Yoleri: Von Demokratie kann keine Rede mehr sein

Die Vorsitzende des Istanbuler Büros des Menschenrechtsvereins IHD sieht die Türkei und Nordkurdistan in einer Phase, in der sich das autoritäre Regime institutionalisiert hat. Von Demokratie könne keine Rede mehr sein.

In den vergangenen Jahren der AKP-Herrschaft hat sich ihr System immer stärker als eine Diktatur konsolidiert. Die Vorsitzende des Istanbuler Büros des Menschenrechtsvereins IHD, Gülseren Yoleri, blickt zurück und weist darauf hin, dass die AKP-Regierung von Anfang an nicht gezögert habe, die Menschenrechte zu verletzen. Sie unterstreicht, dass auch die internationale Gemeinschaft durch ihr Schweigen einen Beitrag zur Konsolidierung der AKP-Diktatur geleistet habe.

Im ANF-Gespräch erklärt Yoleri zu der Menschenrechtspolitik der AKP, dass selbst in Zeiten, in denen die Regierung offiziell Kampagnen für „Null-Toleranz gegen Folter“ geführt habe, Menschen in Gefängnissen getötet und im Polizeigewahrsam gefoltert worden seien. Auch wenn es damals im Rahmen des Prozesses des EU-Beitritts so schien, als ob Freiräume geschaffen würden, sei die Grundhaltung des Regimes dieselbe geblieben.

Yoleri erinnert an die Verfahren gegen die Presse, das Anti-Terror-Gesetz, das Gesetz über den Nationalen Nachrichtendienst (MIT), die Vorschriften über die Aufgaben der Sicherheitskräfte, die Manipulationen während der Zeit des Referendums über das Präsidialsystem und die Missachtung der Verfassung und des Gesetzes und sagt: „Heute sind wir an dem Punkt, an dem sich ein autoritäres Regime institutionalisiert hat. Wir können nicht mehr von einer Demokratie sprechen.“

Die Toleranz der internationalen Staatengemeinschaft

Yoleri unterstreicht, einer der Gründe für das eskalierende Unrecht durch das AKP-Regime sei die Toleranz der internationalen Staatengemeinschaft gegenüber den Rechtsbrüchen der türkischen Regierung gewesen. Die Menschenrechtlerin weist darauf hin, dass Rechtsverletzungen auf der Ebene des nationalen Rechts von den Organen internationaler Rechtspflege missachtet worden seien. Sie führt aus: „Die Regierung hat sich über das Gesetz hinweggesetzt. Sie hat nicht nur gegen innerstaatliches Recht verstoßen, sondern sich auch vom internationalen Recht gelöst. Die Regierung sagt, dass sie sich nicht um die Urteile des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schert. Sie missachtet den Bericht des Europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter und anderer Institutionen zum Schutz der Menschenrechte. Der Grund, warum sie so rücksichtslos handeln kann, ist, dass sie auf der internationalen Bühne keinen ausreichenden Widerstand erfährt.“

Die Haltung des IHD zu den Wahlen

Zur Haltung des IHD gegenüber den am 14. Mai bevorstehenden Wahlen sagt Yoleri: „Wir haben natürlich Forderungen, aber wir haben keine Präferenz für eine Partei. Unsere Präferenz basiert auf den Menschenrechten und der Demokratie. Natürlich wollen wir, dass sich Demokratie und Menschenrechte in diesem Land durchsetzen. Wir wollen, dass Frieden herrscht. Wir wollen, dass die Freiheit siegt. Wir wollen, dass das Wohlstandsniveau steigt. Wir wollen, dass menschliche Lebensbedingungen geschaffen werden, und wir wollen, dass dies für alle Menschen, die in diesem Land leben, gewährleistet ist. Wir betonen, dass dies für alle ohne jegliche Diskriminierung gewährleistet werden muss. Deshalb sind diejenigen für uns akzeptabel, die das versprechen und wirksame Mechanismen für die Umsetzung vorschlagen. Wir schlagen keine Partei vor, denn der IHD ist eine Bewegung, die fern von Staat, Regierung und Parteien steht, aber wie gesagt, wer Menschenrechte, Frieden und Demokratie verspricht, ist für uns natürlich von Bedeutung.“