In der Türkei wurden durch eine Vollzugsreform sogenannten Beobachtungsausschüssen quasi judikative Befugnisse erteilt. Sie können die Freilassung von Gefangenen auch nach dem regulären Ende der Haftstrafe verhindern. So sitzen viele politische Gefangene auch nach 30 Jahren weiter in Haft, weil ihnen „schlechte Führung“ oder „mangelnde Reue“ vorgeworfen wird.
Einer dieser Gefangenen ist Bekir Yollu im Hochsicherheitsgefängnis Kırşehir. Seine Vollzugsdauer von 30 Jahren ist beendet. Nun wurde seine Freilassung zum zweiten Mal wegen angeblich „schlechter Führung“ verhindert. „Schlechte Führung“ bedeutet sich zu weigern „Straftaten“ zu bereuen, die die Gefangenen häufig nie begangen haben, und die eigene politische Identität zu verleugnen. So wurde Bekir Yollu 1993 festgenommen und wegen „Störung der Einheit und Souveränität des Staates“ von einem der berüchtigten Staatssicherheitsgerichte zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Regelfall heißt das 30 Jahre, die im Dezember 2023 vorbei waren. Der Vollzugsausschuss in Kırşehir entschied jedoch, dass Yollu nicht entlassen werden soll, da er an Hungerstreiks teilgenommen, wegen Protesten Disziplinarstrafen erhalten und nicht bei Umerziehungsprogrammen mitgewirkt habe. Daher wurde der Strafvollzug nun zum zweiten Mal um sechs Monate verlängert.
Gerade für kranke und langjährige politische Gefangene bedeutet dieses Vorgehen, möglicherweise nicht mehr lebend aus der Haft zu kommen. Diese Form der Erpressung widerspricht jedem Menschenrecht.