EGMR weist Klage von Mor-Gabriel-Stiftung ab
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Klage der Stiftung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel auf Rückübertragung von Kirchengrundstücken wegen „fehlenden Unterlagen“ abgewiesen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Klage der Stiftung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel auf Rückübertragung von Kirchengrundstücken wegen „fehlenden Unterlagen“ abgewiesen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat eine Klage der Stiftung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel auf Rückübertragung von Kirchengrundstücken wegen „fehlenden Unterlagen“ abgewiesen. Tuma Çelik, Abgeordneter der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und Angehöriger der Suryoye, erklärte zu dem Urteil: „Dem EGMR geht es nicht um Recht oder Unrecht, vielmehr hat die Causa einen politischen Hintergrund“.
Mor Gabriel, im dritten Jahrhundert von syrisch-orthodoxen Mönchen gegründet, zählt zu den ältesten Klöstern weltweit. Als Gründer gelten der Heilige Samuel von Eshtin und sein Schüler, der Heilige Simon. In seiner Blütezeit lebten bis zu 1.000 Mönche im Kloster. Es liegt im Tur Abdin - „Berg der Gottesdiener“ -, dem Kernland der Suryoye, das sich von der Provinzhauptstadt Mêrdîn (Mardin) über Midyad (Midyat) und die mesopotamische Ebene bis in den Irak und nach Syrien zieht. Suryoye ist die Eigenbezeichnung für nach unterschiedlicher Auslegung mehrere christliche Volksgruppen im Mittleren Osten. Zu den Suryoye werden Aramäer, Assyrer, Chaldäer und mitunter auch Maroniten und Melkiten gezählt.
In dem Konflikt, der vor dem EGMR verhandelt wurde, geht es um rund 50 Hektar Klosterboden, die bei einer Landvermessung im Rahmen einer neuen Gemeindereform zur Erstellung von Grundbüchern nach EU-Vorgaben im Sommer 2008 strittig geworden waren. Sie wurden von drei Dörfern der Umgebung sowie vom Finanzamt und von der Forstverwaltung beansprucht. Betroffen waren 30 Grundstücke mit Kirchen und Klöstern, Friedhöfen, Gärten, Weinhängen und Ackerland der angestammten christlichen Bevölkerung, obwohl die Klosterstiftung Urkunden aus den 1930er-Jahren besitzt, die eindeutig das Eigentumsrecht des Klosters belegen.
Eigentumsrecht des Klosters an Schatzamt und Diyanet übertragen
Im Mai 2009 hatte die Mor-Gabriel-Stiftung einen ersten Prozess um die Grenzziehung zwischen ihrem Gelände und umliegenden Dörfern gewonnen. Im Juni 2009 wies ein Gericht in Midyad eine Klage des Finanzamtes gegen das syrisch-orthodoxe Kloster zurück. Das Finanzamt ging dagegen in Berufung. Ein weiterer Prozess um Ansprüche der Forstbehörde auf ein Waldgebiet des Klosters ging für Mor Gabriel verloren, das ebenfalls in Berufung ging.
Im Januar 2011 sprach der Oberste Gerichtshof der Türkei im Berufungsprozess einige der Ländereien dem türkischen Staat zu. Daraufhin zog die Mor-Gabriel-Stiftung vor den EGMR. Acht Jahre später wiesen die Straßburger Richter die Klage nun ab.
Systematische Unterdrückungsmaßnahmen gegen christliche Minderheiten
Enteignungsmaßnahmen wie diese sind in der Türkei nicht neu und haben System. Im September 2013 kündigte der damalige Ministerpräsident und heutige Staatschef Recep Tayyip Erdogan im Rahmen seines „Demokratiepakets“ die Rückgabe von beschlagnahmten kirchlichen Vermögenswerten an. Doch zwischen den Jahren 2013 und 2018 hat die türkische Regierung rund hundert historische Kirchengüter der Suryoye in Regionen wie Mêrdîn und Amed (Diyarbakir) konfisziert. Dazu gehören einerseits verlassene Kirchengebäude, Klöster, Monumente, Ländereien, aber auch Dorffriedhöfe, die noch in Gebrauch sind, und mehrere aktive Klöster. Die Objekte wurden erst dem Schatzamt (Hazine) einverleibt. Anschließend überschrieben die türkischen Behörden die Ländereien an Kommunen und die Gotteshäuser an das staatliche Religionsamt Diyanet. Die Behörde reguliert im Prinzip nur sunnitisch-muslimische Einrichtungen der Türkei und hat keine Befugnisse über die nichtmuslimischen Minderheiten.
Nach internationalen Protesten nahm Ankara 2017 seine Entscheidung zurück, die Eigentumsrechte an Kirchen und Klöstern der syrischen Tradition im Zusammenhang mit der Gemeindereform aus dem Jahr 2008 an das Diyanet zu übertragen. Im Februar 2018 ordnete die Regierung Erdogans per Dekret die Rückgabe der kirchlichen Liegenschaften an die syrisch-orthodoxe Kirche an. Das Dekret betraf lediglich die Rückgabe von 30 kirchlichen Gütern an die Stiftungen und Organismen der syrisch-orthodoxen Kirche und damit an die angestammten Besitzer. Zu den Vermögenswerten gehörten auch die drei historisch bedeutsamen Klöster Mor Melki, Mor Yakup und Mor Dimet. Federführend bemühten sich die Stiftung des Mor-Gabriel-Klosters und die Stiftung des Klosters Deyrulzafaran darum, aber auch weitere kirchliche Stiftungen waren daran beteiligt, den Kirchenbesitz wieder zurückzubekommen.
Noch ist die Übertragung aller beschlagnahmten Kirchengüter nicht vollzogen worden. Viele Suryoye befürchten, dass ihr Jahrtausende altes Kulturerbe, Kirchen und Klöster aus frühchristlicher Zeit, veräußert oder in Moscheen umgewandelt werden sollen.