Die Frauen aus der Fraktion der Demokratischen Partei der Völker (HDP) haben sich auf einer Pressekonferenz im Parlament in Ankara zum ungeklärten Tod von Garibe Gezer im Hochsicherheitsgefängnis Kandira und dem Gesundheitszustand der inhaftierten kurdischen Politikerin Aysel Tuğluk geäußert.
Im Namen der Parlamentarierinnen erklärte Ayşe Acar Başaran als Sprecherin des HDP-Frauenrats: „Wir bringen seit langer Zeit zur Sprache, dass die Situation in den Gefängnissen in der Türkei mit den 1980er Jahren vergleichbar ist und sich zunehmend verschlechtert. Jeden Tag sind Gefangene einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt. Weil die Regierung unsere Äußerungen ignoriert, ist Garibe Gezer unter verdächtigen Umständen ums Leben gekommen. Garibe Gezer ist am 15. März in eine Einzelzelle im Gefängnis Kayseri-Bünyan verlegt worden. Dagegen hat sie widersprochen. Danach wurde sie auf unrechtmäßige Weise nach Kandira verlegt. Nach einer 22-tägigen Bunkerstrafe wollte sie in eine Drei-Personen-Zelle verlegt werden. Keiner ihrer Anträge wurde angenommen, sie wurde weiter in einer Einzelzelle festgehalten. Als sie dagegen widersprach, wurde sie in eine Gummizelle gesperrt. Diese Gummizellen sind aus dem Foltergefängnis Diyarbakir aus den 1980er bekannt und werden auch heute genutzt.“
„Garibe Gezer hat uns angeschrieben“
Weiter führte die Abgeordnete aus, dass Garibe Gezer am 24. Mai von männlichem und weiblichem Wachpersonal gefoltert, misshandelt und sexualisierter Gewalt ausgesetzt worden ist. Sie habe die erlebte Gewalt öffentlich gemacht und beharrlich weitere Anträge auf Verlegung in eine Sammelzelle gestellt. Keiner dieser Anträge sei bearbeitet worden. Am 7. Juni habe sie versucht, ihre Zelle anzuzünden, vorher habe sie einen Selbstmordversuch unternommen.
„Sie hat uns als Abgeordneten einen Brief über die erlebte Misshandlung geschrieben. Davon hat uns nur ein Teil erreicht. Wir haben etliche parlamentarische Anfragen gestellt und das Thema im Parlament und auf der Straße zur Sprache gebracht. Wir haben erklärt, dass Garibe Gezer in einem unter der Aufsicht des Justizministeriums stehenden Gefängnis misshandelt und sexuell gefoltert wird und sich gegen ihren Willen in einer Einzelzelle befindet. Das Justizministerium hat wie üblich alle unsere Initiativen ignoriert. Und dann ist Garibe unter verdächtigen Umständen ums Leben gekommen. Ihrer Familie wurde von Selbstmord berichtet, aber ihre Familie und ihre Anwältinnen glauben nicht daran. Auch wir sind nicht überzeugt davon, dass es ein Selbstmord war. Wir akzeptieren die Darstellung als Selbstmord nicht, wenn eine Frau systematisch über einen langen Zeitraum misshandelt wird“, so Ayşe Acar Başaran.
Herabwürdigung nach dem Tod
Auch nach dem Tod von Garibe Gezer sei die herabwürdigende Behandlung weitergegangen, erklären die HDP-Abgeordneten. Bei der Abholung der Leiche aus der Gerichtsmedizin wurden die Anwältinnen beleidigt, nach der Überführung des Sargs nach Mêrdîn wurde ein Leichenwagen der Stadtverwaltung von Polizisten weggeschickt. Zur Beerdigung wurden nur fünfzig Personen zugelassen und seit Freitagabend wird Druck auf die Angehörigen ausgeübt, damit sie keine Trauergäste empfangen. In den türkischen Medien wird unterdessen berichtet, dass eine auf Staatskosten im Gefängnis ernährte Terroristin gestorben ist. „Diese Meldung sagt alles darüber aus, wer für Garibes Tod verantwortlich ist“, sagt Başaran.
„Aysel Tuğluks Zustand wird täglich schlechter“
In den Gefängnissen der Türkei gebe es Hunderte kranke Frauen, die trotz Haftunfähigkeit aufgrund der feindlichen Regierungspolitik weiter festgehalten werden, erklärt Başaran. Das bekannteste Beispiel sei die seit fünf Jahren inhaftierte Politikerin Aysel Tuğluk, die nach den traumatischen Erfahrungen bei der Beerdigung ihrer Mutter unter Gedächtnisverlust leidet und sich nicht mehr selbstständig versorgen kann. Im Juli hat die medizinische Fakultät in Kocaeli eine chronische Erkrankung und Haftunfähigkeit festgestellt. Drei Monate später bescheinigte die Gerichtsmedizin ein gegenteiliges Attest. „Aysels Zustand verschlechtert sich täglich weiter. Wir appellieren an dieser Stelle ein weiteres Mal an die Regierung: Dieses Feindstrafrecht muss beendet werden“, so die Abgeordneten der HDP.