Wo Nagihan Akarsel weiterlebt: Studienhaus in Aleppo

In Aleppo ist ein Jahr nach dem Mord an der Jineolojî-Forscherin Nagihan Akarsel ein nach ihr benanntes Lesehaus eröffnet worden. Die Einrichtung steht der gesamten Bevölkerung offen und wird vor allem von jungen Menschen genutzt.

Mala Xwendînê ya Şehîd Nagîhan Akarsel

Die Jineolojî-Forscherin Nagihan Akarsel ist am 4. Oktober 2022 vor ihrer Wohnung in der südkurdischen Metropole Silêmanî vom türkischen Geheimdienst ermordet worden. Ein Projekt, an dem die Kurdin lange Zeit arbeitete, war das Frauenforschungszentrum in Silêmanî, das von ihren Mitstreiterinnen vollendet und im Juni 2023 eröffnet wurde. Eine weitere Einrichtung, in der Nagihan Akarsels Arbeit fortgesetzt wird, ist das nach ihr benannte Studienhaus im syrischen Aleppo. Das „Mala Xwendînê ya Şehîd Nagîhan Akarsel“ im Stadtteil Şêxmeqsûd wurde ein Jahr nach dem Mord vom Jineolojî-Zentrum in Aleppo gegründet und steht der Bevölkerung zwölf Stunden täglich offen.


Wie Ferîde Musa vom Jineolojî-Zentrum gegenüber ANF erklärte, ist das Lesehaus ein Novum für die Menschen in den selbstverwalteten Stadtteilen Şêxmeqsûd ve Eşrefiyê: „Es steht Menschen aller Altersgruppen offen. Wir haben Bücher für Kinder, für Schülerinnen und Schüler und für alle Teile der Gesellschaft. Es sind kurdische und arabische Bücher, und es gibt auch englische Texte.“

Unter den Nutzer:innen der Einrichtung seien viele Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht die Möglichkeit hätten, zu lesen und sich zu konzentrieren, sagte Ferîde Musa: „In unseren Regalen stehen Romane und Sachbücher, es gibt auch philosophische Werke. Wir versuchen, dem Bedarf der Gesellschaft gerecht zu werden und die Auswahl zu vergrößern. Es gibt Gruppen, die hier gemeinsam ein von ihnen ausgewähltes Buch lesen und darüber diskutieren. Dadurch entsteht ein Gedankenreichtum und Selbstbewusstsein. Die gesellschaftliche Solidarität wird gestärkt.“

Mit dem Studienhaus soll der Tendenz entgegengewirkt werden, dass im digitalen Zeitalter immer weniger Bücher gelesen werden, so Ferîde Musa: „Vor allem die Jugend beschränkt sich zunehmend auf Schulbücher. Damit wird der Blickwinkel begrenzt. Bücher erweitern den Horizont, deshalb braucht es ein reiches Angebot. Heutzutage gibt es zwar noch eine Buchkultur, aber digitale Angebote treten in den Vordergrund. Damit wird das Gefühl zwischen Mensch und Buch getötet. Die Jugend ist überwiegend auf das Internet fixiert und informiert sich über fragwürdige Quellen. Wir sammeln Bücher, die die gesellschaftliche Kultur fördern. Unser Ziel ist eine gesunde Gesellschaft. Die Familien vertrauen uns. Die meisten Eltern glauben, dass das Studienhaus der richtige Ort für ihre Kinder ist, damit sie auf einer richtigen Grundlage aufwachsen und in Ruhe nachdenken können. Und die Jugendlichen sind glücklich, wenn sie sich hier treffen, gemeinsam lesen und arbeiten und sich gegenseitig unterstützen.“