Schutzsuchende auf den Kanaren dürfen nicht aufs Festland

Immer mehr Schutzsuchende kommen auf der gefährlichsten Fluchtroute über den Atlantik auf den Kanaren an. Die spanische Zentralregierung lehnt die Überführung auf das Festland ab. Madrid setzt stattdessen auf Frontex, Notlager und Abschiebungen.

Die Zahl der Schutzsuchenden aus Afrika, die auf den Kanarischen Inseln ankommen, steigt kontinuierlich. Die Wetterbedingungen werden mit dem heraufziehenden Winter immer schwieriger, dennoch machen sich immer mehr Menschen auf den oft tödlichen Weg aus Mauretanien, West-Sahara und sogar dem Senegal auf das zu Spanien gehörige Archipel. In diesem Jahr trafen bereits mehr als 18.000 Menschen in kleinen Holzbooten dort ein. Das bedeutet eine Steigerung von 1000 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allein 9000 Menschen wagten in den vergangenen vier Wochen die gefährliche Überfahrt auf die Kanaren.

Die Unzahl an Menschen, die dabei sterben, kann nur Gegenstand von Vermutungen sein, da die Bedingungen weitaus schlechter sind als im Mittelmeer. Da jedoch die Mittelmeerroute durch die Menschenfänger der libyschen Küstenwache kaum noch zu passieren ist, haben die Verzweifelten kaum eine andere Wahl, als diesen Weg zu nehmen. Der kanarische Inselpräsident Ángel Víctor Torres fordert mehr Solidarität von Madrid und vor allem die Überführung von Migrantinnen und Migranten auf das Festland. „Alleine schaffen wir das hier nicht“, sagte Torres nach einem Treffen am Freitag mit José Luis Escrivá, dem Minister für Migration. Doch Spaniens Zentralregierung weigert sich, die Ankömmlinge auf das Festland zu bringen, um die Inseln zu entlasten. Madrid setzt auf Frontex, sogenannte Notlager und Abschiebungen, ungeachtet der Corona-Pandemie.

„Wir können es nicht hinnehmen, uns in eine Gefängnisinsel zu verwandeln“

Einmal auf den Inseln angekommen, sollen die Schutzsuchenden dort auf Dauer interniert werden, wenn es nach der EU und der spanischen Regierung geht. Auch die Einwohner*innen der Kanaren fühlen sich alleingelassen. Antonio Morales, der Inselpräsident von Gran Canaria, beschreibt die Situation gegenüber der FR mit treffenden Worten: „Wir können es nicht hinnehmen, uns in eine Gefängnisinsel zu verwandeln.“ Obwohl viele Regionen wie Extremadura, Valencia, Navarra, Euskadi, Kastilien, León und die Stadt Barcelona sich angeboten haben, Schutzsuchende von den Kanaren aufzunehmen, sperrt sich die spanische Zentralregierung. Innenminister Fernando Grande-Marlaska bestätigte bereits, dass an eine Überführung der Menschen aufs Festland grundsätzlich nicht zu denken sei. Dies sei eine „Migrationspolitik, die eine gemeinsame EU-Politik ist“, so Grande-Marlaska. Bisher gab es keine Initiative anderer EU-Staaten, Schutzsuchende von den Kanaren aufzunehmen.

Zeltlager auf Militärgelände

Auf Militärgelände sollen nun mehrere Zeltlager für insgesamt 7.000 Personen hochgezogen werden. Diese Zentren würden auf Gran Canaria, Fuerteventura und Teneriffa schon in den nächsten Wochen zur Verfügung stehen, sagte Migrationsminister José Luis Escrivá am Freitag bei einem Besuch in Las Palmas de Gran Canaria. Der Abgeordnete der Linksfraktion, Michel Brandt, kritisiert das Vorgehen Spaniens scharf als Ausdruck der repressiven Flüchtlingspolitik der EU.

Der Lagerbau ist auf Dauer angelegt – nächstes Jahr sollen „stabilere Lösungen“ wie Hallen geschaffen werden. Mit Marokko ist Spanien ebenfalls in Verhandlungen über eine Rücknahme und eine Verschärfung der Kontrolle der Küste. Aufgrund des historischen Konflikts zwischen Spanien und Marokko ist eine Einigung jedoch unwahrscheinlich.