Gefangener aus Rojava in türkischer Haft gestorben

Der kranke Gefangene Bangin Muhammed ist in einem türkischen Gefängnis gestorben. Der Menschenrechtsverein IHD wirft den Behörden vor, dem 33-jährigen Kurden aus Efrîn lange Zeit eine angemessene Pflege und Behandlung verweigert zu haben.

Der politische Gefangene Bangin Muhammed ist in türkischer Haft aufgrund mangelhafter medizinischer Versorgung gestorben. Der Menschenrechtsverein IHD wirft den Behörden vor, dem aus Efrîn in Rojava stammenden Kurden lange Zeit eine angemessene Pflege und Behandlung verweigert zu haben. „Sein Tod wurde bewusst in Kauf genommen“, sagt seine Rechtsanwältin Mehtap Sert von der IHD-Zweigstelle Iskenderun in der türkischen Mittelmeerregion Hatay. Die Juristin fordert das Justizministerium auf, ein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen der Haftanstalt zu eröffnen und die Todesumstände restlos auszuklären.

Bangin Muhammed verließ Efrîn im Jahr 2013, um als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter im Kreis Dörtyol bei Hatay seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Am 1. Januar 2021 wurde er dort verhaftet und in das T-Typ-Gefängnis in Iskenderun überführt. Beim folgenden Prozess warf ihm die türkische Justiz vor, in Syrien für die Volksverteidigungseinheiten (YPG) gekämpft zu haben. Bangin Muhammed wurde wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt – für eine behauptete „Straftat“, die wenn überhaupt nur außerhalb des türkischen Staatsgebiets verübt worden sein könnte.

Bangin Muhammed war schwer krank. Der 33-Jährige litt unter diversen Einschränkungen, weil ihm Teile des Magens und des Darms entfernt worden waren. Deshalb war er an den Rollstuhl gefesselt und konnte sich nicht selbst versorgen. In der letzten Zeit klagte er über Wasseransammlungen im Gewebe und in Organen. „Bangin hatte sogar die Fähigkeit verloren, seinen Harnablass zu steuern und merkte noch nicht mal etwas von der Urinausscheidung“, sagt Mehtap Sert. „Bei einer Größe von 1,78 Meter hat er zuletzt nur noch 47 Kilogramm gewogen. Er war nicht mehr in der Lage, Nahrung zu sich zu nehmen.“

Nach Angaben des IHD haben sich die Vollzugsleitung der Haftanstalt in Iskenderun, die für das Gefängnis zuständige Staatsanwaltschaft und das staatliche Krankenhaus in der Kreisstadt über Monate geweigert, Bangin Muhammed eine seinen Bedürfnissen entsprechende Behandlung zu ermöglichen. Stattdessen sollen ihm nur „leichte Medikamente“ verabreicht worden sein. Der IHD erwirkte deshalb über die Parlamentarische Kommission für Menschenrechte eine Einweisung in eine voll ausgestattete Klinik, die das Justizministerium auch abgesegnete. Erneut kam Muhammed in ein staatliches Krankenhaus. Nach einer kurzzeitigen Behandlung wurde er zurück ins Gefängnis gebracht, allerdings nicht in die Dreierzelle, in der er zuletzt mit den ebenfalls kranken Gefangenen İsmail Tamboğa und Sıddık Güler saß, sondern in eine Einzelzelle. Zudem wurden ihm im Krankenhaus verschriebene Medikamente nicht ausgehändigt. Am 12. November ist er tot aufgefunden worden.

„Wir wurden nicht in Kenntnis über den Verlust von Bangin Muhammed gesetzt“, beklagt der IHD. Über andere Kanäle sei erfahren worden, dass der politische Gefangene gestorben sei. „Die Gefängnisleitung hat seinen Tod bestätigt, Gründe nannte sie natürlich nicht“, sagt Mehtap Sert. Die Autopsie wurde im rechtsmedizinischen Institut in Adana durchgeführt, der Bericht liegt noch nicht vor. Bangin Muhammed ist derweil von Angehörigen in seine Geburtsstadt Efrîn überführt und beigesetzt worden. Am 1. November hatte er bei einem Gespräch mit seiner Anwältin gesagt: „Ich will hier nicht sterben. Aber es sieht danach aus, als würde ich es.“ Er sollte recht behalten.