Asya Gezer: Den Kampf der Gefangenen ins Parlament tragen

Asya Gezer, die Schwester der im Gefängnis schwer gefolterten und unter verdächtigen Umständen umgekommenen politischen Gefangenen Garibe Gezer, kandidiert für die Grüne Linkspartei. Einer ihrer Schwerpunkte ist der Kampf für die Rechte der Gefangenen.

Asya Gezer kandidiert für die Grüne Linkspartei (YSP) in der Provinz Mêrdîn. Sie ist die große Schwester der politischen Gefangenen Garibe Gezer. Garibe Gezer war am 9. Dezember 2021 nach schwerer Folter unter immer noch ungeklärten Umständen im Gefängnis in Kandıra ums Leben gekommen. Vieles deutet auf einen Foltermord durch das Wachpersonal hin.

Asya Gezer will den Kampf für die Rechte der Gefangenen durch die YSP ins Parlament tragen, sie sagt: „Mein Ziel ist es, für die Gefangenen einzutreten und eine Änderung der Haftbedingungen zu garantieren.“

Die Familie Gezer: Dreißig Jahre Kampf

Die Familie Gezer ist tief vom Widerstand und der Repression geprägt. Sie beteiligt sich seit den 90er Jahren aktiv im politischen Freiheitskampf. Von elf Familienmitglieder laufen gegen neun Verfahren, vier wurden inhaftiert, ein Mitglied der Familie wurde bei den Protesten gegen die IS-Angriffe auf Kobanê von türkischen Sicherheitskräften auf offener Straße umgebracht.

Asya Gezer berichtet über ihre Familie, dass ihr Vater Yusuf Keser 1994 bei der Zerstörung seines Dorfes durch die türkische Armee ein Auge verlor. Die Familie engagierte sich trotz zunehmender Repression in der politischen Freiheitsbewegung. Ein Wendepunkt im Kampf der Familie seien die Proteste gegen die IS-Angriffe auf Kobanê im Jahr 2014 gewesen, sagt Asya Gezer: „Garibe und Bilal beteiligten sich permanent an den Aktivitäten der HDP und DBP. Ich war zu der Zeit Studentin in Izmir. Garibe war im Kreisvorstand der DBP. Während der Auseinandersetzung im Rahmen der Kobanê-Proteste wurde mein Bruder in Kerboran (tr. Dargeçit) auf offener Straße erschossen. Mit dem Tod meines Bruders nahm der Druck auf uns noch mehr zu. Am 8. Oktober, während der Leichnam meines Bruders sich auf dem Weg von Mêrdîn nach Kerboran befand, wurde mein Bruder Mehmet Emin von einer Polizeikugel ins Rückenmark getroffen. Seitdem sind seine Beine gelähmt.“

In dem Verfahren wegen der Erschießung ihres Bruders wurde eine Geheimhaltungsverfügung verhängt. Auch die Anklage gegen vier Polizeibeamte wegen „vorsätzlicher versuchter Tötung“ aufgrund der Schüsse auf ihren Bruder Mehmet Emin blieb straflos, da nach Auffassung der Behörden nicht festzustellen war, aus welcher Waffe die Kugel, die Gezer traf, abgefeuert wurde.

Sie war meine Schwester und meine Genossin“

Asya Gezer erzählt über die Haft ihrer Schwester Garibe: „Ich war zur gleichen Zeit wie Garibe im Gefängnis. Wir waren etwa neun Monate zusammen. Sie war sowohl meine Schwester als auch meine Genossin. Ich wurde freigelassen, aber Garibe wurde in weit entfernte Gefängnisse verlegt. Sie wurde in sechs Jahren durch acht Gefängnisse geschickt. Wegen der Schwierigkeiten im Gefängnis von Şakran wurde sie nach Tarsus verlegt. Dort erlitt sie die gleichen Rechtsverletzungen, sie wurde in Einzelhaft gesperrt. Anschließend wurde sie in einer Einzelzelle im Bünyan-Gefängnis untergebracht und war ständig Rechtsverletzungen und diskriminierenden Maßnahmen ausgesetzt.

Garibe Gezer in Bunkerhaft gesteckt

Das Urteil gegen Garibe war vom Kassationsgerichtshof noch nicht bestätigt worden. Das Amtsgericht hatte sie verurteilt, die nächste Instanz hatte das Urteil gebilligt und weitergeleitet, aber der Kassationsgerichtshof hatte das Urteil noch nicht bestätigt. Trotzdem wurde sie in Isolationshaft gehalten. Das wurde ihr aufgezwungen. Garibe war ein sehr widerständiger Mensch. Sie war eine Frau, die nichts akzeptierte, was ihr aufgezwungen werden sollte. Von Bünyan wurde sie in das Gefängnis Nr. 1 des Typs F in Kocaeli verlegt. Wir alle wissen, was dort geschah. Sie wurde über den Boden geschleift. Wir haben der Presse erzählt, was sie in dieser Zeit durchgemacht hat. Wir forderten den IHD und die parlamentarische Menschenrechtskommission auf, eine Untersuchung einzuleiten. Aber wir haben Garibe am 9. Dezember verloren.“

Verfahren eingestellt

Asya Gezer berichtet, dass nichts geschehen sei, um den Tod ihrer Schwester aufzuklären oder die Verantwortlichen zu bestrafen. „Wir haben damals Strafanzeige gegen die Gefängnisverwaltung erstattet, weil Garibe gefoltert worden war“, erklärt sie. „Es wurde entschieden, dass keine Anklage erhoben wird. Unsere Anwälte haben vor einem Jahr das Verfassungsgericht angerufen. Das Verfahren dauert an. Meine Aussage sollte in dieses Verfahren aufgenommen werden, das geschah aber nicht. Erst mit Hilfe unserer Anwälte wurde meine Aussage nach Garibes Tod aufgenommen.

Ein weiteres Verfahren wurde wegen vorsätzlicher Tötung eingeleitet. Auch hier wurde von einer Strafverfolgung abgesehen. Unsere Anwälte sind dabei, dieses Verfahren vor das Verfassungsgericht zu bringen. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden einige persönliche Gegenstände von Garibe beschlagnahmt: 20 bis 30 Bücher, fast 40 Briefe, zwei Fotoalben, fünf Notizhefte, von denen einige Tagebücher, einige Notizbücher waren, und Zeitungsausschnitte, die Garibe gesammelt hatte. Diese Gegenstände wurden beschlagnahmt, aber unsere Anwälte haben sie zurückerhalten.“

Die Gefängnisse sind mit Garibe zu einer blutenden Wunde geworden“

Asya Gezer schließt mit den Worten: „Vier von uns Geschwistern sind nacheinander verhaftet worden. Die Gefängnisse hatten schon eine besondere Bedeutung für mich, mit Garibe wurden sie zu meiner blutenden Wunde. Ich spreche nicht nur von meiner eigenen Familie, es gibt viele Menschen wie uns. Es gibt viele Freundinnen wie Garibe. Ich wollte etwas für sie tun. Garibe sprach immer über die Politik, die in den Gefängnissen umgesetzt wird. ‚Wir stehen alle unter Druck, aber bei Frauen ist dieser Druck noch viel größer‘, sagte sie. Es gibt Mütter und Babys in den Gefängnissen. Es gibt kranke Gefangene. Ich habe mich um die Kandidatur beworben, um mich für diese Menschen einzusetzen, ihnen nützlich zu sein, und für sie zu kämpfen.“