Inhaftierte Journalistin: Sie folterten und bedrohten uns mit dem Tod
Die inhaftierte Korrespondentin der Frauennachrichtenagentur JinNews, Habibe Eren, berichtet, sie sei von der Polizei gefoltert und mit dem Tod bedroht worden.
Die inhaftierte Korrespondentin der Frauennachrichtenagentur JinNews, Habibe Eren, berichtet, sie sei von der Polizei gefoltert und mit dem Tod bedroht worden.
Die Journalistin Habibe Eren ist eine von neun Medienschaffenden der kurdischen Presse, die vor zwei Wochen in der Türkei unter Terrorvorwürfen verhaftet worden sind. Die JinNews-Korrespondentin war am 25. Oktober in Amed (tr. Diyarbakir) festgenommen worden. Seit ihrer Inhaftierung vier Tage später befindet sie sich im Frauengefängnis Sincan bei Ankara. Dort hat sich Eren aus der Haft heraus über ihre Festnahme und Polizeihaft geäußert. Die Journalistin berichtet, misshandelt und mit dem Tod bedroht worden zu sein.
30 Polizisten mit Langwaffen für fünf Journalist:innen
„Wir, das waren Selman Güzelyüz, Öznur Değer und ich, mussten in einer Reihe – mit Lücken dazwischen – im Gefangenentransporter sitzen. Sie [Polizisten] erlaubten uns keinen Kontakt. 30 Beamte bewachten uns auf dem Transport nach Ankara. Zusätzlich zu den Polizeibeamten, die mit Langwaffen bewaffnet waren, begleiteten uns fünf Mitglieder der Militärpolizei.
Zuvor hatte man uns nach Riha gebracht. Dort trafen wir auf unsere ebenfalls festgenommenen Kolleg:innen Ceylan Şahinli und Emrullah Acar von der Nachrichtenagentur Mezopotamya. Rund 15 Stunden lang waren wir in Handschellen in Begleitung einer Armee von Polizisten unterwegs. Während dieser Zeit durften wir weder sprechen noch Kontakt zueinander aufnehmen. Die Handschellen wurden nicht abgenommen, außer bei einer Essenspause und bei einem Gang zur Toilette. Wir kamen am Morgen in Ankara an, und nach der obligatorischen Gesundheitskontrolle in einem Krankenhaus wurden wir zur Terrorabteilung der Polizei Ankara gebracht. Dort sahen wir, dass es sich um eine sehr umfassende Festnahmeoperation gehandelt hatte. (...) Viele unserer Grundbedürfnisse, nach denen wir verlangten, wurden mit den Worten, ‚Ist das ein Hotel hier‘, abgelehnt. Mit dem Umgang mit uns ließen sie uns zum ersten Mal richtig spüren, woher der Befehl zu unserer Verhaftung gekommen war.“
Folter und Todesdrohungen
Am zweiten Tag wurden die Journalist:innen zur Abnahme von Fingerabdrücken in einen anderen Bereich gebracht. Eren berichtet, dass dort die Journalistin Öznur Değer vom Polizeichef mit der Begründung, sie lache, getreten und misshandelt worden sei: „Als Öznur sich dagegen wehrte, wurde sie mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gelegt, mit Handschellen hinter dem Rücken gefesselt und die Treppe hinuntergeschleift. Wir protestierten mit aller Kraft dagegen und sagten ihnen ins Gesicht, dass sie Folterer sind. Daraufhin wurden wir bedroht. Wir sagten ihnen, dass sie eines Tages für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden würden. Der Chef der Terrorabteilung antwortete: ‚Ich habe viele Linke gesehen, viele Regierungen, ich bin seit 30 Jahren hier. Mir wird nichts passieren, ich bin der Staat.‘ Auf unsere Forderung, die Folterungen zu protokollieren, wurde geantwortet, wir sollten sie doch ‚an die Wände schreiben‘. Als wir im Polizeifahrzeug weiter auf ein medizinisches Gutachten für Öznur bestanden, drückten sie das Gaspedal durch und rasten los. In der Zwischenzeit berichtete uns Öznur, dass sie mit dem Tod bedroht worden war. Zurück auf der Terrorabteilung ging es genauso weiter wie zuvor.“
