In der Kurdistan-Region Irak werden weiterhin Attentate auf kurdische Aktivist:innen und Intellektuelle. Für die Anschläge werden den türkische Nachrichtendienst MIT und Parastin, der Geheimdienst der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK), verantwortlich gemacht. Ziel der Angriffe sind vor allem Kurd:innen, die aufgrund von politischer Verfolgung in der Türkei nach Südkurdistan gekommen sind. Seit September 2021 sind fünf Menschen bei gezielten Anschlägen ermordet worden. Die Jineolojî-Aktivistin Nagihan Akarsel wurde am 4. Oktober 2022 in Silêmanî auf offener Straße erschossen. Am 28. August 2022 tötete der türkische Geheimdienst MIT den Autor und Historiker Suheyl Xurşîd Ezîz, Mitglied der Generalversammlung der Bewegung Tevgera Azadî, vor seinem Haus im südkurdischen Kifrî. Am 17. Mai 2022 wurde Zeki Çelebi vor seinem Restaurant in Silêmanî Opfer eines bewaffneten Angriffs und erlag einen Tag später seinen Verletzungen. Am 17. September 2021 wurde das Mitglied des Komitees der Familien der Gefallenen, Yasin Bulut (Şükrü Serhed), in Silêmanî ermordet. Am Tag zuvor wurde in Silêmanî Ferhad Bariş Kondu aus Südkurdistan bei einem bewaffneten Angriff schwer verletzt. Zuletzt wurde Hüseyin Türeli am 18. April in einem Einkaufszentrum in Dihok erschossen.
Nasır Yağız, Vertreter der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Hewlêr (Erbil), hat sich gegenüber MA zu den Attentaten geäußert.
Nasır Yağız (HDP) auf einer Pressekonferenz in Hewlêr nach dem Mord an Hüseyin Türeli
Nasır Yağız verortet die Anschläge in Südkurdistan als Teil des Vernichtungskonzepts des türkischen Staates gegen die Kurd:innen und sagt: „Diese Attentate zielen auf Einschüchterung ab. Sie werden vom MIT in Zusammenarbeit mit lokalen Kollaborateuren begangen. Auf unseren Freund Hüseyin Türeli wurde bereits im vergangenen Jahr ein Anschlag verübt. Wie man daraus ersehen kann, wurde dieser politische Mord in aller Öffentlichkeit begangen. Bis heute hat die Regierung der Kurdistan-Region Irak keine Maßnahmen ergriffen, um die Morde zu verhindern.“
Die Attentate zielten auf die kurdische Identität ab, so Yağız: „Bei den ermordeten Menschen handelt es sich um unsere Freundinnen und Freunde, die politische Probleme haben und deshalb nach Südkurdistan kommen. Die kurdische Verwaltung ist nicht in der Lage, ihnen menschenwürdige Lebensbedingungen zu bieten, da sie die innere Sicherheit nicht gewährleisten kann. Es ist die kollaborative kurdische Identität der südkurdischen PDK-Regierung, die diesen dunklen Kräften Mut macht. Südkurdistan sollte eigentlich der sicherste Ort für Kurdinnen und Kurden aus Nordkurdistan sein, aber wir sind hier in ständiger Lebensgefahr. Das Ziel dieser Attentate ist die Zerstörung der widerständigen freien kurdischen Identität und Existenz. Das Versäumnis, die Sicherheit unserer Freundinnen und Freunde zu gewährleisten, ist eine Schande für die Regierung des Südens.“
Yağız kritisiert auch das Schweigen der Vereinten Nationen (UN) angesichts der Anschläge und betont, dass dieses Schweigen die Täter ermutige. Die HDP-Vertretung in Hewlêr hat zu diesem Thema diverse Gespräche geführt, sagt Yağız und weist darauf hin, dass politisch Verfolgte aus der Türkei in Südkurdistan zunächst beim UNHCR Asyl beantragen und die UN-Organisation daher in direkter Verantwortung steht. „Die Vereinten Nationen kommen ihrer Pflicht und Verantwortung nicht nach. Ihr Schweigen gibt der lokalen Regierung Macht. Kurdinnen und Kurden können in kurdischen Gebieten nicht geschützt werden. Der MIT hat Hunderte von Stützpunkten in Kurdistan eingerichtet. Das gefährdet das Leben von Menschen, die sich gemäß des UN-Rechts hier niedergelassen haben."