Kriminelle Buchstaben: „Q-W-X” aus Ortsschildern entfernt

In Mêrdîn sind auf Anordnung der AKP-geführten Stadtverwaltung die Buchstaben „Q-W-X” von Schildern mit kurdischen Ortsbezeichnungen durch Alternativen aus dem türkischen Alphabet ersetzt worden.

In der Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) sind auf Anordnung der AKP-geführten Stadtverwaltung des zentralen Bezirks Ertoqî (Artuklu) eine Reihe von mehrsprachigen Ortschildern erneuert worden. Das Problem: Die Buchstaben Q, W und X der kurdischen Fassung von Dorfnamen wurden durch „Alternativen” aus dem türkischen Alphabet ersetzt. Statt Q, W und X wird nun K, H und V genutzt. Die kurdischen Bewohnerinnen und Bewohner der multikulturellen Provinz sind empört über die Verballhornung und fordern eine umgehende Korrektur. Viele Menschen bezeichnen das Vorgehen von Bürgermeister Abdülkadir Tutaşı (AKP) als „Feindschaft der kurdischen Sprache gegenüber“.

Der Austausch von „Q-W-X” aus den Ortsschildern in Mêrdîn erinnert an die fast einhundertjährige Kriminalisierung dieser Buchstaben. Über achtzig Jahre lang war es in der Türkei offiziell verboten, Q, W und X zu benutzen. Der Grund: Im Jahr 1929 wurde das türkische Alphabet per Gesetz von arabischen auf lateinische Schriftzeichen umgestellt. Die Regelung verbot ausdrücklich, alle Schriftzeichen zu nutzen, die nicht im neuen türkischen Alphabet vorkommen. Da dies auch Q, W und X betraf – die es im Kurdischen, nicht aber im Türkischen gibt – wurde das Gesetz konsequent zur Ausrottung der kurdischen Sprache genutzt.

Erst mit der Verabschiedung des sogenannten „Demokratiepakets” der AKP-Regierung im September 2013 wurde die Kriminalisierung der Buchstaben „Q-W-X” offiziell beendet. Doch schon damals wurde die vermeintliche Reform als Augenwischerei bezeichnet, denn auch mehr als sieben Jahre später hält die Benachteiligung der kurdischen Sprache weiter an. Im Oktober erregte das Aufführungsverbot der kurdischen Adaption des Theaterstücks „Hohn der Angst“ von Dario Fo aufgrund eines vom Innenministerium bestätigten Beschlusses wegen „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ auch international die Gemüter. Aber auch außerhalb der Türkei geht die Regierung gegen die kurdische Sprache vor. An der Fremdsprachen-Universität in Japans Hauptstadt Tokio beispielsweise wird seit dem Frühjahr 2019 Kurdisch-Unterricht angeboten. Das türkische Außenministerium hatte versucht, den Kurs zu verhindern, war allerdings gescheitert, da in Japan Bildungsfreiheit verfassungsrechtlich garantiert ist. Selbst die japanische Regierung hat nicht das Recht, sich einzumischen.

Kolonialistische Maßnahmen wie der Austausch von kurdischen Hinweisschildern finden seit dem ersten Putsch gegen die kurdische Kommunalpolitik im Herbst 2016 in großem Stil statt. In nahezu allen zuvor von der HDP oder ihrer Schwesterpartei DBP geführten Rathäusern in Nordkurdistan, in denen Verwaltungsbeamte des AKP-Regimes als Zwangsverwalter eingesetzt wurden, gehörten die Verbannung der kurdischen Sprache aus dem öffentlichen Leben oder die Verballhornung von Ortsnamen zu den ersten Amtshandlungen.