Salih Gergerlioğlu: Ein Sohn kämpft für seinen Vater

Seit der HDP-Politiker und Menschenrechtler Ömer Faruk Gergerlioğlu vor gut einem Monat verhaftet wurde, versucht sein Sohn Salih die Arbeit fortzusetzen und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei öffentlich zu machen.

Der HDP-Politiker und Menschenrechtler Ömer Faruk Gergerlioğlu ist nach dem Entzug seines Abgeordnetenmandats vor gut einem Monat in der Türkei wegen eines Tweets zum Frieden verhaftet worden. Vor seiner Festnahme hat er wochenlang eine Mahnwache für Gerechtigkeit durchgeführt. Seinen Kampf für Menschenrechte hat jetzt sein Sohn Salih Gergerlioğlu übernommen. Salih Gergerlioğlu versucht, die Botschaften seines Vaters aus dem Gefängnis in Sincan öffentlich zu machen.

Aufgrund des Lockdowns in der Türkei sind Besuche im Gefängnis verboten. Seit knapp zwanzig Tagen kann Salih Gergerlioğlu nur telefonisch mit seinem Vater sprechen. „Die HDP hat Artikel über meinen Vater mit einem Brief an ihn ins Gefängnis geschickt, aber diese werden ihm nicht ausgehändigt. Als Begründung wurde gesagt, dass unter den Artikeln auch welche von der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) sind“, erklärt Salih Gergerlioğlu gegenüber ANF. „Später haben auch wir Zeitungsausschnitte an ihn geschickt, aber auch die hat er nicht bekommen. Was kann ein Mensch im Gefängnis schon tun, wenn er Artikel über sich sieht? Er kann nur sein Recht auf freien Zugang zu Informationen nutzen, mehr nicht. Und das ist ein Grundrecht.“

Auch das TV-Programm ist für Gergerlioğlu eingeschränkt. „Er sitzt in einer Zelle und hat einen Fernseher, aber er hat keinen Zugang zu allen Kanälen. Beispielsweise sind Halk TV, Tele1 und KRT nicht dabei. Wir wissen jedoch, dass diese Sender früher in Sincan zugänglich waren. Er sagt, dass er sich über Fox TV zu informieren versucht. Darüber hinaus dürfen wir nur alle zwei Monaten zwölf Bücher schicken, aber mein Vater hat innerhalb von zwanzig Tagen neun Bücher gelesen. Was soll er also in der restlichen Zeit machen? Soweit ich weiß, können auch aus der Bibliothek nur begrenzt Bücher geliehen werden.“

Der HDP-Politiker leidet unter Rheuma und friert. Eine Mütze, die ihm seine Familie geschickt hat, wurde ihm nicht ausgehändigt, weil die Vollzugsleitung meint, er könnte daraus eine Gesichtsmaske herstellen. „Außerdem hat jemand ihm eine Muschel geschickt, damit er das Meeresrauschen hören kann, aber auch die hat er nicht bekommen. Als Begründung wurde gesagt, dass das den Vollzugsregeln widerspricht“, berichtet Salih Gergerlioğlu. Sein Vater war in die öffentliche Kritik geraten, weil er die Praxis entwürdigender Leibesvisitationen durch die Polizei öffentlich gemacht hatte. AKP-Politiker:innen hatten ihn deswegen der Verleumdung bezichtigt, obwohl Nacktdurchsuchungen gängige Praxis bei der Polizei und in Haftanstalten ist. „Mein Vater hatte das als Beispiel dafür genannt, wie in den Gefängnis alles zum Mechanismus wird. Im Moment höre ich aus vielen Gefängnissen, wie sich Covid-19 dort ausbreitet. Viele Menschen sterben, ohne dass jemand etwas davon erfährt. Die Regierung kümmert sich leider nur um die Touristen.“

Ömer Faruk Gergerlioğlu hat vor seiner Festnahme auf einem eigenen Kanal Menschenrechtsverletzungen öffentlich gemacht. Sein Sohn setzt diese Arbeit jetzt fort und hat die Moderation übernommen. „Mein Vater hat das als Menschenrechtsaktivist lange Zeit gemacht und wir wollen nicht, dass bei dieser Arbeit eine Lücke entsteht. Wir überlegen, einen Bericht über die Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst durch Dekrete zu erstellen und bei der HDP und anderen Parteien einzureichen, damit das Thema ins Parlament eingebracht wird. Darüber hinaus habe ich die ,Bewegung der Anderen' [Öteki Hareketi] gegründet, in der ich mit anderen zusammen arbeite“, so Salih Gergerlioğlu.

Ömer Faruk Gergerlioğlu ist zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. „Wir wissen nicht, wie lange er davon wirklich absitzen muss“, sagt sein Sohn. „Vorher warten wir noch die Entscheidung des Verfassungsgerichts ab. Außer der HDP haben die Parteien und die Opposition dazu geschwiegen, dass mein Vater mit einer derartigen Begründung sein Abgeordnetenmandat verloren hat. Es geht dabei ja nicht nur um meinen Vater. Durch Schweigen kann dieses Geschehen nicht gestoppt werden.“