„Terrorpropaganda“: Freispruch für Aslı Erdoğan

Die im deutschen Exil lebende Schriftstellerin Aslı Erdoğan ist auch im Wiederaufnahmeverfahren vom Vorwurf der Terrorpropaganda im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die pro-kurdische Tageszeitung „Özgür Gündem” freigesprochen worden.

Die im deutschen Exil lebende Schriftstellerin Aslı Erdoğan ist in der Türkei vom Vorwurf der Verbreitung von „Propaganda einer Terrororganisation“ freigesprochen worden. Das 23. Schwurgericht in Istanbul sah keine hinreichenden Beweise für die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anschuldigungen gegen die Autorin, hieß es zur Begründung des Urteils vom Donnerstag. Die Vorwürfe standen im Zusammenhang mit Erdoğans Tätigkeit für die mittlerweile verbotene pro-kurdische Zeitung Özgür Gündem (Freie Tagesordnung). Bei einer Verurteilung hätten der 54-Jährigen bis zu neun Jahre Gefängnis gedroht.

Aslı Erdoğan war Kolumnistin und Mitglied des Beirats von Özgür Gündem. Doch nach dem kontrollierten Putschversuch 2016 wurde sie gemeinsam mit weiteren Journalistinnen und Journalisten der Zeitung verhaftet. Unter anderem lautete der Vorwurf „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“. Knapp vier Monate saß Erdoğan in Untersuchungshaft und durfte nach ihrer Freilassung eine Zeit lang nicht mehr ins Ausland. Seit 2017 lebt die Autorin im Exil in Deutschland. Der Prozess gegen sie ging nach der Ausreise weiter.

Im Februar 2020 sprach das 23. Schwurgericht in Istanbul Aslı Erdoğan von den Vorwürfen der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und staatsfeindlicher Aktivitäten frei. Der Vorwurf der Terrorpropaganda wurde fallen gelassen, weil er laut dem türkischen Presserecht verjährt war. Im Juni vergangenen Jahres kassierte ein Berufungsgericht den Freispruch ein und entschied, dass sich die erste Instanz erneut mit der Frage befassen muss, ob Erdoğans Kolumnen tatsächlich nicht mehr bestraft werden könnten. Begründet wurde die Wiederaufnahme damit, dass beanstandete Online-Artikel von der presserechtlichen Verjährungsregelung ausgenommen seien.

Beim Verfahrensauftakt im Dezember hatte das Gericht deshalb die URLs von Erdoğans Artikeln zur Beweiswürdigung angefordert. Die bei der Generaldirektion für Sicherheit beheimatete Abteilung für Cyberkriminalität ließ dem Gericht ausrichten, dass die inkriminierten Texte der Autorin seit der Schließung der Webseite von Özgür Gündem nicht mehr abrufbar seien. „Ohne Beweise keine Verurteilung“, entschieden die Richter und sprachen Erdoğan frei.

Bücher in mehr als 20 Sprachen übersetzt

Aslı Erdoğan ist Autorin von acht Büchern, die in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurden. Auf Deutsch erschienen unter anderem ihre politischen Essays „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ (Knaus) und der Roman „Das Haus aus Stein“ (Penguin). Zurzeit ist Erdoğan Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN-Zentrums. Das Programm wird vollständig aus Mitteln der Beauftragten für Kultur und Medien bei der Bundeskanzlerin finanziert. Die vielfach mit Preisen ausgezeichnete Schriftstellerin erhielt unter anderem den Simone-de-Beauvoir-Preis und den Vaclav-Havel-Preis.