Die Angehörigen von politischen Gefangenen haben wegen der zunehmenden Folter und Misshandlung in türkischen Gefängnissen eine „Gerechtigkeitswache“ in den Räumlichkeiten der Anwaltskammer von Amed (tr. Diyarbakır) gestartet. An der Aktion nehmen Hakki Boltan, Vater des kranken Gefangenen Civan Boltan, Inci Güler, Schwester des politischen Gefangenen Abdulselam Güler, Hasime Güler, die Ehefrau des inhaftierten Sıddık Güler, Fevziye Kolakan, Mutter von Ahmet Kolakan, und Selma Özkan, Tochter des Gefangenen Mehmet Emin Özkan, teil.
Der Vorsitzende der Anwaltskammer, Nahit Eren, nahm die Forderungen der Familien auf. Eren betonte, dass sich die Anwaltskammer für die Lösung der Probleme einsetzen und versuchen werde, öffentliches Bewusstsein für die Gerechtigkeitsforderungen zu schaffen. Er kündigte insbesondere die rechtliche Unterstützung der Angehörigen durch die Anwaltskammer an.
Die Ehefrau des kranken Gefangenen Sıddık Güler, Hasime Güler, berichtete über die Situation ihres Mannes. Sie erklärte, ihr Mann sei zweimal aufgrund von Bluthochdruck zusammengebrochen und deswegen an den Rollstuhl gefesselt. Er könne sich nicht mehr selbst versorgen. Darüber hinaus wurde ihr Mann in Haft zweimal mit Corona infiziert. Güler bat die Anwaltskammer um Unterstützung. Sıddık Güler ist 81 Jahre alt und befindet sich seit 26 Jahren im Gefängnis.
Fevziye Kolakan, die Mutter des kranken Gefangenen Ahmet Kolakan, sagte, ihr Sohn habe Probleme mit seinen Herzklappen und wolle ohne seine Familie nicht operiert werden. Sie forderte, dass ihr Sohn zur Behandlung und Erholung bei seiner Familie Haftverschonung bekommt.
Mehmet Emin Özkan seit 25 Jahren unschuldig im Gefängnis
Selma Özkan, Tochter des kranken Gefangenen Mehmet Emin Özkan, erklärt, die Situation ihres Vaters sei öffentlich bekannt, aber die Behörden würden nicht handeln. Sie sagt: „Ich kann nicht einmal mehr am Telefon mit meinem Vater sprechen. Wir kennen seine Lage nicht. Es muss etwas geschehen, bevor es zu spät ist.“ Der 83-jährige Mehmet Emin Özkan sitzt seit 25 Jahren unschuldig in der Türkei im Gefängnis und ist schwer krank. Der Kurde aus Amed ist als vermeintliches PKK-Mitglied wegen Mord an einem Militärkommandanten im Jahr 1993 zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt worden.
„Bis etwas passiert …“
Schließlich erinnerte der Vater des kranken Gefangenen Civan Boltan daran, dass sein Sohn auf einem Auge nichts sehen kann, ihm ein Arm fehlt und in seinem Schädel ein Schrapnell steckt. Boltan betonte, sein Sohn sei aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen, und müsse umgehend freigelassen werden.
Civan Boltan – schwer gefoltert und zu lebenslanger Haft verurteilt
Hakki Boltan ist kritischer Journalist und selbst immer wieder von Repression betroffen. Sein 29-jähriger Sohn Civan ist seit neun Jahren inhaftiert. Im Alter von 20 Jahren geriet er als Guerillakämpfer in Çewlîg (Bingöl) in Gefangenschaft. Er hatte bis zur letzten Kugel gekämpft und später versucht, sich mit einer Handgranate in die Luft zu sprengen. Dabei wurde sein rechter Arm zerfetzt, außerdem verlor er die Sehfähigkeit auf dem linken Auge. Die Soldaten glaubten, Boltan sei tot, daher wurde er zunächst in einem Leichensack in die Gerichtsmedizin gebracht. Als Ärzte merkten, dass er noch lebte, wurde er schwer gefoltert. Massive Schläge ins Gesicht führten zu schweren Verletzungen auf dem verbliebenen Auge, zudem wurde sein gesunder Arm gebrochen. Civan Boltan wurde zu erschwerter lebenslanger Haft plus weiteren 95 Jahren und vier Monaten verurteilt.
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