Bürgermeister Abdullah Zeydan zu Haftstrafe verurteilt

Der Ko-Oberbürgermeister der kurdischen Stadt Wan, Abdullah Zeydan, ist wegen Terrorvorwürfen von der türkischen Justiz zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Es ist das mittlerweile vierte Urteil in der gleichen Sache.

Nächster Schritt Amtsenthebung?

Der Ko-Oberbürgermeister der kurdischen Stadt Wan (tr. Van), Abdullah Zeydan, ist in der Türkei zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ein Strafgericht in Amed (Diyarbakır) sah es am Dienstag als erwiesen an, dass der DEM-Politiker eine „Terrororganisation“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstützt habe. Zeydan, der sich an dem Prozess nicht beteiligte, bezeichnete die Entscheidung als politisch motiviert, durch die der Weg zur Absetzung aus seinem Bürgermeisteramt geebnet werden solle. Sein Verteidiger Mehmet Emin Aktar sprach von einem „eindeutig rechtswidrigen Akt“, da ihm das Gericht keine Zeit für die Verteidigung eingeräumt habe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Grundlage des Urteils gegen Zeydan ist eine Äußerung, die der Politiker vor knapp zehn Jahren tätigte und laut seiner Schilderung von der türkischen Justiz aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Am 24. Juli 2015 wurde der Dialogprozess zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Befreiungsbewegung mit der Bombardierung der Qendîl-Berge in Südkurdistan beendet. Damit leitete Ankara auch das Ende des von der PKK im Zuge der Gespräche zwischen ihrem Vorsitzenden Abdullah Öcalan und der Regierung ausgerufenen Waffenstillstands ein.

Zeydan, der damals für die DEM-Vorgängerin HDP im türkischen Parlament saß, beteiligte sich drei Tage nach Wiederaufnahme des Krieges gegen die kurdische Bewegung an einer Protestveranstaltung in seiner Geburtsstadt Gever (Yüksekova). Dort sagte er mit Blick auf die Luftangriffe auf das Qendîl-Gebirge: „Die PKK ist eine Friedens- und Volksbewegung, die zum Ziel hat, die Türkei und den Nahen Osten in einen Rosengarten zu verwandeln. Wenn die PKK die Türkei nicht in einen Rosengarten verwandeln wollte, hätte die PKK die Macht, sie mit ihrer Spucke zu ersticken.“

Wegen dieser Äußerung wurde Zeydan im November 2016 zeitgleich mit weiteren Abgeordneten der HDP verhaftet. Im Juli 2017 verurteilte ihn ein Gericht in Amed wegen „Propaganda und Unterstützung einer Terrororganisation“ zu acht Jahren und einem Monat Haft. Nachdem das Urteil in der Folge zunächst von einem regionalen Berufungsgericht aufgehoben worden war, wurde Zeydan im erneuten Prozess zu einer gleichhohen Freiheitsstrafe verurteilt. Daraufhin landete der Fall vor dem Kassationshof in Ankara, dem höchsten Berufungsgericht in der Türkei. Dieser kassierte die Entscheidung der Vorinstanz ein und ordnete eine Neuverhandlung an. Begründet wurde der Schritt damit, dass Zeydan auch verurteilt wurde, weil er sich 2015 in einem militärischen Sperrgebiet aufgehalten haben soll. Dieser Vorwurf stellte sich später als falsch heraus.

Nach Bekanntwerden des Urteils strömten mehrere tausend Menschen vor das Rathaus in Wan. Ko-Bürgermeisterin Neslihan Şedal bekräftigte: „Sollte es einen weiteren Versuch geben, eine Zwangsverwaltung in Wan zu installieren, leisten wir selbstverständlich Widerstand.“ © MA

Viertes Urteil in gleicher Sache

Im Januar 2022 wurde Zeydan dennoch erneut zu gut acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt – gleichzeitig ordnete das Gericht damals seine Haftentlassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis in der westtürkischen Stadt Edirne an, wo er sich mit Selahattin Demirtaş eine Zelle geteilt hatte. Der Fall landete abermals beim Kassationshof, der nochmals eine Wiederaufnahme des Verfahrens verfügte. Mit dem heutigen Urteil ist Zeydan in der gleichen Sache zum vierten Mal verurteilt worden. Nach Bekanntwerden der Entscheidung versammelten sich zahlreiche Menschen vor dem Rathaus in Wan, um ihre Solidarität mit dem Ko-Bürgermeister zum Ausdruck zu bringen und ihm „vollstes Vertrauen“ auszusprechen, wie eine Beteiligte erklärte. Viele Menschen in Wan befürchten, dass mit dem neuen Urteil die Absetzung Zeydans und die Einsetzung eines Zwangsverwalters an seiner Stelle im Rathaus bevorstehen könnte.

Proteste vor Rathaus

Derzeit ist noch ein weiteres Verfahren gegen den 52-Jährigen anhängig. Dabei geht es um die Wiedererlangung seiner Bürgerrechte. Zeydan war bei der Kommunalwahl am 31. März mit 55,5 Prozent der Stimmen als Ko-Kandidat der DEM-Partei zum Oberbürgermeister von Wan gewählt worden. Danach wurde ihm von einem Gericht die Wählbarkeit aberkannt. Begründet worden war dies mit einem Einspruch des Justizministeriums gegen einen früheren Gerichtsentscheid, der die Bürgerrechte des fünf Jahre lang unter Terrorvorwürfen inhaftierten Politikers wiederhergestellt hatte. In Wan kam es daraufhin zu tagelangen Massenprotesten, bei denen Hunderte Menschen durch Polizeigewalt verletzt und festgenommen wurden. Nach den Protesten ruderte Ankara zurück, Zeydan erhielt seine Ernennungsurkunde.