Die Angriffe des türkischen Faschismus eskalieren in alle Richtungen. Täglich fallen unzählige Bomben auf Rojava und Südkurdistan, und täglich gibt es Meldungen von Toten und getöteten Zivilist:innen. In der Türkei herrscht eine beispiellose Festnahmewelle, bei der Gefangene misshandelt, isoliert, bedroht und erpresst werden. Die Gefängnisse, insbesondere das Imrali-Gefängnis, in dem der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan isoliert ist, sind der Fokus dieser Vernichtungspolitik. Nejbir Siirt, Mitglied des Gefängniskomitees der PAJK, betonte in einem Interview mit ANF, dass der türkische Staatsterror nur durch eine verstärkte Gegenwehr gebrochen werden kann.
Das 26. Jahr des internationalen Komplotts, das zur Verschleppung des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan geführt hat, hat begonnen. Wie sollte man dieses Komplott im aktuellen Kontext bewerten?
Zunächst möchten wir unseren Freunden und Freundinnen, die im Gefängnis mit den Aktionen „Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln“ begonnen haben und gefallen sind, indem sie ihre Körper nacheinander in Brand setzten und so einen Ring aus Feuer um Rêber Apo [Abdullah Öcalan] bildeten, unseren Dank aussprechen. Wir versprechen, dass wir ihrem Andenken treu bleiben werden. Die Wurzeln unseres Widerstands sind historisch mit dem Feuer verbunden, was sich in den Aktionen von der Vierergruppe1 bis heute zeigt. Unsere Freunde und Freundinnen, die in diesem Bewusstsein vorgehen und diesen Weg mit großer Entschlossenheit beschreiten, kämpfen jeden Tag in den Bergen und Gefängnissen gegen den Feind und gehen dabei mutig in den Tod. Zuletzt ist unser Freund Yılmaz Özalp im Gefängnis von Şakran gefallen, weil er aufgrund seiner Krankheit nicht behandelt wurde. Wir möchten an dieser Stelle auch all unserer gefallenen Freunden und Freundinnen in Dankbarkeit gedenken.
Mit dem internationalen Komplott gegen Rêber Apo vom 9. Oktober [1998] wurde die Existenz und der Wille unseres Volkes und seiner Freiheitsbewegung angegriffen. Seit 25 Jahren wird eine schmutzige Politik gegen den Kampf des Volkes für seine Existenz, seine Selbstbestimmung und seine Identität geführt. Dabei wird insbesondere das Volk durch die Angriffe auf seinen Repräsentanten attackiert. Zu diesem Zweck wird eine systematische Totalisolation aufrechterhalten. Mit der 25-jährigen Isolation von Rêber Apo wird das historische Gedächtnis, die Sprache, die Kultur und vor allem der Willen eines Volkes negiert. Heute ist sich das kurdische Volk der Völkermordpolitik, die durch das Komplott verwirklicht werden soll, viel bewusster und führt in diesem Bewusstsein einen unerschütterlichen Kampf.
„Es geht darum, die Verbindung zur Gesellschaft zu trennen“
Durch die schweren Isolationshaftbedingungen, denen Rêber Apo unterworfen wird, sollen seine Verbindungen mit der Gesellschaft, insbesondere zur Freiheitsbewegung und zum kurdischen Volk, durchtrennt werden. Das Kolonialsystem wendet zu diesem Zweck alle Methoden des Spezialkriegs und schmutzigen Kriegs an. Tatsächlich aber scheiterten diese Angriffe an der enormen Weitsicht und der außergewöhnlichen politischen Haltung von Rêber Apo. Während Imrali vom herrschenden System zum Zentrum des Genozids und des Dritten Weltkriegs gemacht wurde, verwandelte Rêber Apo diesen Ort in eine Geburtsstätte des von der Menschheit, den Völkern, den Frauen und unterdrückten Menschen erträumten Systems des freien Lebens. Während also der Feind Rêber Apo von der Welt isolieren wollte, wurde Rêber Apo auf der Grundlage der von ihm entwickelten Perspektiven des freien Lebens und der demokratischen Moderne zu einem universellen Vordenker.
Vom ersten Moment des Komplotts bis heute haben unser Volk, die Frauen, die Jugend und demokratische Bewegungen weltweit, unsere Freund:innen und insbesondere unsere Genoss:innen im Gefängnis begonnen, sich am großen Kampf von Rêber Apo zu beteiligen. Dieser Kampf wuchs von Jahr zu Jahr und breitet sich auch heute weiter aus. In diesem Sinne haben die Fedai [Opferbereiten] unter dem Motto „Ihr werdet unsere Sonne nicht verdunkeln“ eine Kette aus Feuer um Rêber Apo gelegt. Durch die Widerstandslinie der PKK und PAJK, für die unzählige Menschen eingetreten sind, wurde das Komplott zum Scheitern gebracht und dem Feind wurde eine Lektion erteilt.
