Wegen eines „begründeten Terrorverdachts“ muss sich der kurdische Fotojournalist und Kameramann Remzi Akkaya ab September vor einem türkischen Gericht verantworten. In der am Donnerstag von einem Gericht für schwere Straftaten in Amed (tr. Diyarbakır) angenommenen Anklageschrift wird dem Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) die „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ vorgeworfen. Akkaya droht eine Freiheitsstrafe zwischen siebeneinhalb und fünfzehn Jahren.
Remzi Akkaya ist einer von vier kurdischen Medienschaffenden, die vergangenen April verhaftet worden waren. Dem vorausgegangen war eine landesweite Operation gegen die kurdische Opposition und Zivilgesellschaft, in deren Verlauf rund 200 Menschen festgenommen wurden, darunter führende Mitglieder der Grünen Linkspartei (YSP) und der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Presseleute, Anwältinnen und Anwälte sowie Aktive aus Kunst und Kultur. Mehr als sechzig Personen wurden in der Folge wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK verhaftet und damit nur wenige Wochen vor der Parlaments- und Präsidentschaftswahl aus dem Verkehr gezogen. Die Leitung der Operation liegt formell bei der Oberstaatsanwaltschaft Diyarbakır, wurde jedoch vom türkischen Innenministerium angeordnet.
Im Fall der verhafteten Medienschaffenden, unter denen sich neben Akkaya auch seine MA-Kollegen Mehmet Şah Oruç und Abdurrahman Gök sowie Beritan Canözer von der feministischen Frauennachrichtenagentur JinNews befinden – die als einzige nicht mehr in Untersuchungshaft ist – sind die Aussagen vermeintlicher Belastungszeugen die Grundlage für die erhobenen Vorwürfe. So sagte Ümit Akbıyık, ein früherer HDP-Aktivist, der sich inzwischen als Kronzeuge für die türkische Antiterrorpolizei betätigt und bereits in diversen Prozessen gegen Oppositionelle aufgetreten ist, aus, die Journalist:innen würden „auf Anweisung des PKK-Pressekomitees“ arbeiten und die Agenturen MA und JinNews seien „Sprachorgane der Terrororganisation“.
Remzi Akkaya
Gegen Remzi Akkaya liegt darüber hinaus der Vorwurf im Raum, er hätte in seinem früheren Familienbetrieb – eine Autowaschanlage – einen „geheimen Raum“ gehabt, der für Treffen mit PKK-Mitgliedern genutzt worden sei. Das behauptet der Zeuge Şiyar Aydın, der nach einigen Jahren Haft wegen PKK-Mitgliedschaft vom türkischen Reuegesetz Gebrauch gemacht hat und im Rahmen eines Deals mit den Verfolgungsbehörden zahlreiche Personen belastet. Der Zeuge Mesut Dalgalı will zudem wissen, dass Akkaya Kontakte zu „ranghohen PKK-Leuten“ hätte. Damit gemeint ist unter anderem Yıldız Damla, eine Aktivistin des Solidaritätsvereins MEBYA-DER.
Die Organisation setzt sich für Menschen ein, die Angehörige im kurdischen Befreiungskampf verloren haben. Genau deshalb befindet sich MEBYA-DER seit Jahren im Fokus der türkischen Repressionsbehörden. Vereinsmitglieder sitzen regelmäßig unter Terrorvorwürfen auf der Anklagebank, viele von ihnen, darunter die Ko-Vorsitzenden, wurden zu Haftstrafen verurteilt. Auch Yıldız Damla, deren Tochter als Guerillakämpferin ums Leben kam, ist bereits als „Terroristin“ verurteilt worden. Das Einzige, was sie mit Akkaya verbindet, ist laut Auskunft des Journalisten der Umstand, dass beide in Amed im selben Wohnhaus leben würden. „Wir pflegten ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis, mehr nicht“, so Akkaya. Der Prozess gegen Akkaya wird am 18. September eröffnet.