Türkei: Mehrjährige Haftstrafen für Journalisten

Im Prozess gegen die per Notstandsdekret geschlossene Tageszeitung Özgür Gündem sind sieben Angeklagte, darunter die renommierte Menschenrechtsverteidigerin Eren Keskin, zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Die 14. Strafkammer von Istanbul hat am Dienstag das Urteil gegen sieben Angeklagte im Prozess gegen die per Notstandsdekret verbotene pro-kurdische Tageszeitung Özgür Gündem verkündet. In dem international kritisierten Verfahren gegen 24  Personen wurden die Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin Eren Keskin sowie die Journalistin Reyhan Çapan wegen „Terrorpropaganda“ zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Hüseyin Aykol erhielt zwei Jahre, Tahir Temel und Hüseyin Güçlü ein Jahr und sechs Monate Haft. Die 15-monatigen Haftstafen für Ayşe Batumlu und Reyhan Hacıoğlu wurden zur Bewährung ausgesetzt.

Hintergrund des Verfahrens ist die Teilnahme der Angeklagten an der Solidaritätskampagne „Bereitschaftsjournalismus“. In ihrem Einsatz für die Pressefreiheit in der Türkei übernahmen sie im Jahr 2016 symbolisch den Posten der Chefredakteurin bzw. des Chefredakteurs der Zeitung Özgür Gündem, die vor rund drei Jahren per staatlichem Notstandsdekret verboten wurde. Die Zeitung war eine der wenigen in der Türkei, die ausführlich über die Folgen des Krieges der AKP-Regierung in den kurdischen Siedlungsgebieten berichtete. Das Gericht befand, dass die Verurteilten zum Ziel gehabt hätten, mit ihrer Tätigkeit für Özgür Gündem „Gewalt durch die PKK zu legitimieren und/oder deren gewalttätige Handlungen und Methoden zu fördern“. Somit hätten sie „Propaganda für eine terroristische Organisation“ betrieben. Nicht schuldig befand das Gericht die Angeklagten Ayşe Berktay, Celalettin Can, Cemal Bozkurt, Çetin Ulu, Emrullah Kurcan, Nuray Özdoğan, Ergin Atabey und Özlem Söyler.

An der Verhandlung nahmen nur Eren Kesken, Reyhan Çapan und die Rechtsanwält*innen aller Angeklagten teil. Der Prozess wurde von Mitarbeiter*innen des irischen Konsulats beobachtet. Keskin forderte vom Gericht ihre Freilassung und sagte: „Ich setze mich für Meinungs- und Ausdrucksfreiheit ein. Ich glaube nicht, dass ich eine Straftat begangen habe. Ein Gedanke kann kein Verbrechen sein.” Auch Reyhan Çapan wies die Anschuldigungen gegen sie zurück und erklärte, sich keiner Schuld bewusst zu sein.

Die Journalistinnen bleiben bis zu einem Berufungsurteil, das in einigen Monaten erwartet wird, auf freiem Fuß. Doch im Zusammenhang mit ihrer Unterstützung für Özgür Gündem laufen gegen Eren Keskin insgesamt 129 Verfahren. Die 59-Jährige ist zudem in einigen weiteren Verfahren angeklagt, da sie die türkische Regierung wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert hatte.