Aufnahmen der Misshandlung von Garibe Gezer

Garibe Gezer ist in türkischer Haft systematisch isoliert und misshandelt worden. Vor einem Jahr kam sie auf ungeklärte Weise in einer Einzelzelle ums Leben. Jetzt sind Aufnahmen von ihrer Misshandlung im Hochsicherheitsgefängnis Kandıra aufgetaucht.

Die Frauennachrichtenagentur JinNews hat Aufnahmen einer Überwachungskamera aus der Vollzugsanstalt Kandıra I veröffentlicht. Die Bilder zeigen die Misshandlung von Garibe Gezer. Die 28-jährige Kurdin war am 9. Dezember vergangenen Jahres nach erlittener Folter in Einzelhaft in dem Hochsicherheitsgefängnis in der westtürkischen Provinz Kocaeli ums Leben gekommen. Zum Zeitpunkt ihres Todes saß sie eine von etwa zwanzig Bunkerstrafen in einer Einzelzelle ab, die ihr in den Monaten zuvor willkürlich auferlegt worden waren. Die Vollzugsleitung behauptete, Gezer habe Selbstmord begangen.

 

In den Aufnahmen ist zu sehen, wie Garibe Gezer in der Haftanstalt vom Vollzugspersonal über den Boden geschleift wird. Direkt nach ihrem Tod war die Akte von der Staatsanwaltschaft als Geheimhaltungssache eingestuft worden. Ein Ermittlungsverfahren wegen Folter ist eingestellt worden. Die von Garibe Gezers Anwältinnen im März beim türkischen Verfassungsgerichtshof eingereichte Beschwerde ist noch anhängig.

Wer war Garibe Gezer?

Garibe Gezer war politisch aktiv und wurde im März 2016 in der Provinz Mêrdîn festgenommen. Sie war damals 23 Jahre alt und im Vorstand des Kreisverbands der DBP in Kerboran. Zwei Jahre zuvor wurde ihr Bruder Bilal Gezer bei den Kobanê-Protesten im Oktober 2014 von Unbekannten ermordet. Ein weiterer Bruder, Mehmet Emin Gezer, wollte bei der Polizei in Kerboran nach den Mördern fragen und wurde vor dem Gebäude von polizeilichen Sondereinsatzkräften angeschossen. Aufgrund der Schussverletzung sind seine Beine gelähmt. Alle neun Mitglieder der Familie wurden festgenommen, es wurden Ermittlungen gegen sie eingeleitet.

Der Haftbefehl gegen Garibe Gezer erging aufgrund eines Verfahrens gegen alle, die Kerboran nach der Ausrufung der Ausgangssperre im Dezember 2015 nicht verlassen haben. Sie wurde zu einer erschwerten lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, die nach türkischem Strafrecht bis zum Tod vollzogen wird. Garibes Bruder Haşim Gezer wurde ein knappes Jahr später verhaftet und zu 22 Jahren verurteilt.

Von staatlicher Gewalt geprägtes Leben

Im Juni 2021 hatte sich Garibe Gezer erstmalig mit der Bitte um Unterstützung an den Menschenrechtsverein IHD gewandt. Über Monate war die Gefangene zuvor in einer Strafvollzugsanstalt in Kayseri in Einzelhaft gehalten worden. Sie hatte sich gewehrt und aus Protest gegen die Isolation ihre Zelle angezündet. Zur Strafe wurde sie nach Kandıra verlegt. Doch auch dort ging die Folter weiter. Beim ersten Besuch bei ihr in der Haftanstalt soll sie dem IHD berichtet haben, im Mai schwere physische und sexualisierte Gewalt erfahren und wiederholt verlangt zu haben, aus Einzelhaft in eine Sammelzelle verlegt zu werden. In diesem Zusammenhang habe sie etliche Briefe an Familienangehörige, Bekannte und Anwält:innen geschrieben. Darin schilderte sie unter anderem, dass am 21. Mai männliches und weibliches Wachpersonal in ihre Zelle eindrang. Während Gefängniswärterinnen ihre Arme festhielten, hätten die Männer ihr mit Stiefeln in den Rücken getreten und ihr in dem Intimbereich gefasst. Der Gewaltakt habe mehrere Minuten angedauert. Ihr sei die Wäsche vom Leib gerissen worden, bevor sie halbnackt durch den Männerbereich geschleift wurde. Anschließend sei sie in eine vollständig isolierte und 24 Stunden am Tag kameraüberwachte ‚Gummizelle‘ gesperrt worden. In diesem Raum, in dem sie bis zum 24. Mai festgehalten wurde, habe sie sexualisierte Gewalt von Seiten der Gefängniswächterinnen erlebt. Danach versuchte sie sich das Leben zu nehmen. Auf der Krankenstation wurde sie erneut misshandelt. Eine medizinische Behandlung blieb aus. Laut dem IHD sind sämtliche Schreiben Garibe Gezers mit den Schilderungen über das ihr Widerfahrene von der Vollzugsleitung beschlagnahmt worden. Damit sollte offenbar verhindert werden, dass sie von der erfahrenen Gewalt berichtet.