Dritte Phase von Anti-IS-Operation in Camp Hol abgeschlossen

Die dritte Etappe der „Humanitären Sicherheitsoperation“ im berüchtigten Camp Hol ist abgeschlossen. Die YPJ-Sprecherin Rûken Cemal informierte über den Verlauf und forderte die Herkunftsstaaten der internierten IS-Mitglieder auf, sie zurückzuholen.

Die dritte Phase der „Humanitären Sicherheitsoperation” gegen Strukturen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Auffang- und Internierungslager Hol in Nordostsyrien ist beendet. Das gab die YPJ-Sprecherin Rûken Cemal am Dienstag bei einer Pressekonferenz in dem Camp bekannt. Der Einsatz sei wie geplant verlaufen und erfolgreich zum Abschluss gebracht worden. Um eine dauerhafte Atmosphäre der Sicherheit und Stabilität in Hol zu schaffen, sei jedoch internationales Handeln erforderlich.

Die letzte Etappe der Operation in Camp Hol, die im Frühjahr 2021 unter dem Eindruck terroristischer Anschläge gegen Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers, humanitäre Hilfsorganisationen und Sicherheitskräfte aufgenommen wurde, war vor zehn Tagen eingeleitet worden. Neben den Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) waren an dem Sicherheitseinsatz auch die Kräfte der inneren Sicherheit (Asayîş) und der Militärverband QSD (Demokratische Kräfte Syriens) beteiligt. Die internationale Koalition gegen den IS unterstützt die Operation durch Luftüberwachung. Ziel des Vorgehens in dem Lager etwa 45 Kilometer östlich von Hesekê war die Zerschlagung von IS-Strukturen, die die Reorganisierung der Terrormiliz vorantreiben und innerhalb sowie außerhalb des Camps über klandestine Zellen Anschläge verüben.

An der Operation waren auch Spezialeinheiten der QSD beteiligt, darunter die Hêzên Komandos und YAT/HAT-Einheiten (c) QSD

Cemal: IS wollte Hol vollständig besetzen

Camp Hol gilt als Brutstätte und neue „Hauptstadt“ des IS. In dem Lager leben aktuell etwa 50.000 Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Ein großer Teil der Bewohnerschaft besteht jedoch aus Minderjährigen, denen die IS-Doktrin beigebracht wird. „Deshalb war eines der primären Ziele der Operation, die Gefahr, die von der neuen Generation von Terroristen – die in Hol geschaffen wird – ausgeht, einzudämmen“, erklärte Cemal. Sie betonte, dass in die Planung der dritten Phase der Sicherheitsoperation auch Erkenntnisse aus Vernehmungen von zuvor festgesetzten IS-Mitgliedern eingeflossen sind. „Die Ergebnisse der Verhöre zeichneten ein deutliches Bild von der Tatsache, dass die Angriffe des türkischen Staates auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien der Reorganisation des IS dienen und unser Engagement gegen den Terror unterminieren“, so Cemal. „Der IS traf konkrete Vorbereitungen, Camp Hol vollständig einzunehmen.“

85 Festnahmen, darunter ranghohe IS-Mitglieder

Zu den technischen Aspekten des Einsatzes gab die YPJ-Sprecherin an, dass alle acht Abschnitte des Lagers intensiv durchsucht worden sind und dabei neben mehreren Tunnelschächten und unterirdischen Verstecken auch unzählige Waffen und Munition sowie diverses militärisches Equipment gefunden wurde. Dazu zählten Sturm- und Maschinengewehre, inklusive mehrerer AK-47 (sogenannte Kalaschnikows), Landminen und andere Sprengsätze, Handgranaten und Handfeuerwaffen. Auch stellten die Einsatzkräfte eine nicht näher bezeichnete Menge von Drogen sicher. Die Zahl der Festnahmen von IS-Mitgliedern gab Cemal mit 85 an. Unter ihnen befänden sich sowohl Unterstützer als auch einschlägige Söldner, die Teil eines lagereigenen Zellennetzwerks der Dschihadistenmiliz seien, und der IS-Verantwortliche für die extremistische Indoktrination von Kindern und Jugendlichen sowie deren Erziehung zum vermeintlichen Dschihad.

Radikalisierter Junge in Camp Hol zeigt die Kopf-Ab-Geste (c) QSD

Befreiung von Ezidin aus Şengal für YPJ Herzstück der Operation

„Als wichtigen Erfolg dieser Operation werten wir auch die Ausschaltung von Mahmoud al-Lahibi alias Abu Sufyan bei einem Einsatz außerhalb von Hol. Er war der sogenannte Emir der klandestinen Zellen hier im Lager und zuständig für die Planung von Attentaten, die sich nicht nur auf Hol beschränkten“, sagte YPJ-Sprecherin Rûken Cemal. Die Befreiung einer 2014 im Alter von 15 Jahren vom IS aus Şengal verschleppten und in Camp Hol unter der Terrorherrschaft von IS-Anhängerinnen lebenden Ezidin durch die YPJ bezeichnete Cemal als persönliches Herzstück der Operation. „Während dieses zehntägigen Einsatzes haben unsere Kräfte ihre Aufgaben mit großer Disziplin und Präzision erfüllt und dabei alle humanitären Bedingungen des Lagers berücksichtigt. Um den Erfolg der Operation zu gewährleisten und die Bedrohung für die Zivilbevölkerung zu beseitigen, haben die Einsatzkräfte im Vorfeld einen sicheren Ort eingerichtet, an dem die Bewohnerinnen und Bewohner während der Durchsuchungen in den einzelnen Abschnitten untergebracht wurden. Die im Camp tätigen Nichtregierungsorganisationen haben trotz Aufforderung der Lagerverwaltung keine Behelfszelte dafür zur Verfügung gestellt. Die Unterstützung durch die NGOs ist nicht ausreichend“, kritisierte Cemal.

IS-Anhängerin und Kinder zeigen die Geste der radikalen Islamisten, den erhobenen Zeigefinger (c) QSD

Camp Hol ist ein internationales Problem

Doch auch wenn nun Dutzende Terroristen festgenommen wurden und das Lager von zahlreichen Waffen gesäubert sei – die Gefahr, die von den IS-Strukturen in Camp Hol ausgehe, sei damit noch längst nicht gebannt, betonte YPJ-Sprecherin Rûken Cemal. „Solange der Zustand des Lagers unverändert bleibt, es von der internationalen Gemeinschaft nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die nötig wäre, Staaten und Organisationen ihrer Verantwortung nicht nachkommen und die Selbstverwaltung und unsere militärischen Kräfte auf sich allein gestellt werden, mit zehntausenden IS-Leuten aus der ganzen Welt zurechtzukommen, wird die Gefahr konstant auf einem hohen Niveau bleiben.“ Camp Hol müsse als ein internationales Problem betrachtet werden und die drängendste Aufgabe sei es, die IS-Anhänger:innen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. „Nur auf diese Weise können die radikalen Ideen im Lager beseitigt und Hol zu dem machen, was es ursprünglich war: ein sicherer Hafen für Geflüchtete. Die Herkunftsstaaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und ihre Bürgerinnen und Bürger zurückholen, damit nicht nur Syrien sicherer wird, sondern die gesamte Welt“, forderte Cemal.