Die 3. Strafkammer am regionalen Berufungsgericht in Istanbul hat die Haftstrafe von fast sieben Jahren wegen Terrorvorwürfen gegen die Journalistin Aslı Ceren Aslan bestätigt. Die Chefredakteurin der linken Wochenzeitung Özgür Gelecek (deut. „Freie Zukunft”) hat angekündigt, vor den Kassationshof zu ziehen.
Aslı Ceren Aslan wurde 1990 in der multikulturellen Provinz Meletî (türk. Malatya) geboren und hat in Çanakkale Mathematik studiert. Seit 2014 arbeitet die Frauenrechtlerin und LGBTI*-Aktivistin für „Özgür Gelecek“, deren Belegschaft zu über 70 Prozent aus Frauen besteht. Im Februar 2017 wurde Aslan im nordkurdischen Riha (Urfa) an der Grenze zu Syrien festgenommen und kam wegen „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation”, „Terrorpropaganda” und „Grenzverstoß” in Untersuchungshaft. In Gewahrsam wurde die damals 27-Jährige von türkischen Sicherheitskräften beleidigt, geschlagen und zwei Nacktdurchsuchungen unterzogen.
Vor Gericht bestritt Aslan die gegen sie erhobenen Vorwürfe und gab an, lediglich aus der Region über die Geschehnisse auf beiden Seiten der Grenze berichtet zu haben. Sie beklagte zudem, dass die Justiz nicht unabhängig sei und „die Pressefreiheit seit dem Ausnahmezustand nicht mehr gilt“. Im Juli 2019 wurde die Journalistin wegen „Terrorpropaganda” zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Einen Monat später hatte Aslan die Strafe bereits abgesessen und kam wieder auf freien Fuß.
Da inzwischen aber mehrere andere Verfahren gegen sie eingeleitet und später zusammengelegt worden waren, hauptsächlich wegen ihren Artikel und Beiträgen in den sogenannten sozialen Medien über die Kriegsverbrechen der türkischen Armee zur Zeit der Ausgangssperren in den militärisch belagerten Städten Cizîr (Cizre) und Nisêbîn (Nusaybin) zwischen den Jahren 2015 und 2016, wurde sie erneut wegen angeblicher Propaganda für eine Terrororganisation verurteilt. Diesmal zu sechs Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe.
Repression - Alltag für kritische Journalist*innen
Staatliche Repression, Anklagen wegen vermeintlicher Terrorunterstützung oder Präsidentenbeleidigung, Behinderungen bei der Recherche und Bedrohungen auf der Straße - all das gehört in der Türkei zum Alltag kritischer Journalist*innen. Wer aus den kurdischen Regionen des Landes berichtet, steht unter einer besonderen Beobachtung von Behörden und Justiz. Nach einem Bericht des Journalistenvereins DFG (Dicle Fırat Gazeteciler Derneği) befinden sich zur Zeit mindestens 97 Journalistinnen und Journalisten (Stand 30. Juni 2020) in türkischen Gefängnissen.