Sechs Journalistinnen in Istanbul festgenommen

In Istanbul sind sechs Journalistinnen bei einem Protest gegen die Festnahme und Inhaftierung von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen gewaltsam abgeführt worden.

In der Türkei wird weiter an der Eskalationsspirale gegen kritischen Journalismus gedreht. In Istanbul nahm die Polizei am frühen Samstagabend sechs Journalistinnen unter dem Einsatz von Gewalt fest. Den Agentur- und Zeitungsreporterinnen Pınar Gayıp, Zeynep Kuray, Eylem Nazlıer, Serpil Ünal, Esra Soybir und Yadigar Aygün wird vorgeworfen, eine ungenehmigte Versammlung abgehalten zu haben. Ihnen droht eine Anzeige wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das türkische Versammlungsgesetz.

Die festgenommenen Journalistinnen, die unter anderem für Agenturen wie ETHA und ANF sowie die Zeitung Evrensel arbeiten, hatten sich vor der Süreyya-Oper im asiatischen Stadtteil Kadıköy versammelt, um gegen die Festnahme und Inhaftierung von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen zu protestieren. Am Morgen hatte es in Istanbul, Ankara und anderen Städten diverse Razzien und Festnahmen von Presseleuten gegeben, die von der Oberstaatsanwaltschaft in der türkischen Hauptstadt angeordnet wurden. In Amed (tr. Diyarbakır) wurden unter anderem die Ko-Vorsitzende des Journalistenvereins Dicle-Firat (DFG), Dicle Müftüoğlu, sowie der Journalist Sedat Yilmaz, Korrespondent der Nachrichtenagentur MA, in Gewahrsam genommen.

Erst am Donnerstag waren in Amed vier kurdische Medienschaffende im Rahmen einer landesweiten „Anti-Terror-Operation“ verhaftet worden. Das vom türkischen Innenministerium angeordnete Vorgehen richtet sich gegen Opposition und Zivilgesellschaft und wird von der HDP als politisches Manöver im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bezeichnet, die am 14. Mai stattfinden sollen und als Schicksalswahlen gelten. Kurdische Medieneinrichtungen ordnen die von der Staatsanwaltschaft Ankara angeordnete Festnahmewelle ebenfalls als Politcoup ein.

Gülüm: Angriff auf letzte Bastion des unabhängigen Journalismus

„Die Angst vor der Meinungsfreiheit und der freien linken und kurdischen Presse – letzte Bastion des unabhängigen Journalismus – ist bei den Herrschenden allgegenwärtig. Je näher der Termin für die historischen Wahlen rückt, umso weiter steigt die Alarmstimmung in den Palästen“, kritisierte die HDP-Abgeordnete Züleyha Gülüm die Festnahmen von Medienschaffenden. Die Politikerin wollte die Kundgebung der Istanbuler Presseleute unterstützen. Diese hatten geplant, eine Erklärung zu verlesen und die Freilassung ihrer Kolleg:innen einzufordern. Einige trugen Schilder, auf denen zu lesen war: „Wir werden nicht schweigen“ und „Die freie Presse lässt sich nicht zum Schweigen zu bringen“ zu lesen war.

Regierung räumt vorsorglich kritische Medienschaffende aus dem Weg

Um Berichte über Unregelmäßigkeiten und Manipulationsversuche am Wahltag zu unterbinden, lasse das türkische Innenministerium vorsorglich kritische Journalist:innen aus dem Weg räumen, rief Gülüm in Richtung Polizei. Man kenne schließlich das Handlungsmuster der Herrschenden, das sich auszeichne durch politische Unfähigkeit, Korruption, Menschenrechtsverletzungen und fehlende Transparenz. „Die freie Presse lässt sich aber nicht einschüchtern, die Stimme des Volkes kann nicht zum Schweigen gebracht werden. Es wird immer Menschen wie geben, die gegen die Herrschenden ankämpfen, die die Wahrheit des AKP/MHP-Faschismus aufdecken. Es ist an der Zeit, gemeinsam die Stimme zu erheben.“ Gülüm wurde von vielen Passant:innen und Händler:innen bestärkt und mit Beifall unterstützt.