Der heute 75-jährige politische Gefangene Ferzende Elbi wurde in der Türkei zu lebenslanger Haft wegen seiner Friedensarbeit verurteilt. Er war einer derjenigen, die sich als „Alte und Weise“ im Friedensprozess vor 2015 engagiert hatten. Aber nicht nur das, Elbi war auch einer der Aktivist:innen, die sich in Reşqelas (tr. Iğdır) in Versöhnungskommissionen für die Verständigung in der Bevölkerung eingesetzt hatten. Dafür wurde er wegen „Mitgliedschaft in der PKK/KCK“ und „Separatismus“ zusammen mit drei weiteren angeblichen Mitgliedern der Friedenskommission im Jahr 2021 zu lebenslanger Haft verurteilt. Ferzende Elbi befindet sich im etwa 1.500 Kilometer von seiner Heimatstadt entfernten Eskişehir im Gefängnis. Er sitzt mittlerweile im Rollstuhl und kann sich nicht mehr selbst versorgen. Dennoch wird ihm die Entlassung verweigert.
Angehörige: „Elbi muss umgehend entlassen werden“
Sein Bruder Halit Elbi gab über den Gesundheitszustand von Ferzende Elbi Auskunft: „Mein Bruder ist 75 Jahre alt. Er leidet an altersbedingten Beschwerden. Er hat Seh- und Hörprobleme. Er hat aufgrund seines hohen Blutdrucks häufig Nasenbluten. Es entstehen ständig neue Hernien und ähnliche Beschwerden. Das steht bereits in seinen medizinischen Berichten. Deshalb haben wir in Anbetracht seiner gesundheitlichen Probleme und seines Alters seine Freilassung gefordert. Wir haben uns wiederholt an das Justizministerium gewandt, aber wir erhielten nicht einmal Antwort.
Wir fordern das Justizministerium auf, Lösungen für alle kranken Gefangenen zu finden. Die Öffentlichkeit ist sehr sensibel in dieser Frage. Wir sagen ihm, dass es ihm gut gehe, damit er psychologisch nicht beeinträchtigt wird. Wir versuchen, ihn zu trösten, aber er ist ein alter und kranker Mensch. Wie weit wird diese Situation noch gehen? Sie hielten Friedensversammlungen mit dem Gouverneur und seinem Stellvertreter ab, sie brachten die Menschen zusammen, und dann wurde er ohne Anklage und ohne Gesetz inhaftiert. Aber egal was passiert, es muss gerechte Verfahren geben und es sollten Lösungen im Sinne des Rechts auf Leben gefunden werden.“
HEDEP-Abgeordneter Hun: „Hier wird jemandem das Recht auf Leben geraubt“
Der HEDEP-Abgeordnete Yılmaz Hun stellte eine parlamentarische Anfrage zu Ferzende Elbi an das Justizministerium. Im ANF-Gespräch erklärte er, es handele sich bei dem Vorgehen gegen Elbi und die anderen kranken Gefangenen um einen „Raub des Rechts auf Leben“. Er führte aus: „Ferzende Elbi ist ein weiser Mensch, ein geliebter und geachteter Mensch, ein Mensch, der Frieden geschaffen hat. Er war einer der Weisen, ein Friedensbotschafter. Er wurde verurteilt, weil er für Frieden eingetreten ist. Seine gesundheitlichen Probleme sind fortgeschritten. Er hat mehrere Krankheiten. Es fällt ihm schwer, mit seiner Familie zu sprechen. Er kommt in einem Rollstuhl zum Besuch, denn er kann nicht selber laufen. Er kann sich nicht mehr selbst versorgen. Er ist nicht in der Lage, unabhängig zu leben. Das gerichtsmedizinische Institut hat ihm dennoch Haftfähigkeit bescheinigt. Es gibt viele Gutachten über seinen Zustand, aber wir haben keinen Zugang zu diesen Berichten. Wir haben eine parlamentarische Anfrage gestellt und uns an alle relevanten Institutionen gewandt. Wir haben eine Petition eingereicht, dass er in diesem Alter und unter diesen Bedingungen nicht im Gefängnis bleiben kann. Aktuell warten wir auf das Ergebnis unserer Anträge.“
Mitangeklagter bereits aufgrund von mangelnder Behandlung verstorben
Zusammen mit Ferzende Elbi wurden auch Ehettin Kaynar, Kerim Boran, Mehmet Çelik, Abdülmecit Kaya und Abdullah Ateş, allesamt weit über 70 Jahre alt, wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Friedenskommission zu lebenslanger Haft verurteilt. Viele von ihnen waren damals bereits schwer krank. So auch Ehettin Kaynar, der an einem Leberzellenkarzinom litt. Aufgrund mangelnder Behandlung verschlechterte sich seine Situation in Haft immer weiter. Erst als die Erkrankung unheilbar fortgeschritten war, wurde der Strafvollzug für sechs Monate ausgesetzt und er wurde am 2. September aus dem im T-Typ-Gefängnis Karabük entlassen. Sechs Wochen später war er tot.