Mitglieder einer französisch-schweizerischen Wahlbeobachtungsdelegation haben die Mahnwache von Emine Şenyaşar in Riha (tr. Urfa) besucht und der Seniorin ihre volle Solidarität ausgesprochen. Seit inzwischen 782 Tagen führt die 71-Jährige vor dem Justizpalast in der nordkurdischen Stadt einen Sitzstreik durch, um Gerechtigkeit für ihren Ehemann und zwei ihre Söhne einzufordern. Die drei Männer waren vor fünf Jahren am Rande einer Wahlkampftour des AKP-Politikers Ibrahim Halil Yıldız von dessen bewaffneten Bodyguards und Verwandten brutal ermordet worden. Die rechtliche Auseinandersetzung mit dem Massaker zieht sich seither hin.
An dem Solidaritätsbesuch bei Emine Şenyaşar beteiligten sich unter anderem der Schweizer Politiker und frühere Bürgermeister von Genf, Rémy Pagani, der ebenfalls aus der Schweiz angereiste Journalist Rachad Armanios und Angélique Schmidt von der linken Sammlungsbewegung La France Insoumise. Die Delegation informierte sich bei der Seniorin über den Stand des Verfahrens um die Lynchmorde an Hacı Esvet, Celal und Adil Şenyaşar sowie über den Revisionsprozess des Sohnes Fadıl Şenyaşar. Dieser war bei dem Lynchangriff im Juni 2018 schwer verletzt worden, aber wegen „vorsätzlichen Mordes“ an einem der Angreifer zu 37 Jahren Haft verurteilt worden. Und das, obwohl nachgewiesen ist, dass der Mann von seinen eigenen Leuten erschossen wurde.
Bei dem Gespräch ging es auch um juristische Schikanen gegen Emine Şenyaşar, die von Ibrahim Halil Yıldız und weiteren Mitgliedern der AKP-Regierung mit dem Ziel angestrengt werden, sie von ihrem Widerstand abzubringen. „Das Durchhaltevermögen wie auch der Gerechtigkeitskampf dieser Frau ist unglaublich und mehr als bewundernswert“, sagte Pagani. In der schweizerischen Öffentlichkeit sei Emine Şenyaşar mit ihrem Schicksal nicht allzu präsent. Dies wolle er unbedingt ändern. „Wir sind verpflichtet, ihre Stimme zu sein und unseren Beitrag dazu zu leisten, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt”, äußerte Schmidt. Eine Kurzvisite mit Symbolkraft, die man nicht hoch genug einschätzen kann, kommentierte ein Unterstützer der Familie Şenyaşar den Besuch.