Drohnenangriff auf Şengal

Die Türkei hat erneut das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal bombardiert. Ziel des Luftangriffs war eine kleine Wohnsiedlung im Dorf Til Ezer.

Die Türkei hat zum wiederholten Mal das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal in Südkurdistan angegriffen. Ziel des Angriffs am Freitag um 15:20 Uhr Ortszeit durch eine unbemannte Kampfdrohne war das Dorf Til Ezer. Getroffen wurde eine kleine Wohnsiedlung, in den Fassaden klaffen Löcher. Angaben über Verletzte oder Tote lagen zunächst nicht vor.

Til Ezer (ar. al-Qahtaniyya) befindet sich südlich des Şengal-Gebirges und ist ein sogenanntes Modelldorf der Ära Saddam Husseins. Der irakische Diktator ließ in den 60er und 70er Jahren hunderte ezidische Dörfer in Şengal zerstören und entvölkern und bezeichnete diese erzwungenen Umsiedlungsmaßnahmen als „Modernisierungsprojekte“.

Der Ort erlangte beim „Tanklast-Attentat“ am 14. August 2007 internationale Bekanntheit. Bei durch einen Tanklaster und drei weitere mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge hervorgerufenen Explosionen verloren fast 800 Menschen aus Til Ezer und dem benachbarten Dorf Sîba Şêx Xidir ihr Leben, über 1.500 weitere wurden verwundet. Es handelt sich bis heute um den folgenschwersten und opferreichsten Terroranschlag in der Geschichte des Iraks. Beide Ortschaften wurden nahezu dem Erdboden gleichgemacht.

Staatlicher Drohnenterror gegen Genozid-Überlebende

Unter dem Vorwand der „Bekämpfung der PKK“ kommt es seit 2017 vermehrt zu Luftschlägen durch türkische Kampfflugzeuge und Drohnen auf Şengal. Konkrete Ziele sind hierbei zumeist Repräsentant:innen und Einrichtungen des  Demokratischen Autonomierats von Şengal (MXDŞ) und der Selbstverteidigungseinheiten YBŞ/YJŞ, bei den Todesopfern handelt es sich hauptsächlich um Menschen aus der Zivilbevölkerung – oftmals Überlebende des IS-Genozids von 2014. Vor knapp zwei Wochen war in Xanesor ein Fahrzeug der Widerstandseinheiten Şengals von einer türkischen Killerdrohne attackiert worden. Menschen kamen wie durch ein Wunder nicht zu Schaden.

Selbst Krankenhäuser werden bombardiert

Im Juni kamen jedoch zwei Zivilisten bei einem türkischen Drohnenangriff auf Şengal ums Leben, darunter auch ein Zwölfjähriger. Im Februar starben drei zivile arabische Arbeiter in mehrstündigen Bombenangriffen auf 22 Ziele. Im Dezember 2021 wurde mit Merwan Bedel, dem Ko-Vorsitzenden der Exekutivkommission des MXDŞ, eine langjährige Kernpersönlichkeit der Autonomieverwaltung bei einem türkischen Drohnenangriff ermordet. Unter den acht Todesopfern eines Luftschlags auf ein Krankenhaus in Sikêniyê im August 2021 befanden sich auch eine Ärztin und Pflegepersonal.