„Rêber Apo ist unsere rote Linie“
Die Parole „Wir wollen nicht ohne Rêber Apo leben“ hat den Widerstand geprägt. Im 26. Jahr des Komplotts können wir beobachten, dass der Feind das Vernichtungssystem von Imrali noch weiter vertieft hat. Dieses System breitet sich auf alle Gefängnisse aus. Man will unsere Genossen und Genossinnen, die in den Gefängnissen unermüdlich Widerstand leisten, brechen und zur Kapitulation zwingen. Dagegen regt sich ein gewaltiger Widerstand. Alle sollten wissen: Rêber Apo ist unsere rote Linie. Wir rufen alle Mächte auf, die diese Isolation aufrechterhalten und vertiefen wollen, sowie alle, die daran teilnehmen, und diejenigen, die die Realität sehen und schweigen: Nehmt sofort eure schmutzigen Hände von Rêber Apo!
„Die Gefängnisse sind die Zentren der politischen Analyse“
Wenn wir zurückschauen, waren die Gefängnisse die ersten Orte, an denen sich der Widerstand gegen das Komplott zeigte. Was sind die Aufgaben der Gefangenen im 26. Jahr des Widerstands? Seit den ersten Momenten unseres Kampfes sind die Gefängnisse unsere wichtigsten und bedeutendsten Festungen des Widerstands. Der Feind kennt diese Realität sehr gut und setzt daher alle Arten von Unterdrückung und grausamen Praktiken gegen unsere Freunde und Freundinnen dort sowie gegen ihre Familien ein. Natürlich kennen auch die Kader der PKK und PAJK sowie die patriotischen Menschen in den Gefängnissen die Realität des Feindes sehr gut, und in diesem Bewusstsein kämpfen sie trotz aller Repression bis zum Letzten. Zweifellos sind es die Menschen in den Gefängnissen, die die Entwicklungen und unsere Bewegung sehr genau verfolgen, analysieren und interpretieren. Sie haben nicht die Möglichkeit, die Entwicklungen wie früher zu verfolgen. Das hängt mit dem Vernichtungssystem auf Imrali zusammen, das gegen Rêber Apo eingesetzt wird.
„Ohne Freiheit von Rêber Apo keine Freiheit für das kurdische Volk“
Wenn wir nicht für die physische Freiheit von Rêber Apo sorgen, können weder die Gefangenen noch das kurdische Volk in Frieden leben. Alle unsere Freunde und Freundinnen müssen sich siegesgewiss an der von unserer Bewegung initiierten Kampagne „Physische Freiheit für Rêber Apo – Status für Kurdistan“ beteiligen. Die Gefangenen verfügen über dieses Bewusstsein durch Rêber Apo. Diese Kampagne erfordert nicht nur physische, sondern auch intellektuelle und geistige Teilnahme. Gegenwärtig sind alle Gefängnisse der Unterdrückung, Folter und des Spezialkriegs ausgesetzt. Alle unsere Freunde und Freundinnen im Kerker verfügen über jahrelange Erfahrung und Wissen. Es sind Menschen, die sich weiterbilden, entwickeln und an jeder Kampagne an vorderster Front teilnehmen.
Was ist das Niveau des Widerstands der Gefangenen gegen die Gefängnispolitik des türkischen Staates?
Das Isolations- und Foltersystem, das gegen Rêber Apo angewendet wird, hat sich auf alle Gefängnisse ausgeweitet. Es gibt sehr ernsthafte Formen von Repression, bis hin zur Folter in den Gefängnissen. Erst kürzlich wurden drei Freundinnen in Patnos mit der Schweinefessel gefoltert. Es sollte bekannt sein, dass das Schweigen dazu führt, dass solche Formen von Folter in der Türkei und in Kurdistan angewendet werden. In den Gefängnissen wird eine spezielle psychologische Kriegsführung betrieben, die intensiver ist als physische Angriffe. In diesem Sinne sollte zum Beispiel auch die Politik der Verbannung an weit entfernte Orte von den Herkunftsstädten betrachtet werden. Die Gefangenen sind unsere Ehre. Der von Frauen geführte Widerstand der Gefangenen soll gebrochen werden, indem man sie zermürbt, ständig auseinandertreibt und ihre Freilassung immer weiter verzögert.
„Es wird Profit aus der Unterdrückung der Gefangenen geschlagen“
Es gibt auch neue Formen der Repression, die von Staatsanwälten, Richtern und Spezialkriegseinrichtungen, einschließlich der Polizei, durchgeführt werden. So erhalten diese Personen teilweise ihren Lohn auf Kosten der Gefangenen. Sogar Gewinne sollen durch die Gefängnisse erzielt werden. Zur Unterwerfung der Gefangenen wurde zum Beispiel die „Vollzugsbeobachtungskommission“ geschaffen. Dieses Gremium erhält Geld für jede Sitzung, in der es Prognosen hinsichtlich einzelner Gefangener erstellt. Auf diese Weise wird Geld verdient, indem man unsere Freund:innen, die bereit sind, jeden Preis für den Freiheitskampf zu zahlen, zur Aufgabe zu zwingen versucht. So wird ihnen wegen „fehlender Reue“ immer wieder die Entlassung auch nach Ablauf der Vollzugsdauer verweigert. Jede Verzögerung der Freilassung bringt diesen Kommissionen neues Geld ein.
