Der 83-jährige politische Gefangene Mehmet Emin Özkan ist aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands aus dem D-Typ-Gefängnis Diyarbakır (ku. Amed) ins Krankenhaus eingeliefert und dort ans Bett gekettet worden. Da er sich nicht selbst versorgen kann, haben seine Angehörigen bei der Generalstaatsanwaltschaft beantragt, ihn im Krankenhaus zu pflegen. Diese erklärte sich für nicht zuständig und verwies auf die Staatsanwaltschaft der Vollzugsanstalt.
Wie Selma Özkan als Tochter des 83-jährigen Kurden mitteilte, geht es ihrem Vater sehr schlecht. Die heutige Einlieferung ins Krankenhaus sei die sechste innerhalb von acht Tagen: „Mein Vater ist alt und schwer krank. Er ist auf einen Rollstuhl angewiesen, trotzdem wurde er ans Bett gekettet. Das ist nicht hinnehmbar.“
Unschuldig im Gefängnis
Özkan ist seit 1996 unschuldig im Gefängnis und wird vom Menschenrechtsverein IHD in der Liste der „schwerkranken Gefangenen“ geführt. Er leidet unter diversen Krankheiten, darunter fallen unter anderem ein Aneurysma im Gehirn, Bluthochdruck, eine Schilddrüsenerkrankung, eine Alzheimer-Demenz, die zu Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Desorientierung führt, Gehörverlust, Atemschwäche und eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Sechs Herzattacken hat Özkan bislang überlebt, vier Mal musste er eine Herzkatheteruntersuchung über sich ergehen lassen. Ein rechtsmedizinisches Institut hat bei ihm einen Grad der Behinderung von 87 festgestellt – aber gleichzeitig seine Haftfähigkeit bescheinigt. Damit wurde in den letzten Jahren auch immer wieder die Ablehnung von Haftentlassungsanträgen begründet. Özkan ist vollständig auf die Hilfe seiner Mitgefangenen angewiesen. Seine ohnehin schon lebensgefährliche Verfassung hat sich zunehmend verschlechtert, da ihm seit Ausbruch der Corona-Pandemie routinemäßige Pflichtkontrollen im Rahmen seiner Therapie verwehrt werden.
Özkan wurde 1996 wegen einer Bagatelle festgenommen und im September desselben Jahres als vermeintliches PKK-Mitglied wegen Mordes an einem türkischen General zu einer erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Anklage gegen ihn beruhte im Wesentlichen auf den Aussagen eines Kronzeugen.
16 Tote bei Racheakt des Militärs
Rückblick: Am 22. Oktober 1993 wurde im nordkurdischen Licê in der Provinz Amed (tr. Diyarbakir) der Provinzkommandeur der paramilitärischen Jandarma, Brigadegeneral Bahtiyar Aydın, erschossen. Obwohl die PKK die Beteiligung an seiner Ermordung mit der Begründung ablehnte, keine Vergeltungsschläge provozieren zu wollen, die zu zivilen Opfern führen könnten, beschuldigte die Regierung die kurdische Guerilla, für den Tod von Aydın verantwortlich zu sein. Einen Tag nach dem Mord an Bahtiyar Aydın verübte das türkische Militär einen Racheakt an der Bevölkerung von Licê. Sechzehn Menschen fielen einem Massaker zum Opfer, weitere 36 Personen wurden teils schwer verletzt. Insgesamt 402 Häuser und 285 Arbeitsstätten setzte das Militär in Brand, die Zahl der Vertriebenen ist noch immer unklar. Später kam heraus, dass Aydın von seinen eigenen Leuten erschossen worden war.