20.400 Schutzsuchende seit 2013 im Mittelmeer ertrunken

Nach UN-Angaben sind seit 2013 mindestens 20.400 Menschen an der Mittelmeergrenze der EU gestorben. Dies macht die EU-Außengrenze zur tödlichsten Grenze der Welt, schreibt Sterka Reş in einem Kommentar.

Während anlässlich des 3. Oktobers viel von Mauertoten und der Brutalität der damalige Grenze zwischen BRD und DDR diskutiert wird, tritt immer wieder die Realität in den Hintergrund, dass die tödlichste Grenze der Welt nicht in der Geschichte, sondern im Jetzt und nicht etwa in Nordkorea, sondern an der Südgrenze der EU zu finden ist. Der 3. Oktober ist nicht nur „Tag der deutschen Einheit“ sondern auch Jahrestag des Bootsunglücks am 3. Oktober 2013, bei dem mindestens 368 Schutzsuchende vor Lampedusa ertranken. Allein bei diesem durch die Grenzpolitik gezielt herbeigeführten Unglück starben mehr Menschen als in der gesamten Geschichte der innerdeutschen Grenze. Es ist wahr, man sollte Tote nicht miteinander aufrechnen, doch der Aufschrei auf der einen und das Schweigen auf der anderen Seite stellen Europa und allen voran Deutschland ein bitteres Zeugnis aus. Hier wird deutlich, welche Leben für die BRD welchen Wert haben.

Gerade Deutschland ist federführend für Einstellung der Seenotrettung im Mittelmeer und der Sabotage der zivilen Seenotrettung nicht nur durch Verordnungen aus dem Verkehrsministerium verantwortlich. Doch die 368 Toten vom 3. Oktober 2013 waren nicht die ersten und leider schon gar nicht die letzten Opfer der EU-Abschottungsdoktrin. Nach UN-Angaben sind seit 2013 mindestens 20.400 Menschen an der Südgrenze der Festung Europa ertrunken. Diese Männer, Frauen und Kinder sind Opfer eines brutalen Grenzregimes, welches statt sichere Wege nach Europa zu schaffen, Schutzsuchende ganz bewusst zwingt, auf immer gefährlichere Wege auszuweichen. Das Dogma, je gefährlicher die Wege, je schlechter die Unterbringung, desto weniger Schutzsuchende kommen, ist schon lange widerlegt, wird aber in aller Brutalität bis ins Endlose fortgesetzt. Chiara Cardoletti vom UNHCR erklärte angesichts dieser Zahlen, man könne nicht hinnehmen, dass Frauen, Kinder und Männer auf der Flucht ihr Leben verlören, weil es zu wenig Rettungsmittel gebe.

Schiffbrüchige Schutzsuchende im Mittelmeer werden zu „Unberührbaren“ gemacht, indem Handelsschiffe, die ihrer seevölkerrechtlichen Pflicht nachkommen und sie aus dem Meer retten, mit einer oft monatelangen Odyssee zu rechnen haben, da sie kein Hafen dann mehr anlanden lässt. Und das Spiel geht weiter, wenn sie einmal in den Peripheriestaaten der EU angelandet sind, dann tun Länder wie Deutschland alles dafür, dass sie auch dortbleiben. So werden die meist armen Peripheriestaaten geradezu in eine feindselige Haltung Schutzsuchenden gegenüber getrieben. Auch hier spielt insbesondere Deutschland eine wichtige Verantwortung. Das erkennt auch Cardoletti und mahnt an, es sei inakzeptabel, dass die EU-Mittelmeeranrainer mit der Aufnahme von Bootsmigranten allein gelassen würden. Die UNHCR-Vertreterin verlangte zurecht einen umfassenden Rettungs- und Aufnahmeplan, der alle EU-Mitgliedstaaten beteiligen müsse. Das allein reicht aber bei weitem noch nicht aus – Fluchtursachen – das heißt Waffenexporte und ökonomische Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Natur - müssen sofort beendet und legale Fluchtwege geschaffen werden. Dass dies die Staaten nicht tun werden, ist klar. Stattdessen gilt es, der kapitalistischen Moderne eine demokratische Moderne entgegenzustellen und eine Welt zu schaffen, in der jeder Mensch wertvoll ist.