Ausgeplünderte Kommunen in Kurdistan
Am 31. März wurden bei den Kommunalwahlen in Nordkurdistan die vom türkischen Regime eingesetzten Zwangsverwalter aus dem Amt gefegt. Mittlerweile hat die neugewählte Ko-Bürgermeisterin Hamdiye Bilek Turgay (DEM-Partei) in Qoser (tr. Kızıltepe) ihr Amt angetreten. Sie berichtete im ANF-Interview, dass der Zwangsverwalter die Stadtverwaltung ausgeplündert hat. Ihr wurde ein Schuldenberg von 106 Millionen Lira hinterlassen. Die öffentlichen Einkünfte der Stadt betragen 38 Millionen Lira, während die Ausgaben bei 43 Millionen Lira liegen. Selbst die Einrichtung des Rathauses habe der Zwangsverwalter mitgenommen. Auch der Fuhrpark der Stadtverwaltung sei verschwunden.
Sie haben Ihr Mandat am Donnerstag erhalten und sind gemeinsam mit vielen Menschen aus der Bevölkerung ins Rathaus gezogen. Was haben Sie dort vorgefunden?
Uns wurde nicht einmal ein Sofa zum Empfang von Gästen gelassen. Das zeigt schon alles. Man hat sogar die Sessel mitgenommen, die unsere Stadtverwaltung vor der Einsetzung des Zwangsverwalters für den Empfang von Gästen gekauft hatte.
Wir mussten unsere Besucherinnen und Besucher auf Stühlen empfangen. Es gibt derzeit keine Fahrzeuge, die der Kommune gehören. Wir fahren überall mit eigenen Autos hin. In der Garage stehen zwei Klärfahrzeuge, von denen eines defekt ist, die Mietfahrzeuge wurden gekündigt. Es wurden acht Rasenmäher und vier Generatoren mitgenommen. Man hat sogar die Lauben im Garten, in denen sich das Personal und Gäste ausruhten, entfernt. In mehreren Vierteln wurden selbst die fest installierten Geräte auf Kinderspielplätzen abgebaut und entfernt. Da wir eine hohe Besucherdichte haben, konnten wir die Mängel noch nicht vollständig inventarisieren und identifizieren. Das sind die Dinge, die mir zuerst einfallen.
Durch die Strafanzeige gegen den Zwangsverwalter von Qoser, Hüseyin Çam, wegen der Forderung von Bestechungsgeldern, hat die Öffentlichkeit erfahren, wie Ausschreibungen von ihm gehandhabt wurden. Es liegt auf der Hand, dass Sie eine verschuldete Gemeinde übernommen haben. Wie sieht es in finanzieller Hinsicht für Sie aus?
Wir haben die Stadtverwaltung mit einer Verschuldung von 106 Millionen Lira übernommen. Es gibt drei verschiedene Darlehen von der Provinzbank. Eines dieser Darlehen beläuft sich auf 40 Millionen, eines auf 34 Millionen und eines auf 20 Millionen. Die monatlichen Raten für diese Darlehen belaufen sich auf insgesamt 5,4 Millionen. Bei unserem Amtsantritt beliefen sich die monatlichen Einnahmen der Gemeinde auf 38 Millionen, die Ausgaben liegen derzeit jedoch bei 43 Millionen. Die Ausgaben sind also höher als die Einnahmen. Ganz zu schweigen von den 106 Millionen Lira Schulden, die ich erwähnt habe. Ein Darlehen ist alt und es bleiben noch zwei Raten, aber die Schulden von 38 und 43 Millionen sind neu, nur die ersten drei Raten dieser Schulden wurden bezahlt. Wir haben den Rest der Schulden übernommen, und es scheint, dass diese Kredite für Ausschreibungen von Pflastersteinen aufgenommen wurden. Mit dieser Menge an Pflastersteinen können alle Straßen eines Bezirks erneuert werden. Wie Sie wissen, drehten sich frühere Korruptions- und Ausschreibungsprobleme immer um Pflastersteine. Der Zustand der Straßen in Qoser ist offensichtlich. Das wurde nur gemacht, um Ausgabeposten zu fingieren. Wir werden in den nächsten Tagen ein klareres Bild haben und veröffentlichen. Natürlich werden wir diese Schulden begleichen, aber alles zielt darauf ab, den Menschen hier Schwierigkeiten zu machen. Sogar die Gesundheitsversorgung wurde den Menschen geraubt.
