Die politische Gefangene Garibe Gezer ist tot. Nach Angaben des Hochsicherheitsgefängnisses Kandira hat sie Selbstmord begangen. Das teilte die Vollzugsleitung offenbar den Angehörigen mit. Rechtsanwältin Eren Keskin schreibt dazu auf Twitter: „Gerade bin ich darüber informiert worden, dass meine Mandantin Garibe Gezer im Gefängnis in Kandira Selbstmord begangen hat. Sie war ein Folteropfer und hatte eine Bunkerstrafe. Der Gefängnisleiter hat ihre Schwester angerufen. Wir haben unsere Garibe leider verloren. Die Rechtsanwältinnen Jiyan Tosun und Jiyan Kaya fahren zu ihr.“
Wer war Garibe Gezer?
Garibe Gezer war Kurdin und wurde im März 2016 in der Provinz Mêrdîn festgenommen. Sie war damals 23 Jahre alt und im Vorstand des Kreisverbands der DBP in Kerboran (tr. Dargeçit). Zwei Jahre zuvor wurde ihr Bruder Bilal Gezer bei den Kobanê-Protesten im Oktober 2014 von Unbekannten ermordet. Ein weiterer Bruder, Mehmet Emin Gezer, wollte bei der Polizei in Kerboran nach den Mördern fragen und wurde vor dem Gebäude von polizeilichen Sondereinsatzkräften angeschossen. Aufgrund der Schussverletzung sind seine Beine gelähmt. Alle neun Mitglieder der Familie wurden festgenommen, es wurden Ermittlungen gegen sie eingeleitet.
Der Haftbefehl gegen Garibe Gezer erging aufgrund eines Verfahrens gegen alle, die Kerboran nach der Ausrufung der Ausgangssperre im Dezember 2015 nicht verlassen haben. Sie wurde zu einer erschwerten lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, die nach türkischem Strafrecht bis zum Tod vollzogen wird. Garibes Bruder Haşim Gezer wurde ein knappes Jahr später verhaftet und zu 22 Jahren verurteilt.
Garibe Gezer wurde in Einzelhaft gehalten und wehrte sich dagegen. Im Gefängnis in Kayseri zündete sie aus Protest ihre Zelle an und wurde zur Strafe nach Kandira verlegt. Dort war sie 22 Tage in einer Einzelzelle und wehrte sich erneut. Im Mai drang männliches und weibliches Wachpersonal in ihre Zelle ein. Während Gefängniswärterinnen ihre Arme festhielten, traten die Männer ihr mit Stiefeln in den Rücken. Der Gewaltakt dauerte mehrere Minuten an. Ihr wurde die Wäsche vom Leib gerissen und sie wurde halbnackt durch den Männerbereich geschleift. Anschließend wurde sie in eine vollständig isolierte, 24 Stunden am Tag kameraüberwachte ‚Gummizelle‘ gesperrt. In diesem Raum erlebte sie sexualisierte Gewalt von Seiten der Gefängniswächterinnen. Danach versuchte sie sich das Leben zu nehmen. Auf der Krankenstation wurde sie erneut misshandelt. Eine medizinische Behandlung blieb aus.