Der bekannten türkischen Schriftstellerin Aslı Erdoğan droht erneut eine Anklage in der Türkei. Nachdem die 54-Jährige im Februar letzten Jahres vom Vorwurf der Propaganda für eine terroristische Organisation im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die per Notstandsdekret verbotene pro-kurdische Tageszeitung Özgür Gündem freigesprochen worden war, will die türkische Justiz sie nun in gleicher Sache wieder vor Gericht stellen. Das gab das PEN-Zentrum Deutschland bekannt und berief sich auf die Internetseite der Autorin.
Aslı Erdoğan würden in einem neuen Verfahren bis zu neun Jahren Haft drohen, teilt die Schriftstellervereinigung mit. „Die Antwort auf den Verfolgungsterrorismus des türkischen Regimes gegen die Opposition im Land muss sein, dass sich die EU und Deutschland auf die eigene Werte besinnen und die Zusammenarbeit wo immer möglich einstellen“, so Leander Sukov, der für Writers-in-Exile zuständige Vizepräsident des Zentrums. Das deutsche PEN-Zentrum erwartet von der Bundesregierung, insbesondere vom Auswärtigen Amt, deutliche Reaktionen, nicht nur im Fall von Erdoğan. „Die Praxis, mit staatlichen türkischen Stellen so zusammenzuarbeiten wie mit solchen aus demokratischen europäischen Ländern, muss endlich aufhören“, fordert Sukov.
Schon nach dem Freispruch im vergangenen Jahr hatte Aslı Erdoğan gesagt: „Ich vertraue ihnen nicht. Sie können mich jederzeit wieder anklagen. Sie haben es auch bei anderen getan.“ Mit dieser Einschätzung hat sie richtig gelegen, hebt PEN-Deutschland hervor: „Die Verfolgung ist nicht zu Ende.“ Aslı Erdoğan war im August 2016 im Rahmen einer Verhaftungswelle des Regimes inhaftiert worden und konnte im September 2017 das Land verlassen. Immer wieder ist es in den vergangenen Jahren nötig gewesen, sie wegen Bedrohungen durch türkische Nationalisten unter Polizeischutz zu stellen.
Bücher in mehr als 20 Sprachen übersetzt
Aslı Erdoğan ist Autorin von acht Büchern, die in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurden. Auf Deutsch erschienen zuletzt ihre politischen Essays „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ (Knaus) und der Roman „Das Haus aus Stein“ (Penguin). Zurzeit ist Erdoğan Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN-Zentrums. Das Programm wird vollständig aus Mitteln der Beauftragten für Kultur und Medien bei der Bundeskanzlerin finanziert. Die vielfach mit Preisen ausgezeichnete Schriftstellerin erhielt unter anderem den Simone de Beauvoir-Preis und den Vaclav-Havel-Preis.