Anklage gegen misshandelte Gefangene

2017 wurden in einer Haftanstalt in Mûş 19 politische Gefangene aus dem Frauenblock bei einer Zellenrazzia misshandelt. Jetzt wurde Anklage erhoben. Der Grund: Einschmuggeln verbotener Gegenstände – gemeint ist ein Buch über demokratische Autonomie.

Die Oberstaatsanwaltschaft in Mûş hat Anklage gegen neunzehn jetzige und ehemalige Insassinnen des örtlichen Hochsicherheitsgefängnisses vom Typ E erhoben. Den Frauen wird das Einschmuggeln verbotener Gegenstände und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zur Last gelegt. Hintergrund ist ein Vorfall aus dem Jahr 2017. Die Strafkammer des Landgerichts Mûş hat die Anklageschrift angenommen. Wann der Prozess eröffnet wird, ist unklar.

Am 17. Februar 2017 waren mehrere Zellen im Frauenblock vom Gefängnispersonal und Soldaten der türkischen Armee überfallen worden. Die Durchsuchungen wurden unter Anwendung teils massiver Gewalt durchgesetzt, dutzende der politischen Gefangenen erlitten damals Verletzungen. Unter ihnen befand sich auch Ayten Beçet, die sich im Frühjahr 2019 im Gefängnis von Gebze aus Protest gegen die Isolation Abdullah Öcalans das Leben nahm.

Begründet worden waren die Razzien unter anderem mit einem Buch, das allerdings auf dem Postweg in dem Gefängnis landete: „Demokratische Autonomie in 101 Fragen und Antworten“ (türkischer Titel: „101 soruda Demokratik Özerklik“). Das vom kurdischen Politiker Serdar Ziriğ in Haft verfasste Werk ist 2014 beim Aram-Verlag erschienen, der in Amed (Diyarbakir) sitzt. Verboten war es in der Türkei zu keiner Zeit und ist auch jetzt noch im Handel erhältlich. Die Angeklagten gehen daher davon aus, dass mit dem Verfahren bezweckt werde, anstehende Haftentlassungen zu verhindern und die Gefangenen hinter Gittern zu lassen. Bei einer Verurteilung drohen jeweils bis zu sechs Jahre Haft.