Haftstrafen im Hauptverfahren gegen „Özgür Gündem“

Im Hauptverfahren gegen die in der Türkei verbotenen prokurdischen Zeitung „Özgür Gündem“ sind in Istanbul vier Angeklagte unter Terrorvorwürfen zu insgesamt 21 Jahren Haft verurteilt worden.

Im Hauptverfahren gegen die prokurdische Zeitung Özgür Gündem hat ein Istanbuler Strafgericht die vier Angeklagten unter Terrorvorwürfen zu Haftstrafen verurteilt. Die bekannte Menschenrechtsanwältin Eren Keskin sowie die Zeitungsverantwortlichen Kemal Sancılı und Inan Kizilkaya erhielten wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ Freiheitsstrafen in Höhe von sechs Jahren und drei Monaten. Der Journalist Zana Bilir Kaya wurde wegen Terrorpropaganda zu zwei Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hintergrund des Verfahrens ist die Teilnahme der Angeklagten an der Solidaritätskampagne „Bereitschaftsjournalismus“. In ihrem Einsatz für die Pressefreiheit in der Türkei übernahmen sie 2016 zeitweise symbolisch den Posten der Chefredakteurin bzw. des Chefredakteurs der Özgür Gündem, die noch im selben Jahr per staatlichem Notstandsdekret verboten wurde. Die Zeitung war eine der wenigen in der Türkei, die ausführlich über die Folgen des Krieges der AKP-Regierung in den kurdischen Siedlungsgebieten berichtete.

Allein gegen Eren Keskin wurden aufgrund ihrer Unterstützung für Özgür Gündem als symbolische Chefredakteurin 143 Ermittlungsverfahren eingeleitet. In einigen dieser Verfahren wurde sie in der Vergangenheit bereits zu hohen Geldstrafen und erstinstanzlich zu langen Haftstrafen verurteilt. Zusammen mit dem heutigen Urteil belaufen sich die in erster Instanz gegen Eren Keskin verhängten Haftstrafen auf insgesamt fast 24 Jahre. Weitere Teilnehmende der Kampagne „Bereitschaftsjournalismus“ sind bereits in anderen Verfahren verurteilt worden.

Bereitschaftsjournalismus bei Özgür Gündem

Die Solidaritätskampagne „Bereitschaftsjournalismus“ war am 3. Mai 2016 ins Leben gerufen worden und dauerte bis zum 7. August desselben Jahres an. Insgesamt 56 Journalist*innen, Intellektuelle und Kunstschaffende beteiligten sich daran. Gegen 49 von ihnen wurden Ermittlungen eingeleitet, elf Verfahren sind eingestellt worden. Mit dem heutigen Prozess liegen inzwischen in allen 38 restlichen Fällen erstinstanzliche Urteile auf Grundlage des sogenannten Terrorbekämpfungsgesetzes Nr. 3713 vor.