Krebskranker politischer Gefangener nach 30 Jahren weiter inhaftiert
Obwohl er die Vollzugsdauer abgesessen hat, wird der krebskranke politische Gefangene Idris Başaran wegen fehlender „Reue“ nicht entlassen.
Obwohl er die Vollzugsdauer abgesessen hat, wird der krebskranke politische Gefangene Idris Başaran wegen fehlender „Reue“ nicht entlassen.
Die Entlassung des seit 30 Jahren in der Türkei inhaftierten, schwer kranken politischen Gefangenen Idris Başaran wurde wegen „fehlender Reue“ vom Vollzugsausschuss um sechs Monate verschoben. Dann erfolgt die nächste Anhörung. Sein Bruder Lokman Başaran ruft zum Protest auf.
Idris Başaran befindet sich seit 1994 in Haft. Damals war er in Adana festgenommen und unter Terrorvorwürfen von einem der berüchtigten Staatssicherheitsgerichte (DGM) zu lebenslanger Haft verurteilt worden. In der Türkei gelten 30 Jahre Vollzug als eine lebenslängliche Strafe. Es folgte ein Odyssee durch Gefängnisse im ganzen Land.
Der Krebs hat bereits metastasiert
2006 erlitt Başaran einen partiellen Schlaganfall und kämpft mit einer Krebserkrankung im vierten Stadium. Das bedeutet, der Krebs hat bereits metastasiert und die Behandlung beschränkt sich auf Symptome und lebensverlängernde Maßnahmen. Başaran leidet neben der Krebserkrankung an chronischer Bronchitis, Panikattacken, Gastritis, Herzrhythmusstörungen, FMF (familiäres Mittelmeerfieber, wiederkehrende schmerzhafte Entzündungsanfälle in der Brust, im Bauch oder in den Gelenken), Epilepsie, einem Kropf, Leistenbruch, Asthma und COPD. Daher wurde er mehrfach ins Krankenhaus eingeliefert, aber ohne Behandlung wieder ins Gefängnis gebracht. Başarans älterer Bruder Lokman Başaran wies im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) auf den Gesundheitszustand seines Bruders und die zunehmenden Rechtsverletzungen in den Gefängnissen hin und machte dafür auch die mangelnden Proteste verantwortlich.
„Gehst du in die Berge, wenn du freikommst?“
Der Bruder des Gefangenen erklärte, dass Idris Başaran vor vier Tagen in die Universitätsklinik Akdeniz gebracht worden sei, die Familie aber nicht darüber informiert wurde. Er unterstrich, dass die Rechtsverletzungen in den Gefängnissen vor allem dazu dienten, den Druck auf die Gesellschaft zu erhöhen und führte aus: „Es wird ein Ansatz verfolgt, der darauf abzielt, das Band zwischen den Gefangenen und der Gesellschaft zu kappen, vor allem durch die Politik der Isolation und Abschottung. Seit einigen Jahren wird in den Gefängnissen eine sehr tiefgreifende Politik der Isolation und Absonderung betrieben. Das Hauptziel besteht darin, die Kommunikation zwischen der Gesellschaft und den Gefangenen vollständig zum Erliegen zu bringen. Es geht darum, die Gefangenen psychisch zu unterwerfen und zu brechen. Das führt unweigerlich zu schwerwiegenden Problemen. Diese Menschen sind schon lange im Gefängnis und haben gesundheitliche Probleme. Außerdem gibt es auch juristische Fragen. Man hält einen Menschen 30 Jahre lang im Gefängnis und stellt ihm dann die Frage: ‚Wirst du in die Berge gehen, wenn du entlassen wirst?‘ Das ist eine absurde Frage, die da gestellt wird. Oder: ‚Was werden sie draußen tun, werden sie zu ihrer Familie gehen?‘ Und schließlich fragen sie: ‚Bereust du es?‘ Das zeigt, es geht darum, Kapitulation zu erzwingen, um Reue und um das Brechen des Willens.“
„Mangelnde Proteste haben zu dieser Situation geführt“
Başaran betonte, dass die Gefangenen jedoch entschlossen seien und eine feste Überzeugung hätten. Er fügte an: „Der Vollzugsausschuss schreibt in der Begründung: ‚Es gibt keine Disziplinarstrafe gegen Idris Başaran, die nicht aufgehoben wurde.‘ Es ist Willkür, eine Person, gegen die keine Disziplinarstrafe verhängt wurde, als für die Gesellschaft gefährlich zu bezeichnen, ihre Entlassung zu verhindern und die Inhaftierung um sechs Monate zu verlängern. Die Existenz eines solchen Apparats der Unterdrückung und Unterwerfung ist auf die Schwäche der Gesellschaft zurückzuführen. Die Isolation und die Willkür sind offensichtlich, deswegen muss die Öffentlichkeit viel sensibler für die Situation in den Kerkern sein. Diese Lage kann durch die Solidarität und die Proteste der Gesellschaft, jeder Repression, Willkür und Gesetzlosigkeit zum Trotz, beendet werden.“