Gülşan Adet seit mehr als 30 Jahren inhaftiert
Der seit über 30 Jahren inhaftierten politischen Gefangenen Gülşan Adet wurde erneut die Entlassung trotz Ende des Vollzugs verweigert. Sie war 1994 in der Türkei inhaftiert und wegen „Störung der Einheit und Souveränität des Staates“ von einem der berüchtigten Staatssicherheitsgerichte zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die für lebenslänglich vorgesehenen 30 Jahre endeten am 28. März. Der Vollzugsausschuss verweigerte ihr aber bereits zweimal die Freilassung. Einmal wurde ihre Entlassung um drei Monate verschoben, nun um sechs Monate.
„Das ist Feindstrafrecht“
In einem Brief beantwortete die Gefangene Fragen der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA). Gülşan Adet erklärte, die Vollzugskommission habe ihr keine „gute Führung“ bescheinigt, daher werde sie nicht entlassen. „Das Amt des Vollzugsrichters ist in Wirklichkeit eine Institution zur Bestätigung von Entscheidungen der Verwaltung. Der Ausschuss hat seit seiner Einrichtung auf keinen einzigen unserer Anträge positiv reagiert“, erklärte Adet. „Die Gerichte und die Vollzugskommissionen gehen im Gleichschritt gegen uns vor. Ankara wurde in dieser Hinsicht als Pilotregion ausgewählt, denn die Region liegt im Zentrum aller staatlichen Mechanismen. Die Gefängnisverwaltung und alle anderen juristischen Institutionen wenden absolutes Feindstrafrecht gegen die politischen Gefangenen an.“
„Es geht darum, uns die Luft zum Atmen zu nehmen“
Adet wies darauf hin, dass sie diese Entscheidungen der Vollzugskommission auch vor das Verfassungsgericht gebracht wurden, dieses aber bisher weder eine positive noch eine negative Entscheidung getroffen habe. „Die sogenannten Regelungen, die mit dem 9. Justizpaket auf die Tagesordnung gesetzt wurden, richten sich komplett gegen politische Gefangene. Diese Bestimmungen sehen mehr Isolation und härtere Strafen vor. Kurz gesagt, es ist eine Richtlinie, um politischen Gefangenen den Atem zu rauben, ihre Hoffnungen zu zerstören und sie zu zwingen, sich zu fügen. Diese Praktiken sind nicht unabhängig von dem Krieg gegen das kurdische Volk und der Isolation, die dem PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan auferlegt wurde, zu betrachten. Die Isolation und die rechtswidrigen Praktiken haben ein Ausmaß erreicht, das die gesamte Gesellschaft erfasst hat. Mit dem Foltersystem von Imralı soll die Gesellschaft unterworfen werden. Deshalb versucht die Regierung, wo auch immer auf der Welt sie neue, unmenschliche Methoden entdeckt, sie gegen politische Gefangene hier anzuwenden.“
Gülşan Adet erinnerte daran, dass die Türkei von sich behauptet, nach den Normen der Europäischen Union (EU) zu handeln: „Wenn heute die Gefängnisse überfüllt sind und ständig neue Gefängnisse gebaut werden, dann liegt das daran, dass es dem Regime nicht gelungen ist, die kurdische Frage zu lösen. Seit 40 Jahren wird derselbe Weg beschritten und dieselbe Methode angewandt. Das ist seit nunmehr 40 Jahren die Grundstrategie des Spezialkriegsregimes gegen uns Gefangene. Der Kampf für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte erfordert Kontinuität. Die Regierung will diesen Kampf mit verschiedenen Mitteln gegen die politischen Gefangenen brechen.“
„Devlet Bahçeli bestimmt, wer aus dem Gefängnis entlassen wird“
Gülşan Adet sprach von Besonderheiten im Frauengefängnis von Sincan. Das Gefängnis werde von MHP-Kadern geleitet: „Der erste Gefängnisdirektor und der Staatsanwalt sind MHP-Kader. Devlet Bahçeli bestimmt, wer aus dem Gefängnis entlassen wird und wer nicht. Bahçeli ist der Wächter des Frauengefängnisses von Sincan. Deshalb kann man nicht erwarten, dass politische Gefangene wegen ‚guter Führung‘ entlassen werden.“
„Die Gefangenen sind ihrem Schicksal überlassen“
Gülşan Adet warnte mit eindringlichen Worten: „Auf diese Weise werden Gefangene langsam exekutiert, besonders auf Imrali. Die Gefangenen sind ihrem Schicksal überlassen. Es werden neue Gefängnisse verschiedener Art gebaut. Die Gefangenen werden in Zellen festgehalten, und dieses System breitet sich immer weiter aus. Auf diese Weise werden Gefangene langsam umgebracht. Alle sollten dies erkennen und entsprechend handeln. Was auch immer getan werden muss, muss jetzt getan werden. Morgen kann es zu spät sein.“