Inszenierung für die Staatspresse
Eren berichtet weiter, dass die Behörden für die Staatspresse wie die Nachrichtenagentur Anadolu eine Inszenierung vorbereitet hätten. Bei der Staatsanwaltschaft wurden alle in einer Reihe mit gefesselten Händen der Presse vorgeführt. Die anschließende Befragung der Medienschaffenden sei von neun verschiedenen Staatsanwälten gleichzeitig angefangen worden: „Der Staatsanwalt, bei dem ich meine Aussage machen musste, stellte mir unzulässige Fragen, um sich ein Bild meiner politischen Meinung zu machen, und ließ einige Dinge ins Protokoll schreiben, die ich gar nicht gesagt hatte. Als mein Anwalt diese Situation beanstandete, rief der Staatsanwalt die Polizei und ließ ihn aus dem Raum entfernen. Die Polizei legte die Handschellen wieder an. Auf diese Weise habe ich den Aussagebericht in Handschellen unterschrieben, ohne ihn nochmal durchgelesen zu haben, und ich musste während der Aussage etwa eindreiviertel Stunden stehen.“
Hafturteile von Terrorpolizei diktiert
Neun der Journalist:innen wurden später vor den Haftrichter gebracht. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits kurz vor Mitternacht gewesen. Habibe Eren erklärt: „Die letzte Aussage wurde beim diensthabenden Richter um drei Uhr morgens gemacht. Er verkündete das Urteil nach nur wenigen Minuten. Vor der Urteilsverkündung gingen drei Beamte der Terrorabteilung zum Richter und instruierten ihn. Nach dem Urteilsspruch wurden wir alle in Handschellen aus dem Gerichtsgebäude geführt. In der Zwischenzeit wurden wir geschlagen und uns der Mund zugehalten, weil wir die Parole ‚Die freie Presse lässt sich nicht zum Schweigen bringen‘ riefen. Als wir in das Fahrzeug gebracht wurden, das uns zum Sincan-Gefängnis bringen sollte, sagte ein anderer Aufseher: ‚Wer hat dieses Siegeszeichen gemacht? Als wir sagten ‚wir alle‘, sagte er: ‚Verrottet 15 Jahre lang‘ und schloss die Tür.“
Erfolgreicher Widerstand
Die weiblichen Journalistinnen kamen gegen fünf Uhr im Frauengefängnis von Sincan an. Dort wurden sie nach der Aufnahme einer Leibesvisitation unterzogen. Als sie Widerstand dagegen leisteten, wurde die Repressionsmaßnahme abgebrochen. Eren weiter: „Zwei Tage lang mussten wir im ‚Beobachtungsraum‘ darauf warten, auf die Station zu kommen. Eineinhalb Tage lang bekamen wir kein Wasser. Obwohl wir ihnen sagten, dass eine Freundin nierenkrank sei, gab es kein Wasser. Erst nach langem Kampf bekamen wir 1,5 Liter. Als wir auf die Station gebracht wurden, erfuhren wir, dass der Trakt zwei Tage vor unserer Verhaftung geräumt worden war. Fünf Tage lang wurden wir auf einer leeren Station festgehalten, ohne dass auf unsere Bedürfnisse eingegangen wurde. Erst nach fünf Tagen wurden unsere Grundbedürfnisse nach unseren wiederholten Bitten und Dutzenden von Anfragen erfüllt.“ Nur nach langen Protesten und Anträgen hätten die Gefangenen einen Stuhl und einen Tisch bekommen. Viele der einfachsten Notwendigkeiten des täglichen Lebens werden den Gefangenen aber immer noch vorenthalten.