Ermittlungen zum Tod von Garibe Gezer unter Geheimhaltung

Nach dem Tod von Garibe Gezer in einem türkischen Gefängnis ist das Ermittlungsverfahren unter Geheimhaltung gestellt worden. Die Verteidiger:innen haben keine Akteneinsicht und beschuldigen die Staatsanwaltschaft der Vertuschung.

Die getrennt voneinander geführten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Folterung und dem Tod von Garibe Gezer im Hochsicherheitsgefängnis Kandira sind unter Geheimhaltung gestellt worden. Das teilten die Rechtsanwält:innen Eren Keskin, Veysi Eski, Jiyan Kaya, Jiyan Tosun, Elif Taşdöğen und Beritan Kalbişen heute auf einer Pressekonferenz in der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD mit.

Die 28-jährige Kurdin Garibe Gezer war am vergangenen Donnerstag nach erlittener Folter in Einzelhaft in der Vollzugsanstalt in der Provinz Kocaeli ums Leben gekommen. Das endgültige Obduktionsergebnis steht noch aus, in einem vorläufigen Bericht werden keine Angaben zur Todesursache gemacht. Die Vollzugsleitung spricht von Suizid.

Dutzende Briefe beschlagnahmt

Rechtsanwältin Jiyan Tosun führte auf der Pressekonferenz aus, dass ihre Mandantin Garibe Gezer sich erstmalig im Juni 2021 mit der Bitte um Unterstützung an den IHD gewandt hat. Bei einem Besuch im Gefängnis habe Gezer berichtet, dass sie im Mai schwere physische und sexualisierte Gewalt erfahren und wiederholt verlangt habe, aus der Einzelhaft in eine Sammelzelle verlegt zu werden. In diesem Zusammenhang habe sie Briefe an Familienangehörige, Bekannte und Anwält:innen geschrieben. „Es waren unzählige Briefe und sie sind sämtlich von der Vollzugsleitung beschlagnahmt worden. Damit sollte verhindert werden, dass sie von der erfahrenen Gewalt berichtet. Allein im Juni hat sie ungefähr zwanzig Briefe geschrieben. Als Garibe begriffen hat, dass sie sich kein Gehör verschaffen kann, hat sie ihre Zelle angezündet. Danach wurde sie in eine Gummizelle gebracht und dort 24 Stunden festgehalten“, so die Rechtsanwältin.

Die mutmaßlichen Täter sollen den Fall aufklären“

Die Anwältinnen stellten Strafanzeige wegen der Folterung ihrer Mandantin, daraufhin passierte lange Zeit nichts. Erst als im November eine Öffentlichkeit hergestellt wurde, ist Gezer im November in die Gerichtsmedizin überwiesen worden. Laut Rechtsanwältin Tosun wurden jedoch weder ihre Mandantin noch die mutmaßlichen Täter:innen angehört. Die Anwältinnen hätten eine Untersuchung der Arrestierung ihrer Mandantin in der Gummizelle gefordert, daraufhin habe der ermittelnde Staatsanwalt die Vollzugsverwaltung um ein Foto gebeten. „Der Staatsanwalt fordert also von den mutmaßlichen Tätern die Aufklärung der Straftat. Das ist eine Rechtsverletzung, denn damit werden alle Beweise vernichtet. Auf diese Weise kann kein Ermittlungsverfahren geführt werden“, so Jiyan Tosun.

Erst wenn ein Mensch tot ist“

Rechtsanwältin Jiyan Kaya wies darauf hin, dass die Autopsie von Garibe Gezer in Abwesenheit der Anwält:innen durchgeführt wurde, obwohl die Gefängnisleitung wusste, dass diese sich auf dem Weg zur Vollzugsanstalt befanden. Mit den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Tod ihrer Mandantin sei derselbe Staatsanwalt beauftragt worden, der bereits gegen Garibe Gezer wegen Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt habe.

Rechtsanwalt Veysi Eksi teilte mit, dass in den als Geheimhaltungssache eingestuften Akten Tagebücher und Briefe von Garibe Gezer enthalten sind: „Wir müssen Akteneinsicht bekommen, damit wir beurteilen können, was in der Zeit vor dem Tod unserer Mandantin geschehen ist. Ich sage es ganz offen, dass wir der Staatsanwaltschaft nicht trauen. Es ist inzwischen offensichtlich, dass etwas geheimgehalten werden soll.“

Die IHD-Vorsitzende Eren Keskin sagte auf der Pressekonferenz, dass sich der Menschenrechtsverein bereits seit den 1990er Jahren gegen das Isolationssystem in den Gefängnissen einsetzt und Garibe Gezer sich ständig gegen die Einzelhaft gewehrt habe. In einem Brief habe sie geschrieben: „Erst wenn ein Mensch tot ist, werden seine Rechte eingefordert.“