Wie ist die Personalsituation in der Stadtverwaltung?
Ich möchte Ihnen folgendes mitteilen: Sie haben das Personal, das sie von der İŞKUR oder von Subunternehmen besorgt haben, abgezogen. Die Verträge sind ausgelaufen. Wir haben nur noch elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Reinigungsabteilung. Wir haben die Stadtverwaltung der Provinzhauptstadt in Kenntnis gesetzt und um Verstärkung gebeten, aber da dort das Gleiche passiert ist, gibt es auch dort ein ernsthaftes Personaldefizit. Sie haben auch kein Reinigungspersonal übrig, um die Bezirke der Provinz zu verstärken. Die Viertel sind am Vorabend des Zuckerfestes voller Müll. Man bestraft unser Volk auf diese Weise. Natürlich werden wir hinausgehen und den Müll von den Straßen sammeln. Eine Straßenreinigung, wie wir sie in Wan (Van) gesehen haben, werden wir auch in Qoser erleben.
Dies ist das eine, das andere betrifft das Personal im Allgemeinen. Wenn es kein rechtliches Hindernis für die Rückkehr unserer vom Zwangsverwalter entlassenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, werden wir sie wieder in die Stadtverwaltung eingliedern. Es wurden viele unserer wirklich qualifizierten und verdienstvollen Mitarbeiter entlassen, um die eigenen Anhänger unterzubringen. So haben sie die Menschen sowohl ökonomisch als auch moralisch angegriffen. Unser Ziel ist es, all diese Missstände zu beseitigen. Wir werden schnell zu einer funktionierenden Ordnung mit kompetenten Leuten übergehen, die die Bedürfnisse der Menschen hier kennen und begreifen. Das müssen wir unbedingt tun, um diesen Schaden zu beseitigen.
Was erwarten die Menschen von Qoser von der neuen Stadtverwaltung?
Nachdem wir unsere Mandate erhalten und das Rathaus betreten hatten, öffneten wir die Türen weit. Wenn die Menschen vorher ins Rathaus kam, um etwas zu erledigen, wurden sie mit einem Bußgeld belegt, selbst wenn sie ihr Auto in einer Seitenstraße parkten. Sie wurden indirekt dafür bestraft, dass sie ins Rathaus kamen und die Verantwortlichen nötigten, ihre Arbeit zu machen. Die Menschen konnten das Rathaus nur betreten, indem sie einen Kontrollpunkt passierten. Das war eine sehr ernste Form der Einschüchterung und Unterdrückung unter dem Vorwand der Sicherheit. Das erste, was die Menschen zu uns sagten, war: „Jetzt können wir wieder in das Rathaus kommen“. Die Übergabe des Rathauses an unsere Verwaltung bildet ihren Willen ab. Sie empfinden berechtigten Stolz und Freude darüber.
Den Menschen ist klar, in welchem Zustand uns die Stadtverwaltung überlassen wurde, und dass die Ressourcen von der Zwangsverwaltung mit dem Ziel ausgereizt wurden, uns in Widerspruch zur Bevölkerung zu bringen. Die Menschen sagen, dass sie unter allen Umständen zu uns stehen. Das gilt für die Alten, die Jungen und die Kinder. Es gibt eine wunderbare Identifikation mit der Stadtverwaltung. Gestern stiegen Kinder in das Becken der Stadtverwaltung auf dem Platz. Ich neckte eines von ihnen und sagte, dass wir das Wasser noch nicht ausgewechselt haben, und das Kind sagte: „Egal, es ist das Schwimmbad der Stadtverwaltung.“ Unser Volk vermisst schon seit Jahren das Gefühl, dass etwas ihm selbst gehört. Natürlich erleben wir auch sehr emotionale Momente. Die Mutter von Uğur Kaymaz kam. Kaum war sie da, flossen Tränen aus Mutter Makbules Augen und auch aus unseren: „Dass wir diesen Tag noch erleben können“, sagte sie. Wie Sie wissen, hat der Zwangsverwalter die Statue von Uğur Kaymaz entfernt.