Nach 30 Jahren Haft keine Entlassung wegen „fehlender Reue“

Der politische Gefangene Izzetin Sevilgen, der seit 31 Jahren in der Türkei inhaftiert ist, wird trotz seiner Haftentlassung nicht freigelassen. Zum vierten Mal wurde seine Entlassung aufgrund „fehlender Reue“ verschoben.

Seit dem 15. Juni 1992 befindet sich Izzetin Sevilgen in Haft. Nach 40 Tagen im Polizeigewahrsam wurde er vom berüchtigten Staatssicherheitsgerichtshof Diyarbakır (ku. Amed) zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ und „Störung der Einheit und Souveränität des Staates“ verurteilt. Eine Odyssee durch die Gefängnisse von Sêrt, Amasya, Izmir, Şirnex, Wan und Erzîrom folgte. Seine letzte Station war bisher das E-Typ-Gefängnis Giresun.

31 Jahre unter extremen Haftbedingungen haben deutliche Spuren hinterlassen. So wird Sevilgen auf der Liste der kranken Gefangenen des Menschenrechtsvereins IHD geführt. Er leidet unter wiederholten Bandscheibenvorfällen, Asthma, Seh- und Hörproblemen, Herzkrankheiten, Bronchitis und Cholesterinproblemen. Trotz intensiver Bemühungen seiner Familie wurde Sevilgens Antrag auf Verlegung in das Hochsicherheitsgefängnis Batman (ku. Êlih) nicht bewilligt, stattdessen sitzt er im über 700 Kilometer entfernten Gefängnis in Giresun ein. Aus diesem Grund konnte seine Familie ihn auch seit drei Jahren nicht besuchen.

Haftstrafe endete am 15. Juni 2022

Obwohl seine lebenslange Haftstrafe am 15. Juni 2022 endete, wurde seine Freilassung nun bereits zum vierten Mal verschoben. Der Vollzugsausschuss verlangt als Voraussetzung für seine Freilassung ein Reuebekenntnis. Doch für den politischen Gefangenen gibt es nichts zu bereuen. So werden die Verschiebungen seiner Freilassung mit immer längeren Zeiträumen umgesetzt. Beim ersten Antrag wurde die Entlassung um drei Monate verschoben, beim zweiten um vier, beim dritten um fünf und nun um sechs Monate.

Bruder starb nach 16 Jahren Haft

Hüsna Sevilgen sagt, ihr Mann sei ohnehin im Gefängnis, ohne irgendein Verbrechen begangen zu haben. Die Forderung nach einem „Reuebekenntnis“ sei daher eine Zumutung. „Wir akzeptieren es in keiner Weise und werden niemals Reue zeigen“, betont sie. „Auch sein älterer Bruder, Külink Sevilgen, war nicht bereit, ein Reuebekenntnis abzulegen, und starb nach 16 Jahren in Haft. Er leistete bis zu seinem letzten Atemzug Widerstand und akzeptierte keine Form der Reuebekundung. Sein Tod wurde in Kauf genommen. Beide saßen zwölf Jahre lang im selben Gefängnis. Wir stehen hinter den Opfern, die sie gebracht haben, und hinter ihrem Kampf, den sie bis zum Ende führen. Wir werden den Kampf innerhalb und außerhalb des Gefängnisses bis zum letzten Blutstropfen fortsetzen und unsere kurdische Identität niemals aufgeben.“

Wir werden uns niemals beugen“

Sie kämpfe draußen und ihr Mann drinnen, sagt Hüsna Sevilgen und ergänzt: „Er wurde in immer weiter entfernte Gefängnisse verlegt. Wenn wir ihn besuchen wollten, mussten wir tagelang hin und her fahren. Die Gefahren auf der Straße und die Kosten der Reise haben uns in die Armut getrieben. Wegen der großen Entfernung konnten wir seit mehr als drei Jahren keinen Gefängnisbesuch mehr durchführen. Die Unterdrückung und Tyrannei hat nie aufgehört, aber wir haben uns in keiner Weise gebeugt und werden es auch nicht tun.“