Folter im Gefängnis von Patnos

Im Hochsicherheitsgefängnis von Patnos nimmt die psychische und physische Folter an politischen Gefangenen seit Beendigung des Hungerstreiks gegen die Isolation Abdullah Öcalans wieder zu.

Im Hochsicherheitsgefängnis Patnos, das sich in der gleichnamigen Kreisstadt in der nordkurdischen Provinz Agirî (Ağrı) befindet, nimmt die psychische und physische Folter an politischen Gefangenen seit Beendigung des Hungerstreiks gegen die Isolation Abdullah Öcalans wieder zu. Das macht die Familie des Gefangenen Hüseyin Aşkan in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı (MA) öffentlich.

Hüseyin Aşkan wurde 2013 als 21-Jähriger in einem politisch motivierten Schauprozess wegen „Leitung einer terroristischen Vereinigung“ zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren verurteilt. Damals saß der aus Colemêrg (Hakkari) stammende Kurde bereits eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Wie seine Angehörigen gegenüber MA nun mitgeteilt haben, hat sich das Verhalten der Gefängnisleitung in den letzten Wochen radikal verändert. So sollen nach dem Ende des Hungerstreiks, an dem sich Aşkan etwa zweieinhalb Monate beteiligte, Spezialeinheiten in die Haftanstalt verlegt worden sein, die explizit mit der psychischen und physischen Folter an den politischen Gefangenen „betraut“ wurden. Durchschnittlich an zwei Tagen die Woche fänden willkürliche Durchsuchungen der Gefängniszellen statt, bei denen die Matratzen mit Messern aufgeschlitzt und durchsucht würden. Das Verhalten gegenüber den Insassen sei allgemein entwürdigend und entmündigend, erklärte Ali Aşkan, Vater des Gefangenen Hüseyin Aşkan, gegenüber MA. Sowohl sein Sohn als auch andere Gefangene, die sich am Hungerstreik beteiligt haben, hätten auch sechs Wochen danach mit extremen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Die Gefängnisleitung verweigere jedoch in den meisten Fällen eine Behandlung beim Gefängnisarzt und auch den Transport in ein Krankenhaus. Das Anstaltspersonal setze auch andere Methoden der Weißen Folter wie beispielsweise Isolationshaft ein.

Gefangener in Patnos zusammengeschlagen

Vor zwei Tagen berichtete MA von dem Gefangenen Abdulhadi Ay, der ebenfalls in Patnos inhaftiert ist und vom Personal zusammengeschlagen wurde. Durch die Gewalteinwirkungen zog sich Ay einen Rippenbruch zu. Auch sein Mitgefangener Ayhan Demir, der ihm zur Hilfe geeilt war, wurde von mehreren Gefängnisaufsehern niedergeschlagen.

Folter mit Tradition

Folter hat in der Türkei eine lange Tradition und wird nicht nur seit der Republiksgründung im Jahr 1923 eingesetzt. Berichte über systematische Folter gegen Oppositionelle und „Aufständige“ existieren schon aus der Zeit des Osmanischen Reiches. Die Ittihadisten (Komitee für Einheit und Fortschritt), treibende Kraft hinter dem Völkermord an den Armeniern, benutzten beispielsweise einen Ort, der sich Bekirağa Bölüğü (Kompanie des Bekir Agha) nannte und sich auf dem heutigen Gelände der Universität Istanbul befindet, als Folterkammer. Viele Dissidenten wurden auch nach Amed (Diyarbakir) verbannt. Die osmanischen Gefängnisse in der Region galten schon im 19. Jahrhundert als Orte brutaler und gefürchteter Strafen für politische Gefangene.