Politischer Gefangener nach 31 Jahren in türkischen Kerkern entlassen

Der schwer kranke politische Gefangene Ali Şen wurde nach 31 Jahren Haft in der Türkei aus dem Gefängnis Yozgat entlassen.

Freilassung wurde fünfmal blockiert

Nach 31 Jahren Haft in der Türkei wurde der politische Gefangene Ali Şen am Montag freigelassen. Er war 1993 festgenommen und tagelang schwer gefoltert worden. Anschließend wurde er vor eines der berüchtigten Staatssicherheitsgerichte (DGM) gestellt und wegen „Störung der Einheit und Souveränität des Staates“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Şen wurde trotz seiner vielen Krankheiten nicht entlassen und machte eine Odyssee durch Gefängnisse in Malatya, Konya, Silifke, Eskişehir, Tarsus und Yozgat durch. Nach türkischem Recht bedeutet „lebenslänglich“ regulär 30 Jahre Haft. Şens Haftdauer war damit bereits am 12. Juli 2023 abgelaufen. Allerdings wurde seine Freilassung fünfmal vom Vollzugsausschuss blockiert. Ihm wurde „fehlende Reue“ vorgeworfen. Außerdem habe er sich nicht von der „Terrororganisation“ getrennt. Auf diese Weise soll die Identität von politischen Gefangenen gebrochen werden.

Freilassung von Lebenslänglichen wird systematisch verweigert

Die Praxis, eine Freilassung an die Aufgabe der politischen Identität, Abschwören und Verrat zu knüpfen, betrifft viele der seit über 30 Jahren einsitzenden Gefangenen direkt. Bei diesen Gefangenen handelt es sich insbesondere um Personen, die wie Şen nach schwerer Folter vor den Staatssicherheitsgerichten Anfang der 1990er Jahre praktisch am Fließband nach dem Separatismusparagrafen zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Zwei von ihnen sind Aydın Kudat und Abdurrahman Güner. Sie waren 1992 in Bismîl in der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakir) festgenommen und ebenfalls von einem Staatssicherheitsgericht wegen „Störung der Einheit und Souveränität des Staates“ zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ihre Freilassung wurde vergangene Woche zum vierten Mal verhindert. Ihre Vollzugsdauer ist seit dem 6. September 2022 abgelaufen. Sie befinden sich damit seit 32 Jahren in Haft. Ihre Haft wurde aufgrund von „fehlender Reue“ verlängert. Die nächste Überprüfung ihrer Haft ist für Januar 2025 angesetzt.

Eine Stunde unter Druck gesetzt, „Reue“ zu bekunden

Zeynep Güner, die gesetzliche Vertreterin von Güner, berichtete, dass die Gefängnisverwaltung die Gefangenen auf den Korridor bringen ließ und etwa eine Stunde lang unter Zwang versuchte, dass sie „Reue“ bekunden. Da sie sich weigerten, „Ich bereue“ zu sagen, wurde ihre Freilassung ausgesetzt. Die Vollzugsleitung habe gegenüber den Gefangenen erklärt: „Solange ihr euch weigert, ‚Ich bereue‘ zu sagen, werdet ihr nicht entlassen.“ Die Gefangenen hätten erwidert, dass sie nichts getan hätten, was sie bereuen müssten, stattdessen sollte sich die Gefängnisleitung damit auseinandersetzen, dass es „unwürdig“ sei, Gefangene nach 32 Jahren zur „Reue“ zu nötigen. Güner erklärte: „Selbst wenn nicht 32 Jahre, sondern Tausende von Jahren vergehen, würden weder unsere Freunde diese Zumutung akzeptieren, noch würden ihre Familien so etwas von ihnen verlangen. Wir werden eine solche Entehrung niemals akzeptieren.“