HDP: „Aysel Tuğluk muss sofort freigelassen werden“

Der Frauenrat der HDP fordert die sofortige Entlassung der seit fünf Jahren inhaftierten kurdischen Politikerin und Juristin Aysel Tuğluk.

Die seit fünf Jahren in der Türkei inhaftierte kurdische Politikerin Aysel Tuğluk ist aufgrund einer Demenzerkrankung pflegebedürftig und haftunfähig, der Frauenrat der Demokratischen Partei der Völker (HDP) fordert ihre sofortige Freilassung.

Aysel Tuğluk befindet sich seit dem 28. Dezember 2016 im Gefängnis von Kandıra in der westtürkischen Provinz Kocaeli. In mehreren Verfahren wurde die Rechtsanwältin, die unter anderem auch Abdullah Öcalan vertrat, bereits verurteilt, andere Prozesse sind noch anhängig. Im Februar 2020 bestätigte der türkische Berufungsgerichtshof die bislang höchste Freiheitsstrafe gegen Tuğluk über zehn Jahre Haft. Verurteilt wurde die 56-Jährige aufgrund ihrer Funktion als Ko-Vorsitzende des Graswurzelbündnisses „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD) wegen „Leitung einer Terrororganisation“. Mitte Oktober folgte ein Urteil über zwanzig Monate Freiheitsstrafe gegen die frühere Parlamentsabgeordnete wegen vermeintlicher Terrorpropaganda in den Jahren 2012 und 2013. Im sogenannten Kobanê-Prozess in Ankara droht ihr eine erschwerte lebenslange Haftstrafe.

Der Frauenrat der HDP weist darauf hin, dass die Demenzerkrankung auf Wunsch von Aysel Tuğluk längere Zeit nicht öffentlich gemacht wurde. Da sich ihr Zustand zunehmend verschlechtere und inzwischen Lebensgefahr bestehe, sei öffentliche Solidarität jedoch unumgänglich. Darauf habe auch die Gefängniskommission der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD aufmerksam gemacht und die Aussetzung der Reststrafe gefordert. Die an Demenz erkrankte Gefangene könne sich nicht mehr selbst versorgen und sei vollständig auf die Hilfe ihrer Mitgefangenen angewiesen. Die Gerichtsmedizin an der Universität Kocaeli hat bei Aysel Tuğluk bereits vor einiger Zeit eine Haftunfähigkeit festgestellt und eine dringende Entlassung empfohlen. Doch entsprechende Entlassungsanträge werden von der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft entgegen der Rechtslage negativ beschieden.

Der HDP-Frauenrat sieht einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der anti-kurdischen Staatspolitik in der Türkei und erklärt, dass der Auslöser des Gedächtnisverlusts die Beerdigung von Aysel Tuğluks Mutter gewesen ist. Im September 2017 löste ein Angriff eines türkischen Mobs auf die Beerdigung von Hatun Tuğluk weltweit Empörung aus. Hunderte Rassisten und Nationalisten hatten in Ankara die Beerdigung mit Steinen attackiert und Hassparolen gegen Armenier:innen und Alevit:innen gerufen. Die sterblichen Überreste von Aysel Tuğluks Mutter mussten daraufhin exhumiert werden, weil der Mob angedroht hatte, die Leiche zu schänden. Wenige Tage später wurde Hatun Tuğluk in Dersim beigesetzt. Ihre Tochter durfte sich nicht verabschieden. Die Gefängnisleitung hatte ihr keine zweite Sondererlaubnis erteilt. Von dieser traumatischen Erfahrung habe sich Aysel Tuğluk nicht erholt, so der Frauenrat der HDP:

„Verantwortlich für die Erkrankung von Aysel Tuğluk ist die Regierung des Ein-Mann-Regimes. Sie versucht sich mit Krieg, Tod, Sexismus, Polarisierung, Diskriminierung und Militarismus an der Macht zu halten und nimmt kämpfende Frauen in politische Geiselhaft.“ Gegen Aysel Tuğluk werde ein rachsüchtiges Feindstrafrecht angewendet. Sie habe sich ihr Leben lang für die Rechte von Frauen, Kurd:innen und Alevit:innen eingesetzt und sei in der Türkei die erste Frau gewesen, die als Ko-Vorsitzende der DTP die genderparitätische Doppelspitze einer politischen Partei repräsentiert habe.

Die Forderung nach Gerechtigkeit für Aysel Tuğluk bedeute somit die Verteidigung der Frauenbewegung, der demokratischen Politik und des Lebens, so der HDP-Frauenrat: „Wir fordern die sofortige Freilassung von Aysel Tuğluk und machen das Justizministerium dafür verantwortlich, wenn sich ihr Zustand verschlechtern sollte. Wir appellieren an alle Frauen: Lasst uns gegen die Politik des Todes, die Aysel Tuğluk und den weiteren gefangenen Frauen auferlegt wird, für eine Politik des Lebens eintreten!“