Das führt mich zum zweiten Grund, warum wir heute hier von diesem Thema berichten. Die Karawane findet gerade jetzt statt, und sie braucht internationale Aufmerksamkeit, um sich vor den Repressionsorganen zu schützen und um Druck auf die beteiligten Konzerne auszuüben. Erst vor ein paar Tagen wurde ein Protestcamp, das die Karawane am Vortag besucht hatte, von Polizei, Nationalgarde und Marine gemeinsam überfallen, verwüstet und mehrere Menschen festgenommen. Vor allem dank der beeindruckenden Organisation der lokalen indigenen Gemeinschaften, aber auch dank der internationalen Solidarität konnte das Camp zurückgewonnen werden, die sechs Genoss:innen sitzen aber noch in Haft. Hier muss also noch weiter Druck gemacht werden!

Lasst uns gemeinsam den Kampf der indigenen Compas (also Genoss:innen) gegen neoliberale und neokoloniale Ausbeutung unterstützen! Greifen wir die beteiligten deutschen Konzerne an und fordern wir sie auf, sich aus dem Tren Maya und dem interozeanischen Korridor zurückzuziehen! Zeigen wir außerdem dem mexikanischen Staat, dass wir an der Seite der Karawane stehen, dass wir nicht zulassen werden, dass sie durch Repression um ihr Recht gebracht werden, zu protestieren und ihr Land zu verteidigen!

In den sozialen Medien könnt ihr unter #TrenMayaStoppen auf dem Laufenden bleiben und die Öffentlichkeitsarbeit für die Karawane unterstützen! Auf unserer Fake-Deutsche-Bahn-Website deinebahn.com findet ihr ausführliche Informationen zu den Megaprojekten, ihren Umweltauswirkungen, den beteiligten Konzernen und den indigenen Widerständen. Tun wir unseren Teil, dem deutschen Kapital seine Raubzüge zu vermiesen!

Nein zum Tren Maya, nein zum interozeanischen Korridor! Für die Selbstbestimmung der indigenen Gemeinschaften!“


▪ Was europäische Unternehmen mit den Megaprojekten zu tun haben, erfahrt ihr hier: https://deinebahn.com

▪ Für aktuelle Informationen rund um die Karawane „Der Süden widersteht“ auf Twitter: @TrenMayaStoppen @AgRecherche

▪ Websites: https://www.elsurresiste.org | https://deinebahn.com