„Jeder Tod im Gefängnis ist ein Mord“
Eine weitere Repressionsmaßnahme besteht in der Isolation derjenigen, die nicht zur Kapitulation gezwungen werden können. Diese Isolationszellen sind de facto Todestrakte. Man versucht, es wie Selbstmorde dort aussehen zu lassen, aber alle wissen, dass hinter jedem Tod im Gefängnis ein Mord steht. Es muss klar sein, dass nichts im Gefängnis einfach so geschieht.
Trotz allem gibt es eine Haltung, die dieses Vorgehen des Feindes konterkariert. Man muss wissen, dass unsere gefangenen Genossinnen und Genossen jeden Augenblick im Widerstand verbringen. Sie werden diese schmutzige Politik durch kollektives Handeln zerschlagen. Die Tradition des Gefängniswiderstandes ist unsere Geschichte. Wir grüßen den Kampf der Genossinnen und Genossen, die den Gefängniswiderstand mit größter Entschlossenheit zur Freiheit fortsetzen. In dieser Zeit werden sie ihre Kollektivität, ihr gemeinsames Empfinden und Denken, ihre Entschlossenheit zur Aktion weiter steigern. Das ist ihre Verantwortung, die sie mit Leben füllen und auf deren Grundlage sie kämpfen werden. Deshalb sollten wir uns darauf konzentrieren, das Vernichtungssystem auf Imrali zu stürzen und dabei die Geschwindigkeit und Siegesgewissheit von Rêber Apo als Vorbild nehmen.
Was ist der beste Weg, um die Situation von Abdullah Öcalan und den Gefängniswiderstand voranzubringen?
Wir sollten keine Erwartungen jenseits unseres organisierten Kampfes und der Perspektiven unserer Bewegung haben. Wir können Rêber Apo durch unsere eigene Kraft und mit unserem eigenen Willen und Widerstand befreien. Gerade in Zeiten des Widerstands ist es notwendig, die von den Zentren für Spezialkrieg und psychologische Kriegsführung verbreiteten Nachrichten über Rêber Apo mit größter Vorsicht zu behandeln. Wir müssen alles auf der Grundlage der Situation bewerten, in der er sich befindet. Alles sollte auf der Grundlage der Realität, in der Rêber Apo lebt, bewertet werden. Mit dem Angriff auf Rêber Apo sollen ein Volk, eine Nation und eine Region kolonisiert und zerstört werden. Die Gefängnisse waren schon immer die Orte, von denen Offensiven ausgingen, die die Angriffe des Feindes durchkreuzten. Die Gefängnisse müssen diese Rolle jetzt mehr denn je wahrnehmen. Unsere Genossinnen und Genossen sollten diese Phase anführen und sich mit ihrem Verstand und Geist daran beteiligen.
„Wir alle sind die Vorreiter:innen dieses Prozesses“
Der Feind intensiviert seine Angriffe auf ganz Kurdistan, auf Rojava, Şengal, Mexmûr und die Medya-Verteidigungsgebiete. Es ist unser Widerstand, der dies stoppen wird. Die Grundlagen des Widerstands, auf denen wir weiter aufbauen werden, sind klar. Wir können uns ein freies Leben in einer demokratischen Gesellschaft zum Ziel machen, indem wir für Rêber Apo, die Gefallenen und alle kurdischen Werte eintreten. Es ist wichtig, dass alle Familien der Gefangenen und unser Volk im Allgemeinen aktiv an diesem Prozess teilnehmen. Der Appell an unser Volk lautet: „Wir sind die Vorreiter dieses Prozesses, unsere Stärke liegt in der Einigkeit. Durch unseren Kampf werden wir die Angriffe auf Kurdistan stoppen.“
1 An Newroz 1982 entzündete Mazlum Doğan drei Streichhölzer in seiner Zelle im Gefängnis von Amed und nahm sich das Leben nahm. Er hinterließ die Nachricht „Aufgeben ist Verrat, der Widerstand bringt den Sieg”. Am 18. Mai 1982 folgten Ferhat Kurtay, Mahmut Zengin, Eşref Anyık und Necmi Öner dem Beispiel von Mazlum Doğan und zündeten sich im Foltergefängnis von Amed an. Damit setzten sie ein weit über die Gefängnismauern hinaus ein ausstrahlendes antifaschistischen Fanal gegen die Militärjunta.